"Einen halben Ernst, das ist möglich, gewiß, eine ganze Posse."
"Neulich vertraute ich Ihnen --"
"Ein namenloses Liebesabentheuer zur Hälfte. Und wenn es dies war, gratulire ich Ihnen, wenn ich auch die andere Hälfte verdarb."
"Kennen Sie das Haus?"
"Nein, weiß wahrhaftig nicht mal, welche Straße es war. Aber auf das Soubrettengesicht fiel grade ein Lichtschein aus dem Fenster drüben."
"Ein Soubrettengesicht! Eine majestätisch schöne Frau!"
Bovillard lachte: "Ein durchtrieben Schelmen¬ gesichtchen, und hinter ihr guckte ein Bedientengesicht -- für so was hab ich Augen. So wahr der Wol¬ kenstreif eben durch die Mondsichel geht, man wollte Sie foppen!"
"Nein, Sie täuschen sich."
Ein sanfter aber fester Händedruck antwortete ihm: "Darin täusch ich mich nie. -- Sie sind be¬ trogen -- von wem? Das ist gleichgültig -- dies¬ mal von denen da oben am Fenster --"
Er hatte ihm das Bouquet aus der Hand ge¬ nommen: "Fort mit dem Bettel! Wer weiß in wel¬ cher Hand er war!" Er schleuderte es über die Straße. Sie gingen schweigend neben einander. Was in der Brust des Officiers arbeitete, konnte nicht heraus.
"Laßt die Motten ins Licht fliegen, es ist ihre Be¬ stimmung. Sie, Dohleneck, sind zu gut dazu, zu arglos."
„Einen halben Ernſt, das iſt möglich, gewiß, eine ganze Poſſe.“
„Neulich vertraute ich Ihnen —“
„Ein namenloſes Liebesabentheuer zur Hälfte. Und wenn es dies war, gratulire ich Ihnen, wenn ich auch die andere Hälfte verdarb.“
„Kennen Sie das Haus?“
„Nein, weiß wahrhaftig nicht mal, welche Straße es war. Aber auf das Soubrettengeſicht fiel grade ein Lichtſchein aus dem Fenſter drüben.“
„Ein Soubrettengeſicht! Eine majeſtätiſch ſchöne Frau!“
Bovillard lachte: „Ein durchtrieben Schelmen¬ geſichtchen, und hinter ihr guckte ein Bedientengeſicht — für ſo was hab ich Augen. So wahr der Wol¬ kenſtreif eben durch die Mondſichel geht, man wollte Sie foppen!“
„Nein, Sie täuſchen ſich.“
Ein ſanfter aber feſter Händedruck antwortete ihm: „Darin täuſch ich mich nie. — Sie ſind be¬ trogen — von wem? Das iſt gleichgültig — dies¬ mal von denen da oben am Fenſter —“
Er hatte ihm das Bouquet aus der Hand ge¬ nommen: „Fort mit dem Bettel! Wer weiß in wel¬ cher Hand er war!“ Er ſchleuderte es über die Straße. Sie gingen ſchweigend neben einander. Was in der Bruſt des Officiers arbeitete, konnte nicht heraus.
„Laßt die Motten ins Licht fliegen, es iſt ihre Be¬ ſtimmung. Sie, Dohleneck, ſind zu gut dazu, zu arglos.“
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„Einen halben Ernſt, das iſt möglich, gewiß,
eine ganze Poſſe.“
„Neulich vertraute ich Ihnen —“
„Ein namenloſes Liebesabentheuer zur Hälfte.
Und wenn es dies war, gratulire ich Ihnen, wenn
ich auch die andere Hälfte verdarb.“
„Kennen Sie das Haus?“
„Nein, weiß wahrhaftig nicht mal, welche Straße
es war. Aber auf das Soubrettengeſicht fiel grade
ein Lichtſchein aus dem Fenſter drüben.“
„Ein Soubrettengeſicht! Eine majeſtätiſch ſchöne
Frau!“
Bovillard lachte: „Ein durchtrieben Schelmen¬
geſichtchen, und hinter ihr guckte ein Bedientengeſicht
— für ſo was hab ich Augen. So wahr der Wol¬
kenſtreif eben durch die Mondſichel geht, man wollte
Sie foppen!“
„Nein, Sie täuſchen ſich.“
Ein ſanfter aber feſter Händedruck antwortete
ihm: „Darin täuſch ich mich nie. — Sie ſind be¬
trogen — von wem? Das iſt gleichgültig — dies¬
mal von denen da oben am Fenſter —“
Er hatte ihm das Bouquet aus der Hand ge¬
nommen: „Fort mit dem Bettel! Wer weiß in wel¬
cher Hand er war!“ Er ſchleuderte es über die Straße.
Sie gingen ſchweigend neben einander. Was in der
Bruſt des Officiers arbeitete, konnte nicht heraus.
„Laßt die Motten ins Licht fliegen, es iſt ihre Be¬
ſtimmung. Sie, Dohleneck, ſind zu gut dazu, zu arglos.“
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/330>, abgerufen am 16.07.2024.
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