"Nicht Katze, nicht Maus; die war mit der Jenny fort. Kurz um, wie Ihnen bekannt sein wird, die Tänzerin war mit Extrapost nach Leipzig gefahren. Ist heut noch nicht zurück. Nicht einmal austrommeln lassen konnte man sie. Die Wirthin mußte endlich, als sie zu poltern anfingen, das Schloß aufbrechen lassen. Frei waren sie da freilich, aber --"
"Von wem nun Satisfaction!"
"Meine Herren, ich versichre Sie, die Sache hat uns Allen schwere Nächte gemacht. Was sollten wir thun? Bovillard fordern? Wenn es damals noch ging! Aber die Raison? Hatten sie's denn mit ihm zu thun gehabt? -- Er stellte sich gegen Dritte als die pure Unschuld. War bei der hübschen Tänzerin gewesen, hatte sich ungemein amüsirt. Sollten wir uns nun blamiren und ihm mit dürren Worten sagen, daß wir uns nicht amüsirt hätten? Durften wir über¬ haupt an die große Glocke schlagen? Durften wir es vor dem Prinzen! Wer wußte denn, ob er nicht mit im Spiele steckte? Ob er's nicht eingeleitet, um mit guter Manier die Jenny los zu werden! Es war ja ein Labyrinth, ein Wespennest, in das wir stachen. Gott weiß, was draus geworden wäre. Dohleneck und der Andre wollten ihren Abschied fordern. Das ging auch nicht. Sie waren ja wir. Das ganze Officiercorps hätte den Abschied nehmen müssen. Meine Herren, ich versichere Sie, es war eine Hundegeschichte,
„Keiner ſchloß auf. Blieben ſitzen.“
„Kam denn nicht die Kammerkatze?“
„Nicht Katze, nicht Maus; die war mit der Jenny fort. Kurz um, wie Ihnen bekannt ſein wird, die Tänzerin war mit Extrapoſt nach Leipzig gefahren. Iſt heut noch nicht zurück. Nicht einmal austrommeln laſſen konnte man ſie. Die Wirthin mußte endlich, als ſie zu poltern anfingen, das Schloß aufbrechen laſſen. Frei waren ſie da freilich, aber —“
„Von wem nun Satisfaction!“
„Meine Herren, ich verſichre Sie, die Sache hat uns Allen ſchwere Nächte gemacht. Was ſollten wir thun? Bovillard fordern? Wenn es damals noch ging! Aber die Raiſon? Hatten ſie's denn mit ihm zu thun gehabt? — Er ſtellte ſich gegen Dritte als die pure Unſchuld. War bei der hübſchen Tänzerin geweſen, hatte ſich ungemein amüſirt. Sollten wir uns nun blamiren und ihm mit dürren Worten ſagen, daß wir uns nicht amüſirt hätten? Durften wir über¬ haupt an die große Glocke ſchlagen? Durften wir es vor dem Prinzen! Wer wußte denn, ob er nicht mit im Spiele ſteckte? Ob er's nicht eingeleitet, um mit guter Manier die Jenny los zu werden! Es war ja ein Labyrinth, ein Wespenneſt, in das wir ſtachen. Gott weiß, was draus geworden wäre. Dohleneck und der Andre wollten ihren Abſchied fordern. Das ging auch nicht. Sie waren ja wir. Das ganze Officiercorps hätte den Abſchied nehmen müſſen. Meine Herren, ich verſichere Sie, es war eine Hundegeſchichte,
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0208"n="198"/><p>„Keiner ſchloß auf. Blieben ſitzen.“</p><lb/><p>„Kam denn nicht die Kammerkatze?“</p><lb/><p>„Nicht Katze, nicht Maus; die war mit der<lb/>
Jenny fort. Kurz um, wie Ihnen bekannt ſein wird,<lb/>
