der Ebenbürtigkeit Einer dem Andern ausstellen. Diese Liebe bedarf keiner Besiegelung durch Lieder, Be¬ theuerung und Schwüre. Sie ist da von selbst. Die Geister wie die Blicke brauchen sich nur zu finden, und im Moment ist der Bund geschlossen, ohne Worte."
Die Geheimräthin seufzte: "Das ist eine Vor¬ stellung, erhaben wie die Ewigkeit!"
"Und nun, frage ich, herrscht zwischen ihm und ihr ein solcher Bund? Begreift sie ihn nur? Freilich möchte sie sich sonnen in seinem Diademen-Glanze, die immer liebenswürdige Kaiserin und Französin sein, entzückend in Toilettenkünsten, Intriguen, brilli¬ rend von Esprit in der Conversation, bezaubernd die Herzen durch ihr weiches Herz, wenn er zuschlagen muß, ihm in den Arm fallend: Ach thu's doch lieber nicht! Was ist sie ihm? -- Eine Last, die er ab¬ streifen muß. Er muß, sage ich, wenn er vorwärts will, und er kann es, es kommt nur darauf an, ob er Muth hat es zu wollen."
"Mein Kopf schwindelt."
"Traf dies Loos nicht auch solche, die er wahr¬ haft liebte? Und er vernichtete sie, weil er sie liebte."
"Ich verstehe sie nicht."
"Jene graubärtigen Krieger, seine Veteranen, die Säulen seines Ruhmes, die ihm nach Afrika gefolgt. Im Sonnenbrande der syrischen Wüsten war seine Mission erfüllt, er huldigte nicht der Thor¬ heit, ein romantischer Alexander sein zu wollen, er
II. 16
der Ebenbürtigkeit Einer dem Andern ausſtellen. Dieſe Liebe bedarf keiner Beſiegelung durch Lieder, Be¬ theuerung und Schwüre. Sie iſt da von ſelbſt. Die Geiſter wie die Blicke brauchen ſich nur zu finden, und im Moment iſt der Bund geſchloſſen, ohne Worte.“
Die Geheimräthin ſeufzte: „Das iſt eine Vor¬ ſtellung, erhaben wie die Ewigkeit!“
„Und nun, frage ich, herrſcht zwiſchen ihm und ihr ein ſolcher Bund? Begreift ſie ihn nur? Freilich möchte ſie ſich ſonnen in ſeinem Diademen-Glanze, die immer liebenswürdige Kaiſerin und Franzöſin ſein, entzückend in Toilettenkünſten, Intriguen, brilli¬ rend von Esprit in der Converſation, bezaubernd die Herzen durch ihr weiches Herz, wenn er zuſchlagen muß, ihm in den Arm fallend: Ach thu's doch lieber nicht! Was iſt ſie ihm? — Eine Laſt, die er ab¬ ſtreifen muß. Er muß, ſage ich, wenn er vorwärts will, und er kann es, es kommt nur darauf an, ob er Muth hat es zu wollen.“
„Mein Kopf ſchwindelt.“
„Traf dies Loos nicht auch ſolche, die er wahr¬ haft liebte? Und er vernichtete ſie, weil er ſie liebte.“
„Ich verſtehe ſie nicht.“
„Jene graubärtigen Krieger, ſeine Veteranen, die Säulen ſeines Ruhmes, die ihm nach Afrika gefolgt. Im Sonnenbrande der ſyriſchen Wüſten war ſeine Miſſion erfüllt, er huldigte nicht der Thor¬ heit, ein romantiſcher Alexander ſein zu wollen, er
II. 16
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0251"n="241"/>
der Ebenbürtigkeit Einer dem Andern ausſtellen. Dieſe<lb/>
Liebe bedarf keiner Beſiegelung durch Lieder, Be¬<lb/>
theuerung und Schwüre. Sie iſt da von ſelbſt. Die<lb/>
