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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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"Das ist ein eigen Kapitel, meine Freundin, von
der Sympathie und der Antipathie. Ich kenne den
Herrn Rittmeister nicht, ich weiß nur --"

"Daß mir ordentlich wohl ist, wenn ich ihn in
einer Gesellschaft nicht treffe."

"Ob ihm aber wohl ist! -- Sie sahen nicht,
wie er nach jener Gesellschaft, wo er Sie so auffal¬
lend beleidigt, Ihnen immer von fern folgte, wie er
wartete, um Sie einsteigen zu sehen; wie er, als der
Wagen vor Ihrem Hause vorfuhr, schon durch Quer¬
gassen schneller dahin gekommen war, und an der
Ecke, im Mantel verhüllt, sah er Sie aussteigen!
Mich dünkt, Sie sahen sich um, und wandten schnell
den Kopf --"

"Ich erinnere mich nicht."

"Sie müssen ihn gesehen haben. Wenn da
grade nicht, doch ein ander Mal. Entsinnen Sie
sich nur. Man kann sagen, er folgt Ihnen auf
Schritt und Tritt, vielleicht unwillkürlich."

"Sie erschrecken mich, Herr von Wandel. Der
Mensch lauert mir auf, um mir einen Affront an¬
zuthun."

"Das will ich nicht hoffen."

"Aber, ich bitte Sie, 's ist ja rein unmöglich.
Wer sich so vor den Menschen beträgt, was kann der
Gutes im Schilde führen!"

"Der unerklärte Trieb unserer Natur, der ewige
Zwiespalt unserer selbst, das Licht und der Schatten,
der Ahriman und der Ormuz, daß wir schaffend ver¬

„Das iſt ein eigen Kapitel, meine Freundin, von
der Sympathie und der Antipathie. Ich kenne den
Herrn Rittmeiſter nicht, ich weiß nur —“

„Daß mir ordentlich wohl iſt, wenn ich ihn in
einer Geſellſchaft nicht treffe.“

„Ob ihm aber wohl iſt! — Sie ſahen nicht,
wie er nach jener Geſellſchaft, wo er Sie ſo auffal¬
lend beleidigt, Ihnen immer von fern folgte, wie er
wartete, um Sie einſteigen zu ſehen; wie er, als der
Wagen vor Ihrem Hauſe vorfuhr, ſchon durch Quer¬
gaſſen ſchneller dahin gekommen war, und an der
Ecke, im Mantel verhüllt, ſah er Sie ausſteigen!
Mich dünkt, Sie ſahen ſich um, und wandten ſchnell
den Kopf —“

„Ich erinnere mich nicht.“

„Sie müſſen ihn geſehen haben. Wenn da
grade nicht, doch ein ander Mal. Entſinnen Sie
ſich nur. Man kann ſagen, er folgt Ihnen auf
Schritt und Tritt, vielleicht unwillkürlich.“

„Sie erſchrecken mich, Herr von Wandel. Der
Menſch lauert mir auf, um mir einen Affront an¬
zuthun.“

„Das will ich nicht hoffen.“

„Aber, ich bitte Sie, 's iſt ja rein unmöglich.
Wer ſich ſo vor den Menſchen beträgt, was kann der
Gutes im Schilde führen!“

„Der unerklärte Trieb unſerer Natur, der ewige
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[121/0131] „Das iſt ein eigen Kapitel, meine Freundin, von der Sympathie und der Antipathie. Ich kenne den Herrn Rittmeiſter nicht, ich weiß nur —“ „Daß mir ordentlich wohl iſt, wenn ich ihn in einer Geſellſchaft nicht treffe.“ „Ob ihm aber wohl iſt! — Sie ſahen nicht, wie er nach jener Geſellſchaft, wo er Sie ſo auffal¬ lend beleidigt, Ihnen immer von fern folgte, wie er wartete, um Sie einſteigen zu ſehen; wie er, als der Wagen vor Ihrem Hauſe vorfuhr, ſchon durch Quer¬ gaſſen ſchneller dahin gekommen war, und an der Ecke, im Mantel verhüllt, ſah er Sie ausſteigen! Mich dünkt, Sie ſahen ſich um, und wandten ſchnell den Kopf —“ „Ich erinnere mich nicht.“ „Sie müſſen ihn geſehen haben. Wenn da grade nicht, doch ein ander Mal. Entſinnen Sie ſich nur. Man kann ſagen, er folgt Ihnen auf Schritt und Tritt, vielleicht unwillkürlich.“ „Sie erſchrecken mich, Herr von Wandel. Der Menſch lauert mir auf, um mir einen Affront an¬ zuthun.“ „Das will ich nicht hoffen.“ „Aber, ich bitte Sie, 's iſt ja rein unmöglich. Wer ſich ſo vor den Menſchen beträgt, was kann der Gutes im Schilde führen!“ „Der unerklärte Trieb unſerer Natur, der ewige Zwieſpalt unſerer ſelbſt, das Licht und der Schatten, der Ahriman und der Ormuz, daß wir ſchaffend ver¬

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/131>, abgerufen am 23.11.2024.