meinem Willen einen Namen, welchen Sie wollen, ich protestire nicht dagegen, aber wenn ich denn doch in mir den Ruf fühlte, nach diesem Ziele zu streben, warum nicht anfangen, wie ich enden will?"
Der Gelehrte sah ihn scharf an: "Weil Sie dann nicht zum Ziele kommen, hub er nach einer Pause an. Ein Mann, der seine Frau erziehen will, muß es ihr ja nicht sagen, so sagt man wenigstens, und wer den Staat verbessern will, muß es ja nicht merken lassen. Wollen Sie mein Recept wissen? 'S ist kein neues, uralt wie die Welt. Wenn man groß ist, muß man sich klein ducken, sich anschlängeln an das, was gilt. Meistens an Personen, zuweilen an Gedanken. Wenn's auch recht dumm ist, und man von Herzen drüber lacht, oder sich ärgert! -- Lachen Sie immer und ärgern sich, nur bei zuge¬ schlossenen Thüren! -- Ohr und Auge aufhaben, aufgepaßt auf alle Falten und Fältchen, und da bei guter Zeit ein Zeichen zwischen gelegt! Was kann man nicht in schwachen Stunden belauschen, und hat man erst die Schwächen eines großen Mannes weg, dann mit einiger Klugheit wird man ihm bald noth¬ wendig. Und ist man ihm erst nothwendig, so ist man auch sein Herr. Vor dem Brausewind, der alles besser wissen, alles wegfegen will, verschließen sich solche Herren, auch wenn ihnen seine Ansichten ge¬ fallen. Sie denken, der kann dich mal selbst fortfegen. -- Und die Herren am Ruder hier sind so affabel. An Protectionen soll's Ihnen nicht fehlen, Schrei¬
II. 2
meinem Willen einen Namen, welchen Sie wollen, ich proteſtire nicht dagegen, aber wenn ich denn doch in mir den Ruf fühlte, nach dieſem Ziele zu ſtreben, warum nicht anfangen, wie ich enden will?“
Der Gelehrte ſah ihn ſcharf an: „Weil Sie dann nicht zum Ziele kommen, hub er nach einer Pauſe an. Ein Mann, der ſeine Frau erziehen will, muß es ihr ja nicht ſagen, ſo ſagt man wenigſtens, und wer den Staat verbeſſern will, muß es ja nicht merken laſſen. Wollen Sie mein Recept wiſſen? 'S iſt kein neues, uralt wie die Welt. Wenn man groß iſt, muß man ſich klein ducken, ſich anſchlängeln an das, was gilt. Meiſtens an Perſonen, zuweilen an Gedanken. Wenn's auch recht dumm iſt, und man von Herzen drüber lacht, oder ſich ärgert! — Lachen Sie immer und ärgern ſich, nur bei zuge¬ ſchloſſenen Thüren! — Ohr und Auge aufhaben, aufgepaßt auf alle Falten und Fältchen, und da bei guter Zeit ein Zeichen zwiſchen gelegt! Was kann man nicht in ſchwachen Stunden belauſchen, und hat man erſt die Schwächen eines großen Mannes weg, dann mit einiger Klugheit wird man ihm bald noth¬ wendig. Und iſt man ihm erſt nothwendig, ſo iſt man auch ſein Herr. Vor dem Brauſewind, der alles beſſer wiſſen, alles wegfegen will, verſchließen ſich ſolche Herren, auch wenn ihnen ſeine Anſichten ge¬ fallen. Sie denken, der kann dich mal ſelbſt fortfegen. — Und die Herren am Ruder hier ſind ſo affabel. An Protectionen ſoll's Ihnen nicht fehlen, Schrei¬
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meinem Willen einen Namen, welchen Sie wollen,
ich proteſtire nicht dagegen, aber wenn ich denn doch
in mir den Ruf fühlte, nach dieſem Ziele zu ſtreben,
warum nicht anfangen, wie ich enden will?“
Der Gelehrte ſah ihn ſcharf an: „Weil Sie
dann nicht zum Ziele kommen, hub er nach einer
Pauſe an. Ein Mann, der ſeine Frau erziehen will,
muß es ihr ja nicht ſagen, ſo ſagt man wenigſtens,
und wer den Staat verbeſſern will, muß es ja nicht
merken laſſen. Wollen Sie mein Recept wiſſen?
'S iſt kein neues, uralt wie die Welt. Wenn man
groß iſt, muß man ſich klein ducken, ſich anſchlängeln
an das, was gilt. Meiſtens an Perſonen, zuweilen
an Gedanken. Wenn's auch recht dumm iſt, und
man von Herzen drüber lacht, oder ſich ärgert! —
Lachen Sie immer und ärgern ſich, nur bei zuge¬
ſchloſſenen Thüren! — Ohr und Auge aufhaben,
aufgepaßt auf alle Falten und Fältchen, und da bei
guter Zeit ein Zeichen zwiſchen gelegt! Was kann
man nicht in ſchwachen Stunden belauſchen, und hat
man erſt die Schwächen eines großen Mannes weg,
dann mit einiger Klugheit wird man ihm bald noth¬
wendig. Und iſt man ihm erſt nothwendig, ſo iſt
man auch ſein Herr. Vor dem Brauſewind, der alles
beſſer wiſſen, alles wegfegen will, verſchließen ſich
ſolche Herren, auch wenn ihnen ſeine Anſichten ge¬
fallen. Sie denken, der kann dich mal ſelbſt fortfegen.
— Und die Herren am Ruder hier ſind ſo affabel.
An Protectionen ſoll's Ihnen nicht fehlen, Schrei¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/27>, abgerufen am 21.11.2024.
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