Kammerherr von St. Real in der kleinen Hinterstube, wo sich die Conferenz versammelt hatte.
"Leidet am Magen," sagte Bovillard mit dem moquanten Lächeln, das seine Freunde kannten, wenn er die Worte eines nicht gegenwärtigen Freundes citirte.
"Am Magen?"
"Excellenz halten nicht Diät. Mischen zu viel, Trüffelwürste und Rhabarber, Sonnenaufgänge und nächtliche Promenaden, Tugend und Tänzerinnen -- "
"Die auswärtigen Angelegenheiten liegen in seinem Magen wie Kraut und Rüben."
"Wir sind indeß, meines Wissens nicht hier wegen der affaires etrangeres," bemerkte der Kam¬ merherr.
"Mais qu'est-ce qu'on peut faire, mon ami, wenn der Leiermann vor der Thür von Morgen bis Abend sie aborgelt, Hardenberg mit so schönem Dis¬ cant singt und Lombard und Beyme und Voß, und dazwischen brummt der Baß des Herrn von Stein, und Johannes Müller zwitschert, und Herr von Massenbach giebt seine unmaaßgebliche Meinung, und Luchesini räuspert sich, und Rüchel trommelt und Prinz Louis schmettert mit Trompeten, und seine Schwester und die Prinzeß Mariane accompagniren mit Jeremiä Klagegesang. Da bleibe ein vernünftiger Mensch unaffi¬ cirt! Ich will in allem Respect noch gar nichts sagen von der Venus Urania, die in der Stille vor ihrem Spiegel die Haube der Bellona probirt, und
Kammerherr von St. Real in der kleinen Hinterſtube, wo ſich die Conferenz verſammelt hatte.
„Leidet am Magen,“ ſagte Bovillard mit dem moquanten Lächeln, das ſeine Freunde kannten, wenn er die Worte eines nicht gegenwärtigen Freundes citirte.
„Am Magen?“
„Excellenz halten nicht Diät. Miſchen zu viel, Trüffelwürſte und Rhabarber, Sonnenaufgänge und nächtliche Promenaden, Tugend und Tänzerinnen — “
„Die auswärtigen Angelegenheiten liegen in ſeinem Magen wie Kraut und Rüben.“
„Wir ſind indeß, meines Wiſſens nicht hier wegen der affaires étrangères,“ bemerkte der Kam¬ merherr.
„Mais qu'est-ce qu'on peut faire, mon ami, wenn der Leiermann vor der Thür von Morgen bis Abend ſie aborgelt, Hardenberg mit ſo ſchönem Dis¬ cant ſingt und Lombard und Beyme und Voß, und dazwiſchen brummt der Baß des Herrn von Stein, und Johannes Müller zwitſchert, und Herr von Maſſenbach giebt ſeine unmaaßgebliche Meinung, und Lucheſini räuspert ſich, und Rüchel trommelt und Prinz Louis ſchmettert mit Trompeten, und ſeine Schweſter und die Prinzeß Mariane accompagniren mit Jeremiä Klagegeſang. Da bleibe ein vernünftiger Menſch unaffi¬ cirt! Ich will in allem Reſpect noch gar nichts ſagen von der Venus Urania, die in der Stille vor ihrem Spiegel die Haube der Bellona probirt, und
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Kammerherr von St. Real in der kleinen Hinterſtube,
wo ſich die Conferenz verſammelt hatte.
„Leidet am Magen,“ ſagte Bovillard mit dem
moquanten Lächeln, das ſeine Freunde kannten, wenn
er die Worte eines nicht gegenwärtigen Freundes
citirte.
„Am Magen?“
„Excellenz halten nicht Diät. Miſchen zu viel,
Trüffelwürſte und Rhabarber, Sonnenaufgänge und
nächtliche Promenaden, Tugend und Tänzerinnen — “
„Die auswärtigen Angelegenheiten liegen in
ſeinem Magen wie Kraut und Rüben.“
„Wir ſind indeß, meines Wiſſens nicht hier
wegen der affaires étrangères,“ bemerkte der Kam¬
merherr.
„Mais qu'est-ce qu'on peut faire, mon ami,
wenn der Leiermann vor der Thür von Morgen bis
Abend ſie aborgelt, Hardenberg mit ſo ſchönem Dis¬
cant ſingt und Lombard und Beyme und Voß, und
dazwiſchen brummt der Baß des Herrn von Stein,
und Johannes Müller zwitſchert, und Herr von
Maſſenbach giebt ſeine unmaaßgebliche Meinung, und
Lucheſini räuspert ſich, und Rüchel trommelt und Prinz
Louis ſchmettert mit Trompeten, und ſeine Schweſter
und die Prinzeß Mariane accompagniren mit Jeremiä
Klagegeſang. Da bleibe ein vernünftiger Menſch unaffi¬
cirt! Ich will in allem Reſpect noch gar nichts
ſagen von der Venus Urania, die in der Stille vor
ihrem Spiegel die Haube der Bellona probirt, und
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/300>, abgerufen am 16.07.2024.
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