vergiftet, ein Nebelschauer hatte einen Mehlthau auf die Blüthen gelagert. Er besann sich und sprach schöne Worte, die nicht der Ausdruck seines Gefühls waren:
"Seine Träume gehören nicht dem Menschen allein, es sind gaukelnde Kinder aus anderen Welten. Sie haben einen berührt, der, lieblich gaukelnd, Einlaß forderte. Aber -- auch die süßesten Träume muß der Mann verscheuchen können, wo die Pflicht gebietet. Ich glaube meinen Gönner nicht versichern zu dürfen, daß dies schöne Mädchen, dem Sie gast¬ lich ihr Haus geöffnet, dem Ihre Gattin Muttersorge widmet, ihres Unglücks wegen mir heilig ist. Sie und ich, das ist ein langer Weg, den wir zu gehen hätten, bis wir uns träfen, und sie selbst ahnt viel¬ leicht noch nicht --"
Der Geheimrath wehrte mit beiden Händen: "Ist nicht mein Departement. Ist meiner Frau ihres. Da sprechen Sie, da schweigen Sie, wie Sie's für gut finden." Er faßte seine Hand und sah ihn ver¬ traulich, fast bittend an: "Lieber Walter, schweigen Sie lieber, es ist besser, daß Niemand etwas davon erfährt. Wir haben hier vielerlei Allotria getrieben. Gott weiß, wie ich mich fortreißen ließ So ist's mit unsrer Stärke und unsern Entschüssen! Rühmte mich, nichts solle in meine Kreise dringen, wenn ich meine Thür verschlösse, und plötzlich stand drinnen der Bonaparte, unsre Monturen, Finanzen, und gar eine Liebschaft von Ihnen, und rannten mich beinahe um unter meinen Büchern. -- Vergessen Sie, daß
vergiftet, ein Nebelſchauer hatte einen Mehlthau auf die Blüthen gelagert. Er beſann ſich und ſprach ſchöne Worte, die nicht der Ausdruck ſeines Gefühls waren:
„Seine Träume gehören nicht dem Menſchen allein, es ſind gaukelnde Kinder aus anderen Welten. Sie haben einen berührt, der, lieblich gaukelnd, Einlaß forderte. Aber — auch die ſüßeſten Träume muß der Mann verſcheuchen können, wo die Pflicht gebietet. Ich glaube meinen Gönner nicht verſichern zu dürfen, daß dies ſchöne Mädchen, dem Sie gaſt¬ lich ihr Haus geöffnet, dem Ihre Gattin Mutterſorge widmet, ihres Unglücks wegen mir heilig iſt. Sie und ich, das iſt ein langer Weg, den wir zu gehen hätten, bis wir uns träfen, und ſie ſelbſt ahnt viel¬ leicht noch nicht —“
Der Geheimrath wehrte mit beiden Händen: „Iſt nicht mein Departement. Iſt meiner Frau ihres. Da ſprechen Sie, da ſchweigen Sie, wie Sie's für gut finden.“ Er faßte ſeine Hand und ſah ihn ver¬ traulich, faſt bittend an: „Lieber Walter, ſchweigen Sie lieber, es iſt beſſer, daß Niemand etwas davon erfährt. Wir haben hier vielerlei Allotria getrieben. Gott weiß, wie ich mich fortreißen ließ So iſt's mit unſrer Stärke und unſern Entſchüſſen! Rühmte mich, nichts ſolle in meine Kreiſe dringen, wenn ich meine Thür verſchlöſſe, und plötzlich ſtand drinnen der Bonaparte, unſre Monturen, Finanzen, und gar eine Liebſchaft von Ihnen, und rannten mich beinahe um unter meinen Büchern. — Vergeſſen Sie, daß
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[21/0031]
vergiftet, ein Nebelſchauer hatte einen Mehlthau auf
die Blüthen gelagert. Er beſann ſich und ſprach ſchöne
Worte, die nicht der Ausdruck ſeines Gefühls waren:
„Seine Träume gehören nicht dem Menſchen
allein, es ſind gaukelnde Kinder aus anderen Welten.
Sie haben einen berührt, der, lieblich gaukelnd,
Einlaß forderte. Aber — auch die ſüßeſten Träume
muß der Mann verſcheuchen können, wo die Pflicht
gebietet. Ich glaube meinen Gönner nicht verſichern
zu dürfen, daß dies ſchöne Mädchen, dem Sie gaſt¬
lich ihr Haus geöffnet, dem Ihre Gattin Mutterſorge
widmet, ihres Unglücks wegen mir heilig iſt. Sie
und ich, das iſt ein langer Weg, den wir zu gehen
hätten, bis wir uns träfen, und ſie ſelbſt ahnt viel¬
leicht noch nicht —“
Der Geheimrath wehrte mit beiden Händen:
„Iſt nicht mein Departement. Iſt meiner Frau ihres.
Da ſprechen Sie, da ſchweigen Sie, wie Sie's für
gut finden.“ Er faßte ſeine Hand und ſah ihn ver¬
traulich, faſt bittend an: „Lieber Walter, ſchweigen
Sie lieber, es iſt beſſer, daß Niemand etwas davon
erfährt. Wir haben hier vielerlei Allotria getrieben.
Gott weiß, wie ich mich fortreißen ließ So iſt's
mit unſrer Stärke und unſern Entſchüſſen! Rühmte
mich, nichts ſolle in meine Kreiſe dringen, wenn ich
meine Thür verſchlöſſe, und plötzlich ſtand drinnen
der Bonaparte, unſre Monturen, Finanzen, und gar
eine Liebſchaft von Ihnen, und rannten mich beinahe
um unter meinen Büchern. — Vergeſſen Sie, daß
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/31>, abgerufen am 23.11.2024.
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