sie so sicher auf einen Sieg gerechnet. Sie kannte die Gesellschaft, die bösen Zungen, die Macht des Lächerlichen. Ihre Niederlage war eine auf lange Jahre hinaus. Sie hörte schon die Fragen mit spöttischem Lächeln: "Waren Sie auch bei dem Zau¬ berfest der Geheimräthin?" Die eben so lächenden Antworten: "Sie hat es sich etwas kosten lassen. Recht schade, wozu das?" -- "Sie hat einmal kein Geschick dazu," -- "Die Apotheose Jean Pauls war doch au comble du ridicule." -- "Und dazu das Unglück noch! Die arme Frau. Warum wird sie aber nicht klug!" Oder die bittersten: "Es ist ihr schon recht, daß sie mal die Lection bekom¬ men hat!"
Sie war unerschöpflich in der Selbstmarterung, sie vertheilte diese Sarkasmen und Bonmots, zu deren Zielscheibe sie sich selbst machte, unter ihre Bekannten, ihre besten Freunde. Und hatte sie es denn von ihnen anders erwartet? Sie lachte auf. Ach das Lachen half nichts. Sie empfand einen ungeheuren Durst, aber nicht Wasser, nicht Wein konnte den stillen. Aber an wem diesen Durst kühlen? -- Laforest, warum mußte er das erste Zeichen zum Aufbruch geben, er, der nur gekommen schien, um Audienz zu geben, Huldigungen zu empfangen. Der General, der feige davon lief? Mochte er laufen. Jean Paul, der, erstickt von Eitelkeit, nur im Lobe sich berauscht, nur mit den jungen Mädchen getändelt, ohne ihr, die sie mit so raffinirter Sinnigkeit das ganze Fest für ihn
ſie ſo ſicher auf einen Sieg gerechnet. Sie kannte die Geſellſchaft, die böſen Zungen, die Macht des Lächerlichen. Ihre Niederlage war eine auf lange Jahre hinaus. Sie hörte ſchon die Fragen mit ſpöttiſchem Lächeln: „Waren Sie auch bei dem Zau¬ berfeſt der Geheimräthin?“ Die eben ſo lächenden Antworten: „Sie hat es ſich etwas koſten laſſen. Recht ſchade, wozu das?“ — „Sie hat einmal kein Geſchick dazu,“ — „Die Apotheoſe Jean Pauls war doch au comble du ridicule.“ — „Und dazu das Unglück noch! Die arme Frau. Warum wird ſie aber nicht klug!“ Oder die bitterſten: „Es iſt ihr ſchon recht, daß ſie mal die Lection bekom¬ men hat!“
Sie war unerſchöpflich in der Selbſtmarterung, ſie vertheilte dieſe Sarkasmen und Bonmots, zu deren Zielſcheibe ſie ſich ſelbſt machte, unter ihre Bekannten, ihre beſten Freunde. Und hatte ſie es denn von ihnen anders erwartet? Sie lachte auf. Ach das Lachen half nichts. Sie empfand einen ungeheuren Durſt, aber nicht Waſſer, nicht Wein konnte den ſtillen. Aber an wem dieſen Durſt kühlen? — Laforeſt, warum mußte er das erſte Zeichen zum Aufbruch geben, er, der nur gekommen ſchien, um Audienz zu geben, Huldigungen zu empfangen. Der General, der feige davon lief? Mochte er laufen. Jean Paul, der, erſtickt von Eitelkeit, nur im Lobe ſich berauſcht, nur mit den jungen Mädchen getändelt, ohne ihr, die ſie mit ſo raffinirter Sinnigkeit das ganze Feſt für ihn
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ſie ſo ſicher auf einen Sieg gerechnet. Sie kannte
die Geſellſchaft, die böſen Zungen, die Macht des
Lächerlichen. Ihre Niederlage war eine auf lange
Jahre hinaus. Sie hörte ſchon die Fragen mit
ſpöttiſchem Lächeln: „Waren Sie auch bei dem Zau¬
berfeſt der Geheimräthin?“ Die eben ſo lächenden
Antworten: „Sie hat es ſich etwas koſten laſſen.
Recht ſchade, wozu das?“ — „Sie hat einmal kein
Geſchick dazu,“ — „Die Apotheoſe Jean Pauls war
doch au comble du ridicule.“ — „Und dazu das
Unglück noch! Die arme Frau. Warum wird ſie
aber nicht klug!“ Oder die bitterſten: „Es iſt
ihr ſchon recht, daß ſie mal die Lection bekom¬
men hat!“
Sie war unerſchöpflich in der Selbſtmarterung,
ſie vertheilte dieſe Sarkasmen und Bonmots, zu deren
Zielſcheibe ſie ſich ſelbſt machte, unter ihre Bekannten,
ihre beſten Freunde. Und hatte ſie es denn von
ihnen anders erwartet? Sie lachte auf. Ach das
Lachen half nichts. Sie empfand einen ungeheuren
Durſt, aber nicht Waſſer, nicht Wein konnte den ſtillen.
Aber an wem dieſen Durſt kühlen? — Laforeſt, warum
mußte er das erſte Zeichen zum Aufbruch geben, er,
der nur gekommen ſchien, um Audienz zu geben,
Huldigungen zu empfangen. Der General, der feige
davon lief? Mochte er laufen. Jean Paul, der,
erſtickt von Eitelkeit, nur im Lobe ſich berauſcht, nur
mit den jungen Mädchen getändelt, ohne ihr, die ſie
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/165>, abgerufen am 25.11.2024.
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