Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

meinem Willen einen Namen, welchen Sie wollen,
ich protestire nicht dagegen, aber wenn ich denn doch
in mir den Ruf fühlte, nach diesem Ziele zu streben,
warum nicht anfangen, wie ich enden will?"

Der Gelehrte sah ihn scharf an: "Weil Sie
dann nicht zum Ziele kommen, hub er nach einer
Pause an. Ein Mann, der seine Frau erziehen will,
muß es ihr ja nicht sagen, so sagt man wenigstens,
und wer den Staat verbessern will, muß es ja nicht
merken lassen. Wollen Sie mein Recept wissen?
'S ist kein neues, uralt wie die Welt. Wenn man
groß ist, muß man sich klein ducken, sich anschlängeln
an das, was gilt. Meistens an Personen, zuweilen
an Gedanken. Wenn's auch recht dumm ist, und
man von Herzen drüber lacht, oder sich ärgert! --
Lachen Sie immer und ärgern sich, nur bei zuge¬
schlossenen Thüren! -- Ohr und Auge aufhaben,
aufgepaßt auf alle Falten und Fältchen, und da bei
guter Zeit ein Zeichen zwischen gelegt! Was kann
man nicht in schwachen Stunden belauschen, und hat
man erst die Schwächen eines großen Mannes weg,
dann mit einiger Klugheit wird man ihm bald noth¬
wendig. Und ist man ihm erst nothwendig, so ist
man auch sein Herr. Vor dem Brausewind, der alles
besser wissen, alles wegfegen will, verschließen sich
solche Herren, auch wenn ihnen seine Ansichten ge¬
fallen. Sie denken, der kann dich mal selbst fortfegen.
-- Und die Herren am Ruder hier sind so affabel.
An Protectionen soll's Ihnen nicht fehlen, Schrei¬

II. 2

meinem Willen einen Namen, welchen Sie wollen,
ich proteſtire nicht dagegen, aber wenn ich denn doch
in mir den Ruf fühlte, nach dieſem Ziele zu ſtreben,
warum nicht anfangen, wie ich enden will?“

Der Gelehrte ſah ihn ſcharf an: „Weil Sie
dann nicht zum Ziele kommen, hub er nach einer
Pauſe an. Ein Mann, der ſeine Frau erziehen will,
muß es ihr ja nicht ſagen, ſo ſagt man wenigſtens,
und wer den Staat verbeſſern will, muß es ja nicht
merken laſſen. Wollen Sie mein Recept wiſſen?
'S iſt kein neues, uralt wie die Welt. Wenn man
groß iſt, muß man ſich klein ducken, ſich anſchlängeln
an das, was gilt. Meiſtens an Perſonen, zuweilen
an Gedanken. Wenn's auch recht dumm iſt, und
man von Herzen drüber lacht, oder ſich ärgert! —
Lachen Sie immer und ärgern ſich, nur bei zuge¬
ſchloſſenen Thüren! — Ohr und Auge aufhaben,
aufgepaßt auf alle Falten und Fältchen, und da bei
guter Zeit ein Zeichen zwiſchen gelegt! Was kann
man nicht in ſchwachen Stunden belauſchen, und hat
man erſt die Schwächen eines großen Mannes weg,
dann mit einiger Klugheit wird man ihm bald noth¬
wendig. Und iſt man ihm erſt nothwendig, ſo iſt
man auch ſein Herr. Vor dem Brauſewind, der alles
beſſer wiſſen, alles wegfegen will, verſchließen ſich
ſolche Herren, auch wenn ihnen ſeine Anſichten ge¬
fallen. Sie denken, der kann dich mal ſelbſt fortfegen.
— Und die Herren am Ruder hier ſind ſo affabel.
An Protectionen ſoll's Ihnen nicht fehlen, Schrei¬

