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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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hervorzutreten. Mag dann draus werden, mag aus
ihm werden, was da will!"

"Wenn sie's nur läsen! -- Hast Du noch nicht
die Hoffnung auf diese Zöpfe und Perrücken auf¬
gegeben? Das beste noch, wenn ein Minister aus¬
ruft: Da ist auch wieder Einer, der's besser verstehen
will als wir!"

"Es sind nicht Alle, wie --"

"Mein Vater. Kennst Du die Andern? Der
Beste wird Dir zurufen: Das ist alles recht schön,
aber nicht an der Zeit. Im Augenblick, wo die
Renner zum Wettlauf gesattelt werden, ist nicht Zeit
eine Vorlesung anzuhören über die Veredlung der
Pferderacen."

"Und Du auch meinst, wie die Tausende und
Abertausende, daß wir nur berufen sind, über Schiller
und Goethe zu streiten, nur in die Tiefen der Mystik
und der Metaphysik uns zu versenken! Andere für
uns handeln lassen, das wäre unsre Destination.
Louis, wir hatten einen Wartburg-Krieg von Minne¬
sängern, aber von derselben Wartburg leuchtete
Luthers Fackel über Europa! --"

"Das war ein Mirakelmann, aus der Zeit der
Wunder. Wir leben unter Wichtelmännern; in einem
verschütteten Bergwerk suchen sie mit der Laterne nach
Glimmer und Spiesglas. Die edlen Erze sind längst
gefördert und coursiren als Scheidemünze."

"Wir hier haben noch Kräfte, nur ungeordnete,
sie sind überlastet, man hat sie aus dem Auge ver¬

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hervorzutreten. Mag dann draus werden, mag aus
ihm werden, was da will!“

„Wenn ſie's nur läſen! — Haſt Du noch nicht
die Hoffnung auf dieſe Zöpfe und Perrücken auf¬
gegeben? Das beſte noch, wenn ein Miniſter aus¬
ruft: Da iſt auch wieder Einer, der's beſſer verſtehen
will als wir!“

„Es ſind nicht Alle, wie —“

„Mein Vater. Kennſt Du die Andern? Der
Beſte wird Dir zurufen: Das iſt alles recht ſchön,
aber nicht an der Zeit. Im Augenblick, wo die
Renner zum Wettlauf geſattelt werden, iſt nicht Zeit
eine Vorleſung anzuhören über die Veredlung der
Pferderacen.“

„Und Du auch meinſt, wie die Tauſende und
Abertauſende, daß wir nur berufen ſind, über Schiller
und Goethe zu ſtreiten, nur in die Tiefen der Myſtik
und der Metaphyſik uns zu verſenken! Andere für
uns handeln laſſen, das wäre unſre Deſtination.
Louis, wir hatten einen Wartburg-Krieg von Minne¬
ſängern, aber von derſelben Wartburg leuchtete
Luthers Fackel über Europa! —“

„Das war ein Mirakelmann, aus der Zeit der
Wunder. Wir leben unter Wichtelmännern; in einem
verſchütteten Bergwerk ſuchen ſie mit der Laterne nach
Glimmer und Spiesglas. Die edlen Erze ſind längſt
gefördert und courſiren als Scheidemünze.“

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ſie ſind überlaſtet, man hat ſie aus dem Auge ver¬

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[179/0189] hervorzutreten. Mag dann draus werden, mag aus ihm werden, was da will!“ „Wenn ſie's nur läſen! — Haſt Du noch nicht die Hoffnung auf dieſe Zöpfe und Perrücken auf¬ gegeben? Das beſte noch, wenn ein Miniſter aus¬ ruft: Da iſt auch wieder Einer, der's beſſer verſtehen will als wir!“ „Es ſind nicht Alle, wie —“ „Mein Vater. Kennſt Du die Andern? Der Beſte wird Dir zurufen: Das iſt alles recht ſchön, aber nicht an der Zeit. Im Augenblick, wo die Renner zum Wettlauf geſattelt werden, iſt nicht Zeit eine Vorleſung anzuhören über die Veredlung der Pferderacen.“ „Und Du auch meinſt, wie die Tauſende und Abertauſende, daß wir nur berufen ſind, über Schiller und Goethe zu ſtreiten, nur in die Tiefen der Myſtik und der Metaphyſik uns zu verſenken! Andere für uns handeln laſſen, das wäre unſre Deſtination. Louis, wir hatten einen Wartburg-Krieg von Minne¬ ſängern, aber von derſelben Wartburg leuchtete Luthers Fackel über Europa! —“ „Das war ein Mirakelmann, aus der Zeit der Wunder. Wir leben unter Wichtelmännern; in einem verſchütteten Bergwerk ſuchen ſie mit der Laterne nach Glimmer und Spiesglas. Die edlen Erze ſind längſt gefördert und courſiren als Scheidemünze.“ „Wir hier haben noch Kräfte, nur ungeordnete, ſie ſind überlaſtet, man hat ſie aus dem Auge ver¬ 12*

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/189>, abgerufen am 27.11.2024.