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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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"Sie meinten neulich, daß Josephine gegen ihren
Mann contre operiren könnte?"

"Darüber bin ich hinaus. Sie ist nur eine
Frau mit den gewöhnlichen Affecten eines Weibes.
Groß im Kleinen, zu klein zu einer That, zu weich,
gutherzig. Nein, nein, von der Seite ist nichts zu
besorgen, aber er -- Napoleon muß sich von ihr
scheiden, er muß Söhne haben, er ist in voller Mannes¬
kraft, er ist durch die Verhältnisse wie von selbst zu
einer Ehe gedrängt, die seine Nachkommenschaft vor
der Meinung legitim macht, welche aus dem Schutt
und Staub der Revolutionen aufsteigt und die Throne
wieder mit einem Nimbus umzieht. Das ist ganz
unabänderlich, das muß er. Und wenn sie sich nun
nicht scheiden lassen will, was muß er thun? Was
wird er thun? Da, Freundin, wird sichs bewähren,
ob er -- er ist."

"Mein Gott, Sie meinen --"

"Bisher war er sich immer klar. Aber diese
Differenz --"

"Er liebt Josephinen!"

"Was ist Liebe? Verstehn wir uns! Wir beide
meinen nicht jene Veilchenduft-, jene Vergißmeinnichts¬
schwärmerei zartgeschaffener Seelen, noch jene dämo¬
nische Leidenschaft, die Mauern einreißt, um im Ge¬
nuß sich zu tödten. Das sind Kinderspiele. Ich meine
die Liebe, vor der Jahre und Verhältnisse wie Plunder
versinken, das in den Mysterien der Natur geborne
Bündniß derer, die sich verstehen, sich das Zeugniß

„Sie meinten neulich, daß Joſephine gegen ihren
Mann contre operiren könnte?“

„Darüber bin ich hinaus. Sie iſt nur eine
Frau mit den gewöhnlichen Affecten eines Weibes.
Groß im Kleinen, zu klein zu einer That, zu weich,
gutherzig. Nein, nein, von der Seite iſt nichts zu
beſorgen, aber er — Napoleon muß ſich von ihr
ſcheiden, er muß Söhne haben, er iſt in voller Mannes¬
kraft, er iſt durch die Verhältniſſe wie von ſelbſt zu
einer Ehe gedrängt, die ſeine Nachkommenſchaft vor
der Meinung legitim macht, welche aus dem Schutt
und Staub der Revolutionen aufſteigt und die Throne
wieder mit einem Nimbus umzieht. Das iſt ganz
unabänderlich, das muß er. Und wenn ſie ſich nun
nicht ſcheiden laſſen will, was muß er thun? Was
wird er thun? Da, Freundin, wird ſichs bewähren,
ob er — er iſt.“

„Mein Gott, Sie meinen —“

„Bisher war er ſich immer klar. Aber dieſe
Differenz —“

„Er liebt Joſephinen!“

„Was iſt Liebe? Verſtehn wir uns! Wir beide
meinen nicht jene Veilchenduft-, jene Vergißmeinnichts¬
ſchwärmerei zartgeſchaffener Seelen, noch jene dämo¬
niſche Leidenſchaft, die Mauern einreißt, um im Ge¬
nuß ſich zu tödten. Das ſind Kinderſpiele. Ich meine
die Liebe, vor der Jahre und Verhältniſſe wie Plunder
verſinken, das in den Myſterien der Natur geborne
Bündniß derer, die ſich verſtehen, ſich das Zeugniß

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[240/0250] „Sie meinten neulich, daß Joſephine gegen ihren Mann contre operiren könnte?“ „Darüber bin ich hinaus. Sie iſt nur eine Frau mit den gewöhnlichen Affecten eines Weibes. Groß im Kleinen, zu klein zu einer That, zu weich, gutherzig. Nein, nein, von der Seite iſt nichts zu beſorgen, aber er — Napoleon muß ſich von ihr ſcheiden, er muß Söhne haben, er iſt in voller Mannes¬ kraft, er iſt durch die Verhältniſſe wie von ſelbſt zu einer Ehe gedrängt, die ſeine Nachkommenſchaft vor der Meinung legitim macht, welche aus dem Schutt und Staub der Revolutionen aufſteigt und die Throne wieder mit einem Nimbus umzieht. Das iſt ganz unabänderlich, das muß er. Und wenn ſie ſich nun nicht ſcheiden laſſen will, was muß er thun? Was wird er thun? Da, Freundin, wird ſichs bewähren, ob er — er iſt.“ „Mein Gott, Sie meinen —“ „Bisher war er ſich immer klar. Aber dieſe Differenz —“ „Er liebt Joſephinen!“ „Was iſt Liebe? Verſtehn wir uns! Wir beide meinen nicht jene Veilchenduft-, jene Vergißmeinnichts¬ ſchwärmerei zartgeſchaffener Seelen, noch jene dämo¬ niſche Leidenſchaft, die Mauern einreißt, um im Ge¬ nuß ſich zu tödten. Das ſind Kinderſpiele. Ich meine die Liebe, vor der Jahre und Verhältniſſe wie Plunder verſinken, das in den Myſterien der Natur geborne Bündniß derer, die ſich verſtehen, ſich das Zeugniß

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/250>, abgerufen am 27.11.2024.