Einfacher konnte man für eine große Gesellschaft nicht gekleidet sein, als die russische Fürstin. Ihr Kleid schimmerte ins Graue, nichts von Brillanten, kein Geschmeide. Die glänzend schwarzen Haare schei¬ telten sich schmucklos um ein feines, ausdrucksvolles Gesicht, in dessen breiter als europäisch geschlitzten Augen zuweilen ein stilles Feuer glühte, das seine Strahlen aus einer schönern Welt zu borgen schien, und ein süß harmonisches Lächeln spielte dazu um die wohlgeformten Lippen. Sie mußte Jedem etwas Angenehmes oder Interessantes zu sagen wissen, denn ein solcher Eindruck strahlte vom Gesicht derer, die von ihr gingen.
Seit Laforest den Schauplatz verlassen, schien sie der Magnet geworden, welcher die Wandelsterne anzog.
"Was hat die nordische Sybille meiner Freun¬ din vertraut? fragte die Wirthin die Baronin Eitel¬ bach. Sie lächeln ja so vergnügt."
8*
Siebentes Kapitel. Die ruſſiſche Fürſtin.
Einfacher konnte man für eine große Geſellſchaft nicht gekleidet ſein, als die ruſſiſche Fürſtin. Ihr Kleid ſchimmerte ins Graue, nichts von Brillanten, kein Geſchmeide. Die glänzend ſchwarzen Haare ſchei¬ telten ſich ſchmucklos um ein feines, ausdrucksvolles Geſicht, in deſſen breiter als europäiſch geſchlitzten Augen zuweilen ein ſtilles Feuer glühte, das ſeine Strahlen aus einer ſchönern Welt zu borgen ſchien, und ein ſüß harmoniſches Lächeln ſpielte dazu um die wohlgeformten Lippen. Sie mußte Jedem etwas Angenehmes oder Intereſſantes zu ſagen wiſſen, denn ein ſolcher Eindruck ſtrahlte vom Geſicht derer, die von ihr gingen.
Seit Laforeſt den Schauplatz verlaſſen, ſchien ſie der Magnet geworden, welcher die Wandelſterne anzog.
„Was hat die nordiſche Sybille meiner Freun¬ din vertraut? fragte die Wirthin die Baronin Eitel¬ bach. Sie lächeln ja ſo vergnügt.“
8*
<TEI><text><body><pbfacs="#f0125"n="[115]"/><divn="1"><head>Siebentes Kapitel.<lb/><hirendition="#b">Die ruſſiſche Fürſtin.</hi><lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Einfacher konnte man für eine große Geſellſchaft<lb/>
nicht gekleidet ſein, als die ruſſiſche Fürſtin. Ihr<lb/>
Kleid ſchimmerte ins Graue, nichts von Brillanten,<lb/>
kein Geſchmeide. Die glänzend ſchwarzen Haare ſchei¬<lb/>
telten ſich ſchmucklos um ein feines, ausdrucksvolles<lb/>
Geſicht, in deſſen breiter als europäiſch geſchlitzten<lb/>
Augen zuweilen ein ſtilles Feuer glühte, das ſeine<lb/>
Strahlen aus einer ſchönern Welt zu borgen ſchien,<lb/>
und ein ſüß harmoniſches Lächeln ſpielte dazu um<lb/>
die wohlgeformten Lippen. Sie mußte Jedem etwas<lb/>
Angenehmes oder Intereſſantes zu ſagen wiſſen, denn<lb/>
ein ſolcher Eindruck ſtrahlte vom Geſicht derer, die<lb/>
von ihr gingen.</p><lb/><p>Seit Laforeſt den Schauplatz verlaſſen, ſchien ſie<lb/>
der Magnet geworden, welcher die Wandelſterne anzog.</p><lb/><p>„Was hat die nordiſche Sybille meiner Freun¬<lb/>
din vertraut? fragte die Wirthin die Baronin Eitel¬<lb/>
bach. Sie lächeln ja ſo vergnügt.“</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">8*<lb/></fw></div></body></text></TEI>
[[115]/0125]
Siebentes Kapitel.
Die ruſſiſche Fürſtin.
Einfacher konnte man für eine große Geſellſchaft
nicht gekleidet ſein, als die ruſſiſche Fürſtin. Ihr
Kleid ſchimmerte ins Graue, nichts von Brillanten,
kein Geſchmeide. Die glänzend ſchwarzen Haare ſchei¬
telten ſich ſchmucklos um ein feines, ausdrucksvolles
Geſicht, in deſſen breiter als europäiſch geſchlitzten
Augen zuweilen ein ſtilles Feuer glühte, das ſeine
Strahlen aus einer ſchönern Welt zu borgen ſchien,
und ein ſüß harmoniſches Lächeln ſpielte dazu um
die wohlgeformten Lippen. Sie mußte Jedem etwas
Angenehmes oder Intereſſantes zu ſagen wiſſen, denn
ein ſolcher Eindruck ſtrahlte vom Geſicht derer, die
von ihr gingen.
Seit Laforeſt den Schauplatz verlaſſen, ſchien ſie
der Magnet geworden, welcher die Wandelſterne anzog.
„Was hat die nordiſche Sybille meiner Freun¬
din vertraut? fragte die Wirthin die Baronin Eitel¬
bach. Sie lächeln ja ſo vergnügt.“
8*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. [115]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/125>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.