meinplätze zwischen uns! Sie sind eine Märtyrin, und Ihr ganzes Leben ist ein Opfer. Ich weiß ja alles und ich betrachte mit einer bewundernden Theil¬ nahme Ihr stilles Wirken der Resignation. Was kann Ihnen diese Gesellschaft sein? Sind Sie nicht mit sich selbst, mit Ihren Büchern immer in einer bessern? Und alle diese Embarras nur um Andern Freude zu machen!"
Die Lupinus protestirte dagegen. Sie kannte die Fürstin noch zu wenig. Sie wußte nur, daß sie vertrauten Umgang mit Elise von der Reck gepflogen, daß die Jünger der romantischen Schule bei ihr Zutritt hatten, man sagte auch, daß sie der katholi¬ sirenden Richtung dieser Schule huldige. Sie ant¬ wortete mit der Banalphrase, daß Andern Freude bereiten selbst Freude schaffe.
Die Fürstin streifte darüber hinweg, wie über ein etwas, was keiner Erwiedrung bedurfte. Aber es lag keine Beleidigung in ihrem Blick.
"Ihr ganzes Opferleben fühl ich in mir selbst wieder, sprach sie, sich in die Ottomane zurückleh¬ nend, auf der beide in einer Nische Platz genommen. Ich fühle es wieder, obgleich mir, was die Welt ein glücklicheres Loos nennt, beschieden war. Der Fürst, mein Gatte, verstand mich, ich verstand ihn. Ich brauchte nicht ängstlich vor der Welt den Schirm vorzuhalten, damit man seine Schwächen nicht gewahre. Er war kein eminenter Geist, kein Gelehrter, er liebte das Leben und trank seine Genüsse, wie den Schaum des
meinplätze zwiſchen uns! Sie ſind eine Märtyrin, und Ihr ganzes Leben iſt ein Opfer. Ich weiß ja alles und ich betrachte mit einer bewundernden Theil¬ nahme Ihr ſtilles Wirken der Reſignation. Was kann Ihnen dieſe Geſellſchaft ſein? Sind Sie nicht mit ſich ſelbſt, mit Ihren Büchern immer in einer beſſern? Und alle dieſe Embarras nur um Andern Freude zu machen!“
Die Lupinus proteſtirte dagegen. Sie kannte die Fürſtin noch zu wenig. Sie wußte nur, daß ſie vertrauten Umgang mit Eliſe von der Reck gepflogen, daß die Jünger der romantiſchen Schule bei ihr Zutritt hatten, man ſagte auch, daß ſie der katholi¬ ſirenden Richtung dieſer Schule huldige. Sie ant¬ wortete mit der Banalphraſe, daß Andern Freude bereiten ſelbſt Freude ſchaffe.
Die Fürſtin ſtreifte darüber hinweg, wie über ein etwas, was keiner Erwiedrung bedurfte. Aber es lag keine Beleidigung in ihrem Blick.
