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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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Thäler seines Fichtelgebirges. Wenn seine Waldbäche
über die bemoosten Steinblöcke rieselten, die Fichten
säuselten, die Veilchen aus dem feuchten Grün duf¬
teten, und wenn dann wieder an des Dichters Seele
edle schöne Frauen vorüber schwebten, Lianen und
Natalien, im Diadem des Morgenrothes, wenn ihre
Füße im Thau sich badeten, ihre seelenvollen Augen
das Blau des Aethers saugten, um Huld und Wohl¬
wollen für tausend blutende Herzen wiederzustrahlen,
-- dann kämen sie von den Bergen, die er einmal
bestiegen, wo auch er Seligkeit getrunken. In seiner
Eremitage nun kein Einsiedler mehr, umschwebten ihn
Berlins edle Frauen, beim Frühroth böten sie aus
der Krystallschaale ihm den Morgentrank und wenn
die Königin des Tages hinter die Berge sinke, sollte
den Dichter einlullen die Harmonie ihrer Silberstim¬
men. Dies Glas leere er auf Berlins schönere Hälfte.

Unter dem Gläserklang der Herren, unter den
Verzückungen der Damen war Adelheid aufgestanden.
Den Wink der Geheimräthin hatte sie nicht bemerkt.
Ihre Augen gegen den Plafond gerichtet, tönte ihre
metallreiche Stimme durch den Saal: "Aber die
Sterne oben sind nicht stumm, sie tönen, im Festsaal
des Ewigen kreisend, die Sphärensprache der Har¬
monie, und der Geweihte versteht sie. Der blasse
Geweihte, der am Schmerzenslager überwindet, der
Geweihte, dessen Stirn die Freude des Sieges röthet,
und er der Geweihte, der der Aeolsharfe ihre Klage¬
töne abgelauscht, den Vögeln ihren Gesang, er der

Thäler ſeines Fichtelgebirges. Wenn ſeine Waldbäche
über die bemooſten Steinblöcke rieſelten, die Fichten
ſäuſelten, die Veilchen aus dem feuchten Grün duf¬
teten, und wenn dann wieder an des Dichters Seele
edle ſchöne Frauen vorüber ſchwebten, Lianen und
Natalien, im Diadem des Morgenrothes, wenn ihre
Füße im Thau ſich badeten, ihre ſeelenvollen Augen
das Blau des Aethers ſaugten, um Huld und Wohl¬
wollen für tauſend blutende Herzen wiederzuſtrahlen,
— dann kämen ſie von den Bergen, die er einmal
beſtiegen, wo auch er Seligkeit getrunken. In ſeiner
Eremitage nun kein Einſiedler mehr, umſchwebten ihn
Berlins edle Frauen, beim Frühroth böten ſie aus
der Kryſtallſchaale ihm den Morgentrank und wenn
die Königin des Tages hinter die Berge ſinke, ſollte
den Dichter einlullen die Harmonie ihrer Silberſtim¬
men. Dies Glas leere er auf Berlins ſchönere Hälfte.

Unter dem Gläſerklang der Herren, unter den
Verzückungen der Damen war Adelheid aufgeſtanden.
Den Wink der Geheimräthin hatte ſie nicht bemerkt.
Ihre Augen gegen den Plafond gerichtet, tönte ihre
metallreiche Stimme durch den Saal: „Aber die
Sterne oben ſind nicht ſtumm, ſie tönen, im Feſtſaal
des Ewigen kreiſend, die Sphärenſprache der Har¬
monie, und der Geweihte verſteht ſie. Der blaſſe
Geweihte, der am Schmerzenslager überwindet, der
Geweihte, deſſen Stirn die Freude des Sieges röthet,
und er der Geweihte, der der Aeolsharfe ihre Klage¬
töne abgelauſcht, den Vögeln ihren Geſang, er der

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[146/0156] Thäler ſeines Fichtelgebirges. Wenn ſeine Waldbäche über die bemooſten Steinblöcke rieſelten, die Fichten ſäuſelten, die Veilchen aus dem feuchten Grün duf¬ teten, und wenn dann wieder an des Dichters Seele edle ſchöne Frauen vorüber ſchwebten, Lianen und Natalien, im Diadem des Morgenrothes, wenn ihre Füße im Thau ſich badeten, ihre ſeelenvollen Augen das Blau des Aethers ſaugten, um Huld und Wohl¬ wollen für tauſend blutende Herzen wiederzuſtrahlen, — dann kämen ſie von den Bergen, die er einmal beſtiegen, wo auch er Seligkeit getrunken. In ſeiner Eremitage nun kein Einſiedler mehr, umſchwebten ihn Berlins edle Frauen, beim Frühroth böten ſie aus der Kryſtallſchaale ihm den Morgentrank und wenn die Königin des Tages hinter die Berge ſinke, ſollte den Dichter einlullen die Harmonie ihrer Silberſtim¬ men. Dies Glas leere er auf Berlins ſchönere Hälfte. Unter dem Gläſerklang der Herren, unter den Verzückungen der Damen war Adelheid aufgeſtanden. Den Wink der Geheimräthin hatte ſie nicht bemerkt. Ihre Augen gegen den Plafond gerichtet, tönte ihre metallreiche Stimme durch den Saal: „Aber die Sterne oben ſind nicht ſtumm, ſie tönen, im Feſtſaal des Ewigen kreiſend, die Sphärenſprache der Har¬ monie, und der Geweihte verſteht ſie. Der blaſſe Geweihte, der am Schmerzenslager überwindet, der Geweihte, deſſen Stirn die Freude des Sieges röthet, und er der Geweihte, der der Aeolsharfe ihre Klage¬ töne abgelauſcht, den Vögeln ihren Geſang, er der

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/156>, abgerufen am 24.11.2024.