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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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"Keiner schloß auf. Blieben sitzen."

"Kam denn nicht die Kammerkatze?"

"Nicht Katze, nicht Maus; die war mit der
Jenny fort. Kurz um, wie Ihnen bekannt sein wird,
die Tänzerin war mit Extrapost nach Leipzig gefahren.
Ist heut noch nicht zurück. Nicht einmal austrommeln
lassen konnte man sie. Die Wirthin mußte endlich,
als sie zu poltern anfingen, das Schloß aufbrechen
lassen. Frei waren sie da freilich, aber --"

"Von wem nun Satisfaction!"

"Meine Herren, ich versichre Sie, die Sache
hat uns Allen schwere Nächte gemacht. Was sollten
wir thun? Bovillard fordern? Wenn es damals noch
ging! Aber die Raison? Hatten sie's denn mit ihm
zu thun gehabt? -- Er stellte sich gegen Dritte als
die pure Unschuld. War bei der hübschen Tänzerin
gewesen, hatte sich ungemein amüsirt. Sollten wir
uns nun blamiren und ihm mit dürren Worten sagen,
daß wir uns nicht amüsirt hätten? Durften wir über¬
haupt an die große Glocke schlagen? Durften wir es
vor dem Prinzen! Wer wußte denn, ob er nicht mit
im Spiele steckte? Ob er's nicht eingeleitet, um mit
guter Manier die Jenny los zu werden! Es war ja
ein Labyrinth, ein Wespennest, in das wir stachen.
Gott weiß, was draus geworden wäre. Dohleneck
und der Andre wollten ihren Abschied fordern. Das
ging auch nicht. Sie waren ja wir. Das ganze
Officiercorps hätte den Abschied nehmen müssen. Meine
Herren, ich versichere Sie, es war eine Hundegeschichte,

„Keiner ſchloß auf. Blieben ſitzen.“

„Kam denn nicht die Kammerkatze?“

„Nicht Katze, nicht Maus; die war mit der
Jenny fort. Kurz um, wie Ihnen bekannt ſein wird,
die Tänzerin war mit Extrapoſt nach Leipzig gefahren.
Iſt heut noch nicht zurück. Nicht einmal austrommeln
laſſen konnte man ſie. Die Wirthin mußte endlich,
als ſie zu poltern anfingen, das Schloß aufbrechen
laſſen. Frei waren ſie da freilich, aber —“

„Von wem nun Satisfaction!“

„Meine Herren, ich verſichre Sie, die Sache
hat uns Allen ſchwere Nächte gemacht. Was ſollten
wir thun? Bovillard fordern? Wenn es damals noch
ging! Aber die Raiſon? Hatten ſie's denn mit ihm
zu thun gehabt? — Er ſtellte ſich gegen Dritte als
die pure Unſchuld. War bei der hübſchen Tänzerin
geweſen, hatte ſich ungemein amüſirt. Sollten wir
uns nun blamiren und ihm mit dürren Worten ſagen,
daß wir uns nicht amüſirt hätten? Durften wir über¬
haupt an die große Glocke ſchlagen? Durften wir es
vor dem Prinzen! Wer wußte denn, ob er nicht mit
im Spiele ſteckte? Ob er's nicht eingeleitet, um mit
guter Manier die Jenny los zu werden! Es war ja
ein Labyrinth, ein Wespenneſt, in das wir ſtachen.
Gott weiß, was draus geworden wäre. Dohleneck
und der Andre wollten ihren Abſchied fordern. Das
ging auch nicht. Sie waren ja wir. Das ganze
Officiercorps hätte den Abſchied nehmen müſſen. Meine
Herren, ich verſichere Sie, es war eine Hundegeſchichte,

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[198/0208] „Keiner ſchloß auf. Blieben ſitzen.“ „Kam denn nicht die Kammerkatze?“ „Nicht Katze, nicht Maus; die war mit der Jenny fort. Kurz um, wie Ihnen bekannt ſein wird, die Tänzerin war mit Extrapoſt nach Leipzig gefahren. Iſt heut noch nicht zurück. Nicht einmal austrommeln laſſen konnte man ſie. Die Wirthin mußte endlich, als ſie zu poltern anfingen, das Schloß aufbrechen laſſen. Frei waren ſie da freilich, aber —“ „Von wem nun Satisfaction!“ „Meine Herren, ich verſichre Sie, die Sache hat uns Allen ſchwere Nächte gemacht. Was ſollten wir thun? Bovillard fordern? Wenn es damals noch ging! Aber die Raiſon? Hatten ſie's denn mit ihm zu thun gehabt? — Er ſtellte ſich gegen Dritte als die pure Unſchuld. War bei der hübſchen Tänzerin geweſen, hatte ſich ungemein amüſirt. Sollten wir uns nun blamiren und ihm mit dürren Worten ſagen, daß wir uns nicht amüſirt hätten? Durften wir über¬ haupt an die große Glocke ſchlagen? Durften wir es vor dem Prinzen! Wer wußte denn, ob er nicht mit im Spiele ſteckte? Ob er's nicht eingeleitet, um mit guter Manier die Jenny los zu werden! Es war ja ein Labyrinth, ein Wespenneſt, in das wir ſtachen. Gott weiß, was draus geworden wäre. Dohleneck und der Andre wollten ihren Abſchied fordern. Das ging auch nicht. Sie waren ja wir. Das ganze Officiercorps hätte den Abſchied nehmen müſſen. Meine Herren, ich verſichere Sie, es war eine Hundegeſchichte,

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/208>, abgerufen am 24.05.2024.