Geiſter wie die Blicke brauchen ſich nur zu finden,<lb/>
und im Moment iſt der Bund geſchloſſen, ohne<lb/>
Worte.“</p><lb/><p>Die Geheimräthin ſeufzte: „Das iſt eine Vor¬<lb/>ſtellung, erhaben wie die Ewigkeit!“</p><lb/><p>„Und nun, frage ich, herrſcht zwiſchen ihm und<lb/>
ihr ein ſolcher Bund? Begreift ſie ihn nur? Freilich<lb/>
möchte ſie ſich ſonnen in ſeinem Diademen-Glanze,<lb/>
die immer liebenswürdige Kaiſerin und Franzöſin<lb/>ſein, entzückend in Toilettenkünſten, Intriguen, brilli¬<lb/>
rend von Esprit in der Converſation, bezaubernd die<lb/>
Herzen durch ihr weiches Herz, wenn er zuſchlagen<lb/>
muß, ihm in den Arm fallend: Ach thu's doch lieber<lb/>
nicht! Was iſt ſie ihm? — Eine Laſt, die er ab¬<lb/>ſtreifen muß. Er muß, ſage ich, wenn er vorwärts<lb/>
will, und er kann es, es kommt nur darauf an, ob<lb/>
er Muth hat es zu wollen.“</p><lb/><p>„Mein Kopf ſchwindelt.“</p><lb/><p>„Traf dies Loos nicht auch ſolche, die er wahr¬<lb/>
haft liebte? Und er vernichtete ſie, <hirendition="#g">weil</hi> er ſie liebte.“</p><lb/><p>„Ich verſtehe ſie nicht.“</p><lb/><p>„Jene graubärtigen Krieger, ſeine Veteranen,<lb/>
die Säulen ſeines Ruhmes, die ihm nach Afrika<lb/>
gefolgt. Im Sonnenbrande der ſyriſchen Wüſten<lb/>
war ſeine Miſſion erfüllt, er huldigte nicht der Thor¬<lb/>
heit, ein romantiſcher Alexander ſein zu wollen, er<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq">II</hi>. 16<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[241/0251]
der Ebenbürtigkeit Einer dem Andern ausſtellen. Dieſe
Liebe bedarf keiner Beſiegelung durch Lieder, Be¬
theuerung und Schwüre. Sie iſt da von ſelbſt. Die
Geiſter wie die Blicke brauchen ſich nur zu finden,
und im Moment iſt der Bund geſchloſſen, ohne
Worte.“
Die Geheimräthin ſeufzte: „Das iſt eine Vor¬
ſtellung, erhaben wie die Ewigkeit!“
„Und nun, frage ich, herrſcht zwiſchen ihm und
ihr ein ſolcher Bund? Begreift ſie ihn nur? Freilich
möchte ſie ſich ſonnen in ſeinem Diademen-Glanze,
die immer liebenswürdige Kaiſerin und Franzöſin
ſein, entzückend in Toilettenkünſten, Intriguen, brilli¬
rend von Esprit in der Converſation, bezaubernd die
Herzen durch ihr weiches Herz, wenn er zuſchlagen
muß, ihm in den Arm fallend: Ach thu's doch lieber
nicht! Was iſt ſie ihm? — Eine Laſt, die er ab¬
ſtreifen muß. Er muß, ſage ich, wenn er vorwärts
will, und er kann es, es kommt nur darauf an, ob
er Muth hat es zu wollen.“
„Mein Kopf ſchwindelt.“
„Traf dies Loos nicht auch ſolche, die er wahr¬
haft liebte? Und er vernichtete ſie, weil er ſie liebte.“
„Ich verſtehe ſie nicht.“
„Jene graubärtigen Krieger, ſeine Veteranen,
die Säulen ſeines Ruhmes, die ihm nach Afrika
gefolgt. Im Sonnenbrande der ſyriſchen Wüſten
war ſeine Miſſion erfüllt, er huldigte nicht der Thor¬
heit, ein romantiſcher Alexander ſein zu wollen, er
II. 16
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/251>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.