nur den gerundeten Ellenbogen. So wissen Sie nicht, daß Sie in jeder Bewegung, die Ihre Abneigung deployiren soll, einen Köder auswerfen, und statt Ihn abzustoßen, fesseln Sie ihn."
Die schöne Frau warf einen Blick ins Leere und er traf die Wahrheit. Momente giebt es, wo sie in jeder Natur durchschlägt; aber es sammel¬ ten sich zugleich eine Masse Erinnerungen, die ihr Auge jetzt trübten, jetzt einen Strahl des Zornes entzündeten, und es platzte heraus:
"Wie das Porzellanservice aus Meißen ankam, und der Spediteur es so schlecht verpackt hatte, und mehr als die Hälfte war auf dem Transport zer¬ schlagen, vierhundertfunfzig Thaler der Schaden, und Gott weiß, welche Mühe es gekostet, daß ich meinen Mann dazu gekriegt! Und war nicht versichert! Da sollten einem wohl nicht die Thränen in's Auge treten, ich möchte heute noch weinen, und er -- lachte, ja das hat er, sich ordentlich geschüttelt! O er hat ein schlechtes Herz. Ich hab's ihm aber gesagt, das kam aus einem boshaften Gemüth. Und voriges Jahr noch in der Gesellschaft bei den Leuten -- i mein Gott, Sie kamen ja auch noch nachher -- da nahm er mir ja den Stuhl vor der Nase weg. Ich begreife gar nicht, wie man so grob sein kann und so maliciös."
"Vor andern. Wer sieht ins Herz!"
"Er pustet ja ordentlich vor Selbstgefälligkeit. Glaubt er, alle Frauen müßten sich in ihn verlieben, wenn er den Bart streicht?"
nur den gerundeten Ellenbogen. So wiſſen Sie nicht, daß Sie in jeder Bewegung, die Ihre Abneigung deployiren ſoll, einen Köder auswerfen, und ſtatt Ihn abzuſtoßen, feſſeln Sie ihn.“
Die ſchöne Frau warf einen Blick ins Leere und er traf die Wahrheit. Momente giebt es, wo ſie in jeder Natur durchſchlägt; aber es ſammel¬ ten ſich zugleich eine Maſſe Erinnerungen, die ihr Auge jetzt trübten, jetzt einen Strahl des Zornes entzündeten, und es platzte heraus:
„Wie das Porzellanſervice aus Meißen ankam, und der Spediteur es ſo ſchlecht verpackt hatte, und mehr als die Hälfte war auf dem Transport zer¬ ſchlagen, vierhundertfunfzig Thaler der Schaden, und Gott weiß, welche Mühe es gekoſtet, daß ich meinen Mann dazu gekriegt! Und war nicht verſichert! Da ſollten einem wohl nicht die Thränen in's Auge treten, ich möchte heute noch weinen, und er — lachte, ja das hat er, ſich ordentlich geſchüttelt! O er hat ein ſchlechtes Herz. Ich hab's ihm aber geſagt, das kam aus einem boshaften Gemüth. Und voriges Jahr noch in der Geſellſchaft bei den Leuten — i mein Gott, Sie kamen ja auch noch nachher — da nahm er mir ja den Stuhl vor der Naſe weg. Ich begreife gar nicht, wie man ſo grob ſein kann und ſo maliciös.“
„Vor andern. Wer ſieht ins Herz!“
„Er puſtet ja ordentlich vor Selbſtgefälligkeit. Glaubt er, alle Frauen müßten ſich in ihn verlieben, wenn er den Bart ſtreicht?“
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nur den gerundeten Ellenbogen. So wiſſen Sie nicht,
daß Sie in jeder Bewegung, die Ihre Abneigung
deployiren ſoll, einen Köder auswerfen, und ſtatt
Ihn abzuſtoßen, feſſeln Sie ihn.“
Die ſchöne Frau warf einen Blick ins Leere
und er traf die Wahrheit. Momente giebt es,
wo ſie in jeder Natur durchſchlägt; aber es ſammel¬
ten ſich zugleich eine Maſſe Erinnerungen, die ihr
Auge jetzt trübten, jetzt einen Strahl des Zornes
entzündeten, und es platzte heraus:
„Wie das Porzellanſervice aus Meißen ankam,
und der Spediteur es ſo ſchlecht verpackt hatte, und
mehr als die Hälfte war auf dem Transport zer¬
ſchlagen, vierhundertfunfzig Thaler der Schaden,
und Gott weiß, welche Mühe es gekoſtet, daß ich
meinen Mann dazu gekriegt! Und war nicht verſichert!
Da ſollten einem wohl nicht die Thränen in's Auge
treten, ich möchte heute noch weinen, und er — lachte,
ja das hat er, ſich ordentlich geſchüttelt! O er hat
ein ſchlechtes Herz. Ich hab's ihm aber geſagt, das
kam aus einem boshaften Gemüth. Und voriges
Jahr noch in der Geſellſchaft bei den Leuten — i
mein Gott, Sie kamen ja auch noch nachher — da nahm
er mir ja den Stuhl vor der Naſe weg. Ich begreife
gar nicht, wie man ſo grob ſein kann und ſo maliciös.“
„Vor andern. Wer ſieht ins Herz!“
„Er puſtet ja ordentlich vor Selbſtgefälligkeit.
Glaubt er, alle Frauen müßten ſich in ihn verlieben,
wenn er den Bart ſtreicht?“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/130>, abgerufen am 23.11.2024.
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