die Tänzerin war mit Extrapoſt nach Leipzig gefahren.<lb/>
Iſt heut noch nicht zurück. Nicht einmal austrommeln<lb/>
laſſen konnte man ſie. Die Wirthin mußte endlich,<lb/>
als ſie zu poltern anfingen, das Schloß aufbrechen<lb/>
laſſen. Frei waren ſie da freilich, aber —“</p><lb/><p>„Von wem nun Satisfaction!“</p><lb/><p>„Meine Herren, ich verſichre Sie, die Sache<lb/>
hat uns Allen ſchwere Nächte gemacht. Was ſollten<lb/>
wir thun? Bovillard fordern? Wenn es damals noch<lb/>
ging! Aber die Raiſon? Hatten ſie's denn mit ihm<lb/>
zu thun gehabt? — Er ſtellte ſich gegen Dritte als<lb/>
die pure Unſchuld. War bei der hübſchen Tänzerin<lb/>
geweſen, hatte ſich ungemein amüſirt. Sollten wir<lb/>
uns nun blamiren und ihm mit dürren Worten ſagen,<lb/>
daß wir uns nicht amüſirt hätten? Durften wir über¬<lb/>
haupt an die große Glocke ſchlagen? Durften wir es<lb/>
vor dem Prinzen! Wer wußte denn, ob er nicht mit<lb/>
im Spiele ſteckte? Ob er's nicht eingeleitet, um mit<lb/>
guter Manier die Jenny los zu werden! Es war ja<lb/>
ein Labyrinth, ein Wespenneſt, in das wir ſtachen.<lb/>
Gott weiß, was draus geworden wäre. Dohleneck<lb/>
und der Andre wollten ihren Abſchied fordern. Das<lb/>
ging auch nicht. <hirendition="#g">Sie</hi> waren ja <hirendition="#g">wir</hi>. Das ganze<lb/>
Officiercorps hätte den Abſchied nehmen müſſen. Meine<lb/>
Herren, ich verſichere Sie, es war eine Hundegeſchichte,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[198/0208]
„Keiner ſchloß auf. Blieben ſitzen.“
„Kam denn nicht die Kammerkatze?“
„Nicht Katze, nicht Maus; die war mit der
Jenny fort. Kurz um, wie Ihnen bekannt ſein wird,
die Tänzerin war mit Extrapoſt nach Leipzig gefahren.
Iſt heut noch nicht zurück. Nicht einmal austrommeln
laſſen konnte man ſie. Die Wirthin mußte endlich,
als ſie zu poltern anfingen, das Schloß aufbrechen
laſſen. Frei waren ſie da freilich, aber —“
„Von wem nun Satisfaction!“
„Meine Herren, ich verſichre Sie, die Sache
hat uns Allen ſchwere Nächte gemacht. Was ſollten
wir thun? Bovillard fordern? Wenn es damals noch
ging! Aber die Raiſon? Hatten ſie's denn mit ihm
zu thun gehabt? — Er ſtellte ſich gegen Dritte als
die pure Unſchuld. War bei der hübſchen Tänzerin
geweſen, hatte ſich ungemein amüſirt. Sollten wir
uns nun blamiren und ihm mit dürren Worten ſagen,
daß wir uns nicht amüſirt hätten? Durften wir über¬
haupt an die große Glocke ſchlagen? Durften wir es
vor dem Prinzen! Wer wußte denn, ob er nicht mit
im Spiele ſteckte? Ob er's nicht eingeleitet, um mit
guter Manier die Jenny los zu werden! Es war ja
ein Labyrinth, ein Wespenneſt, in das wir ſtachen.
Gott weiß, was draus geworden wäre. Dohleneck
und der Andre wollten ihren Abſchied fordern. Das
ging auch nicht. Sie waren ja wir. Das ganze
Officiercorps hätte den Abſchied nehmen müſſen. Meine
Herren, ich verſichere Sie, es war eine Hundegeſchichte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/208>, abgerufen am 24.05.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.