Um zehn Uhr war's bestellt, und es ist ein Viertel auf eilf. Vielleicht kann ich noch retten."
Bovillard fiel ihm in den Arm: "Bleiben Sie, laßt sie glücklich sein, wir sind's ja auch. Glückliche Menschen machen, was giebt es Schöneres unterm Sternenzelt. Fand einmal meine Selige in Thränen über Lafontaines neuesten Roman: Kriegen sie sich nicht? frage ich. -- Nein, schluchzt sie, er ist so grau¬ sam. -- Pfui! sage ich. -- Er ist erst am Ende des ersten Bandes, sagt sie. -- Er muß! sage ich. -- Wie kannst Du's? -- Da klopft es. Wer tritt ein? Herr Lafontaine. Ich riß meine Selige auf, ich zeigte ihm ihre rothen Augen: Barbar, das ist Ihr Werk; können Sie's ruhig ansehen? Eine Thräne der Rührung, eine Thräne der Versöhnung. -- Er küßte ihre Hand. -- Sie sollen sich kriegen, Madame! -- Auf der Stelle ließ ich ihn zu Herrn Sander fahren, dem Buchhändler. Zwei Bogen wurden maculirt, und nach acht Tagen kriegte sie die ersten des zwei¬ ten Theils. Schon im ersten Kapitel hatten sie sich gekriegt. -- Den Jammer sparte er nachher für die Ehe -- zwei Bände voll!"
"Das nenne ich einen exemplarischen Ehemann!" sagte Wandel.
"Und Herr Lafontaine kriegte die Präbende!" bemerkte St. Real.
"Eine gute That belohnt die andre."
Schon als Bovillard den Dichter Lafontaine klopfen ließ, hatte man ein starkes Pochen an der
Um zehn Uhr war's beſtellt, und es iſt ein Viertel auf eilf. Vielleicht kann ich noch retten.“
Bovillard fiel ihm in den Arm: „Bleiben Sie, laßt ſie glücklich ſein, wir ſind's ja auch. Glückliche Menſchen machen, was giebt es Schöneres unterm Sternenzelt. Fand einmal meine Selige in Thränen über Lafontaines neueſten Roman: Kriegen ſie ſich nicht? frage ich. — Nein, ſchluchzt ſie, er iſt ſo grau¬ ſam. — Pfui! ſage ich. — Er iſt erſt am Ende des erſten Bandes, ſagt ſie. — Er muß! ſage ich. — Wie kannſt Du's? — Da klopft es. Wer tritt ein? Herr Lafontaine. Ich riß meine Selige auf, ich zeigte ihm ihre rothen Augen: Barbar, das iſt Ihr Werk; können Sie's ruhig anſehen? Eine Thräne der Rührung, eine Thräne der Verſöhnung. — Er küßte ihre Hand. — Sie ſollen ſich kriegen, Madame! — Auf der Stelle ließ ich ihn zu Herrn Sander fahren, dem Buchhändler. Zwei Bogen wurden maculirt, und nach acht Tagen kriegte ſie die erſten des zwei¬ ten Theils. Schon im erſten Kapitel hatten ſie ſich gekriegt. — Den Jammer ſparte er nachher für die Ehe — zwei Bände voll!“
„Das nenne ich einen exemplariſchen Ehemann!“ ſagte Wandel.
„Und Herr Lafontaine kriegte die Präbende!“ bemerkte St. Real.
„Eine gute That belohnt die andre.“
Schon als Bovillard den Dichter Lafontaine klopfen ließ, hatte man ein ſtarkes Pochen an der
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0320"n="310"/><p>Um zehn Uhr war's beſtellt, und es iſt ein Viertel<lb/>
auf eilf. Vielleicht kann ich noch retten.“</p><lb/><p>Bovillard fiel ihm in den Arm: „Bleiben Sie,<lb/>
laßt ſie glücklich ſein, wir ſind's ja auch. Glückliche<lb/>
Menſchen machen, was giebt es Schöneres unterm<lb/>
Sternenzelt. Fand einmal meine Selige in Thränen<lb/>
über Lafontaines neueſten Roman: Kriegen ſie ſich<lb/>
nicht? frage ich. — Nein, ſchluchzt ſie, er iſt ſo grau¬<lb/>ſam. — Pfui! ſage ich. — Er iſt erſt am Ende des<lb/>
erſten Bandes, ſagt ſie. — Er muß! ſage ich. —<lb/>
Wie kannſt Du's? — Da klopft es. Wer tritt ein?<lb/>
Herr Lafontaine. Ich riß meine Selige auf, ich<lb/>
zeigte ihm ihre rothen Augen: Barbar, das iſt Ihr<lb/>
Werk; können Sie's ruhig anſehen? Eine Thräne der<lb/>
Rührung, eine Thräne der Verſöhnung. — Er küßte<lb/>
ihre Hand. — Sie ſollen ſich kriegen, Madame! —<lb/>
Auf der Stelle ließ ich ihn zu Herrn Sander fahren,<lb/>
dem Buchhändler. Zwei Bogen wurden maculirt,<lb/>
und nach acht Tagen kriegte ſie die erſten des zwei¬<lb/>
ten Theils. Schon im erſten Kapitel hatten ſie ſich<lb/>
gekriegt. — Den Jammer ſparte er nachher für die<lb/>
Ehe — zwei Bände voll!“</p><lb/><p>„Das nenne ich einen exemplariſchen Ehemann!“<lb/>ſagte Wandel.</p><lb/><p>„Und Herr Lafontaine kriegte die Präbende!“<lb/>
bemerkte St. Real.</p><lb/><p>„Eine gute That belohnt die andre.“</p><lb/><p>Schon als Bovillard den Dichter Lafontaine<lb/>
klopfen ließ, hatte man ein ſtarkes Pochen an der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[310/0320]
Um zehn Uhr war's beſtellt, und es iſt ein Viertel
auf eilf. Vielleicht kann ich noch retten.“
Bovillard fiel ihm in den Arm: „Bleiben Sie,
laßt ſie glücklich ſein, wir ſind's ja auch. Glückliche
Menſchen machen, was giebt es Schöneres unterm
Sternenzelt. Fand einmal meine Selige in Thränen
über Lafontaines neueſten Roman: Kriegen ſie ſich
nicht? frage ich. — Nein, ſchluchzt ſie, er iſt ſo grau¬
ſam. — Pfui! ſage ich. — Er iſt erſt am Ende des
erſten Bandes, ſagt ſie. — Er muß! ſage ich. —
Wie kannſt Du's? — Da klopft es. Wer tritt ein?
Herr Lafontaine. Ich riß meine Selige auf, ich
zeigte ihm ihre rothen Augen: Barbar, das iſt Ihr
Werk; können Sie's ruhig anſehen? Eine Thräne der
Rührung, eine Thräne der Verſöhnung. — Er küßte
ihre Hand. — Sie ſollen ſich kriegen, Madame! —
Auf der Stelle ließ ich ihn zu Herrn Sander fahren,
dem Buchhändler. Zwei Bogen wurden maculirt,
und nach acht Tagen kriegte ſie die erſten des zwei¬
ten Theils. Schon im erſten Kapitel hatten ſie ſich
gekriegt. — Den Jammer ſparte er nachher für die
Ehe — zwei Bände voll!“
„Das nenne ich einen exemplariſchen Ehemann!“
ſagte Wandel.
„Und Herr Lafontaine kriegte die Präbende!“
bemerkte St. Real.
„Eine gute That belohnt die andre.“
Schon als Bovillard den Dichter Lafontaine
klopfen ließ, hatte man ein ſtarkes Pochen an der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/320>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.