angerührt, 's ist Alles beim Alten geblieben. Und Herr Gentz? Ist er Minister, Kabinetsrath, Präsident geworden? Er blieb Kriegs- und Domainenrath, hatte niemals Geld, aber immer Schulden. Bis es ihm hier zu langweilig ward, und er fortlief, nach Oestreich. Seine Sachen brauchte er nicht zu ver¬ kaufen, dafür sorgten schon seine Gläubiger; aber seine Grundsätze, die waren lange vorher schon ver¬ silbert. Na, an wen ist denn Ihr Brief gerichtet?"
Da lag sein Geheimniß trocken an der Luft. Walter hatte bis da nur einen Stolz, als freier Mann unter den drängenden Verhältnissen zu stehen. Mußte ihm der, von dem er es am wenigsten ver¬ muthete, ablauschen, was er sich selbst noch nicht vollkommen eingestand!
Lupinus mußte seine innersten Bewegungen verstanden haben.
"Junger Freund! Warum denn gegen sich selbst unwahr sein! Was die Freiheit ist, hat weder Plato noch Seneca erklärt, gewiß ist aber, sie giebt nichts zu beißen und zu brechen. Ein Dichter wollen Sie nicht werden, und ein Kaufmann auch nicht. Ganz recht, der eine kann Bankerott machen und der andere verhungert, wenn nicht ganz, doch beinah. Also was bleibt Ihnen, als eine Anstellung suchen. Den Staat verbessern wollen, ist aber der schlechteste Anfang von einer Carriere."
Walter hatte sich wieder gesammelt: "Wenn ich aber nun doch so thöricht wäre, anmaßend, geben Sie
angerührt, 's iſt Alles beim Alten geblieben. Und Herr Gentz? Iſt er Miniſter, Kabinetsrath, Präſident geworden? Er blieb Kriegs- und Domainenrath, hatte niemals Geld, aber immer Schulden. Bis es ihm hier zu langweilig ward, und er fortlief, nach Oeſtreich. Seine Sachen brauchte er nicht zu ver¬ kaufen, dafür ſorgten ſchon ſeine Gläubiger; aber ſeine Grundſätze, die waren lange vorher ſchon ver¬ ſilbert. Na, an wen iſt denn Ihr Brief gerichtet?“
Da lag ſein Geheimniß trocken an der Luft. Walter hatte bis da nur einen Stolz, als freier Mann unter den drängenden Verhältniſſen zu ſtehen. Mußte ihm der, von dem er es am wenigſten ver¬ muthete, ablauſchen, was er ſich ſelbſt noch nicht vollkommen eingeſtand!
Lupinus mußte ſeine innerſten Bewegungen verſtanden haben.
„Junger Freund! Warum denn gegen ſich ſelbſt unwahr ſein! Was die Freiheit iſt, hat weder Plato noch Seneca erklärt, gewiß iſt aber, ſie giebt nichts zu beißen und zu brechen. Ein Dichter wollen Sie nicht werden, und ein Kaufmann auch nicht. Ganz recht, der eine kann Bankerott machen und der andere verhungert, wenn nicht ganz, doch beinah. Alſo was bleibt Ihnen, als eine Anſtellung ſuchen. Den Staat verbeſſern wollen, iſt aber der ſchlechteſte Anfang von einer Carriere.“
Walter hatte ſich wieder geſammelt: „Wenn ich aber nun doch ſo thöricht wäre, anmaßend, geben Sie
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angerührt, 's iſt Alles beim Alten geblieben. Und
Herr Gentz? Iſt er Miniſter, Kabinetsrath, Präſident
geworden? Er blieb Kriegs- und Domainenrath,
hatte niemals Geld, aber immer Schulden. Bis es
ihm hier zu langweilig ward, und er fortlief, nach
Oeſtreich. Seine Sachen brauchte er nicht zu ver¬
kaufen, dafür ſorgten ſchon ſeine Gläubiger; aber
ſeine Grundſätze, die waren lange vorher ſchon ver¬
ſilbert. Na, an wen iſt denn Ihr Brief gerichtet?“
Da lag ſein Geheimniß trocken an der Luft.
Walter hatte bis da nur einen Stolz, als freier
Mann unter den drängenden Verhältniſſen zu ſtehen.
Mußte ihm der, von dem er es am wenigſten ver¬
muthete, ablauſchen, was er ſich ſelbſt noch nicht
vollkommen eingeſtand!
Lupinus mußte ſeine innerſten Bewegungen
verſtanden haben.
„Junger Freund! Warum denn gegen ſich ſelbſt
unwahr ſein! Was die Freiheit iſt, hat weder Plato
noch Seneca erklärt, gewiß iſt aber, ſie giebt nichts
zu beißen und zu brechen. Ein Dichter wollen Sie
nicht werden, und ein Kaufmann auch nicht. Ganz
recht, der eine kann Bankerott machen und der andere
verhungert, wenn nicht ganz, doch beinah. Alſo was
bleibt Ihnen, als eine Anſtellung ſuchen. Den Staat
verbeſſern wollen, iſt aber der ſchlechteſte Anfang von
einer Carriere.“
Walter hatte ſich wieder geſammelt: „Wenn ich
aber nun doch ſo thöricht wäre, anmaßend, geben Sie
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/26>, abgerufen am 21.11.2024.
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