„Ihr ganzes Opferleben fühl ich in mir ſelbſt wieder, ſprach ſie, ſich in die Ottomane zurückleh¬ nend, auf der beide in einer Niſche Platz genommen. Ich fühle es wieder, obgleich mir, was die Welt ein glücklicheres Loos nennt, beſchieden war. Der Fürſt, mein Gatte, verſtand mich, ich verſtand ihn. Ich brauchte nicht ängſtlich vor der Welt den Schirm vorzuhalten, damit man ſeine Schwächen nicht gewahre. Er war kein eminenter Geiſt, kein Gelehrter, er liebte das Leben und trank ſeine Genüſſe, wie den Schaum des
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0136"n="126"/>
meinplätze zwiſchen uns! Sie ſind eine Märtyrin,<lb/>
und Ihr ganzes Leben iſt ein Opfer. Ich weiß ja<lb/>
alles und ich betrachte mit einer bewundernden Theil¬<lb/>
nahme Ihr ſtilles Wirken der Reſignation. Was<lb/>
kann Ihnen dieſe Geſellſchaft ſein? Sind Sie nicht<lb/>
mit ſich ſelbſt, mit Ihren Büchern immer in einer<lb/>
beſſern? Und alle dieſe Embarras nur um Andern<lb/>
Freude zu machen!“</p><lb/><p>Die Lupinus proteſtirte dagegen. Sie kannte<lb/>
die Fürſtin noch zu wenig. Sie wußte nur, daß ſie<lb/>
vertrauten Umgang mit Eliſe von der Reck gepflogen,<lb/>
daß die Jünger der romantiſchen Schule bei ihr<lb/>
Zutritt hatten, man ſagte auch, daß ſie der katholi¬<lb/>ſirenden Richtung dieſer Schule huldige. Sie ant¬<lb/>
wortete mit der Banalphraſe, daß Andern Freude<lb/>
bereiten ſelbſt Freude ſchaffe.</p><lb/><p>Die Fürſtin ſtreifte darüber hinweg, wie über<lb/>
ein etwas, was keiner Erwiedrung bedurfte. Aber<lb/>
es lag keine Beleidigung in ihrem Blick.</p><lb/><p>„Ihr ganzes Opferleben fühl ich in mir ſelbſt<lb/>
wieder, ſprach ſie, ſich in die Ottomane zurückleh¬<lb/>
nend, auf der beide in einer Niſche Platz genommen.<lb/>
Ich fühle es wieder, obgleich mir, was die Welt ein<lb/>
glücklicheres Loos nennt, beſchieden war. Der Fürſt, mein<lb/>
Gatte, verſtand mich, ich verſtand ihn. Ich brauchte<lb/>
nicht ängſtlich vor der Welt den Schirm vorzuhalten,<lb/>
damit man ſeine Schwächen nicht gewahre. Er war<lb/>
kein eminenter Geiſt, kein Gelehrter, er liebte das<lb/>
Leben und trank ſeine Genüſſe, wie den Schaum des<lb/></p></div></body></text></TEI>
[126/0136]
meinplätze zwiſchen uns! Sie ſind eine Märtyrin,
und Ihr ganzes Leben iſt ein Opfer. Ich weiß ja
alles und ich betrachte mit einer bewundernden Theil¬
nahme Ihr ſtilles Wirken der Reſignation. Was
kann Ihnen dieſe Geſellſchaft ſein? Sind Sie nicht
mit ſich ſelbſt, mit Ihren Büchern immer in einer
beſſern? Und alle dieſe Embarras nur um Andern
Freude zu machen!“
Die Lupinus proteſtirte dagegen. Sie kannte
die Fürſtin noch zu wenig. Sie wußte nur, daß ſie
vertrauten Umgang mit Eliſe von der Reck gepflogen,
daß die Jünger der romantiſchen Schule bei ihr
Zutritt hatten, man ſagte auch, daß ſie der katholi¬
ſirenden Richtung dieſer Schule huldige. Sie ant¬
wortete mit der Banalphraſe, daß Andern Freude
bereiten ſelbſt Freude ſchaffe.
Die Fürſtin ſtreifte darüber hinweg, wie über
ein etwas, was keiner Erwiedrung bedurfte. Aber
es lag keine Beleidigung in ihrem Blick.
„Ihr ganzes Opferleben fühl ich in mir ſelbſt
wieder, ſprach ſie, ſich in die Ottomane zurückleh¬
nend, auf der beide in einer Niſche Platz genommen.
Ich fühle es wieder, obgleich mir, was die Welt ein
glücklicheres Loos nennt, beſchieden war. Der Fürſt, mein
Gatte, verſtand mich, ich verſtand ihn. Ich brauchte
nicht ängſtlich vor der Welt den Schirm vorzuhalten,
damit man ſeine Schwächen nicht gewahre. Er war
kein eminenter Geiſt, kein Gelehrter, er liebte das
Leben und trank ſeine Genüſſe, wie den Schaum des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/136>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.