II. 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0027" n="17"/>
meinem Willen einen Namen, welchen Sie wollen,<lb/>
ich prote&#x017F;tire nicht dagegen, aber wenn ich denn doch<lb/>
in mir den Ruf fühlte, nach die&#x017F;em Ziele zu &#x017F;treben,<lb/>
warum nicht anfangen, wie ich enden will?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Gelehrte &#x017F;ah ihn &#x017F;charf an: &#x201E;Weil Sie<lb/>
dann nicht zum Ziele kommen, hub er nach einer<lb/>
Pau&#x017F;e an. Ein Mann, der &#x017F;eine Frau erziehen will,<lb/>
muß es ihr ja nicht &#x017F;agen, &#x017F;o &#x017F;agt man wenig&#x017F;tens,<lb/>
und wer den Staat verbe&#x017F;&#x017F;ern will, muß es ja nicht<lb/>
merken la&#x017F;&#x017F;en. Wollen Sie mein Recept wi&#x017F;&#x017F;en?<lb/>
'S i&#x017F;t kein neues, uralt wie die Welt. Wenn man<lb/>
groß i&#x017F;t, muß man &#x017F;ich klein ducken, &#x017F;ich an&#x017F;chlängeln<lb/>
an das, was gilt. Mei&#x017F;tens an Per&#x017F;onen, zuweilen<lb/>
an Gedanken. Wenn's auch recht dumm i&#x017F;t, und<lb/>
man von Herzen drüber lacht, oder &#x017F;ich ärgert! &#x2014;<lb/>
Lachen Sie immer und ärgern &#x017F;ich, nur bei zuge¬<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enen Thüren! &#x2014; Ohr und Auge aufhaben,<lb/>
aufgepaßt auf alle Falten und Fältchen, und da bei<lb/>
guter Zeit ein Zeichen zwi&#x017F;chen gelegt! Was kann<lb/>
man nicht in &#x017F;chwachen Stunden belau&#x017F;chen, und hat<lb/>
man er&#x017F;t die Schwächen eines großen Mannes weg,<lb/>
dann mit einiger Klugheit wird man ihm bald noth¬<lb/>
wendig. Und i&#x017F;t man ihm er&#x017F;t nothwendig, &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
man auch &#x017F;ein Herr. Vor dem Brau&#x017F;ewind, der alles<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er wi&#x017F;&#x017F;en, alles wegfegen will, ver&#x017F;chließen &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;olche Herren, auch wenn ihnen &#x017F;eine An&#x017F;ichten ge¬<lb/>
fallen. Sie denken, der kann dich mal &#x017F;elb&#x017F;t fortfegen.<lb/>
&#x2014; Und die Herren am Ruder hier &#x017F;ind &#x017F;o affabel.<lb/>
An Protectionen &#x017F;oll's Ihnen nicht fehlen, Schrei¬<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II</hi>. 2<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0027] meinem Willen einen Namen, welchen Sie wollen, ich proteſtire nicht dagegen, aber wenn ich denn doch in mir den Ruf fühlte, nach dieſem Ziele zu ſtreben, warum nicht anfangen, wie ich enden will?“ Der Gelehrte ſah ihn ſcharf an: „Weil Sie dann nicht zum Ziele kommen, hub er nach einer Pauſe an. Ein Mann, der ſeine Frau erziehen will, muß es ihr ja nicht ſagen, ſo ſagt man wenigſtens, und wer den Staat verbeſſern will, muß es ja nicht merken laſſen. Wollen Sie mein Recept wiſſen? 'S iſt kein neues, uralt wie die Welt. Wenn man groß iſt, muß man ſich klein ducken, ſich anſchlängeln an das, was gilt. Meiſtens an Perſonen, zuweilen an Gedanken. Wenn's auch recht dumm iſt, und man von Herzen drüber lacht, oder ſich ärgert! — Lachen Sie immer und ärgern ſich, nur bei zuge¬ ſchloſſenen Thüren! — Ohr und Auge aufhaben, aufgepaßt auf alle Falten und Fältchen, und da bei guter Zeit ein Zeichen zwiſchen gelegt! Was kann man nicht in ſchwachen Stunden belauſchen, und hat man erſt die Schwächen eines großen Mannes weg, dann mit einiger Klugheit wird man ihm bald noth¬ wendig. Und iſt man ihm erſt nothwendig, ſo iſt man auch ſein Herr. Vor dem Brauſewind, der alles beſſer wiſſen, alles wegfegen will, verſchließen ſich ſolche Herren, auch wenn ihnen ſeine Anſichten ge¬ fallen. Sie denken, der kann dich mal ſelbſt fortfegen. — Und die Herren am Ruder hier ſind ſo affabel. An Protectionen ſoll's Ihnen nicht fehlen, Schrei¬ II. 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/27
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/27>, abgerufen am 21.11.2024.