Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.Nördlingen oder Ulm ist's vielleicht schon in diesem Mo¬ Der Geheimrath hatte sich ganz wieder gewonnen. "Du weißt, ich liebe nicht Exaltation, am we¬ Er hatte sich auf einen Stuhl niedergelassen und "Wenigstens wäre es ein männliches Ende -- " "Eines, der sich selbst verloren giebt. So weit Nördlingen oder Ulm iſt's vielleicht ſchon in dieſem Mo¬ Der Geheimrath hatte ſich ganz wieder gewonnen. „Du weißt, ich liebe nicht Exaltation, am we¬ Er hatte ſich auf einen Stuhl niedergelaſſen und „Wenigſtens wäre es ein männliches Ende — “ „Eines, der ſich ſelbſt verloren giebt. So weit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0339" n="329"/> Nördlingen oder Ulm iſt's vielleicht ſchon in dieſem Mo¬<lb/> ment entſchieden, und wir— wir ſehen zu und ſchlafen.“</p><lb/> <p>Der Geheimrath hatte ſich ganz wieder gewonnen.</p><lb/> <p>„Du weißt, ich liebe nicht Exaltation, am we¬<lb/> nigſten in Staatsangelegenheiten.“</p><lb/> <p>Er hatte ſich auf einen Stuhl niedergelaſſen und<lb/> fuhr mit einem Tuch über ſeine Stirn: „Wer leug¬<lb/> net, daß unſre Lage kritiſch iſt. Sie iſt ſehr bedenk¬<lb/> lich; ich will ernſthaft mit Dir ſprechen, weil ich aus<lb/> Deinem Affect heraus ſehe, daß es Dir ernſt iſt.<lb/> Es iſt mir nicht unlieb, denn wer weiß, was noch<lb/> kommt, wo Ernſt noththut. Wir haben uns täuſchen<lb/> laſſen, es iſt ſogar möglich, daß wir nicht zu rechter<lb/> Zeit uns entſchieden, uns nicht bei Zeiten wahre<lb/> Alliirte verſchafften. Es iſt noch ſchlimmer, daß,<lb/> wenn wir es jetzt wollten, man uns nicht mehr traut.<lb/> Ja ich fürchte, Napoleon grollt uns im Innern mehr<lb/> als einem ſeiner Gegner. So iſt's, mein Herr Sohn,<lb/> rief er aufſtehend, ja ſo iſt es. Und weil es ſo iſt,<lb/> dürfen wir grade jetzt nicht anders handeln, als wir<lb/> gehandelt. Sollen wir, wo das Schickſal von Eu¬<lb/> ropa auf der Meſſerſchneide ſchwebt, mit einem Mal<lb/> außer uns gerathen, uns ſelbſt verlieren, und dem<lb/> Theil, der auf dem Punkt ſteht, zu verlieren, uns<lb/> in die Arme werfen! Wir gingen mit ihm unter.“</p><lb/> <p>„Wenigſtens wäre es ein männliches Ende — “</p><lb/> <p>„Eines, der ſich ſelbſt verloren giebt. So weit<lb/> ſind wir noch nicht. Aber wir ſind in einer Lage,<lb/> wo man nicht vorſichtig genug ſein kann, wo man<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [329/0339]
Nördlingen oder Ulm iſt's vielleicht ſchon in dieſem Mo¬
ment entſchieden, und wir— wir ſehen zu und ſchlafen.“
Der Geheimrath hatte ſich ganz wieder gewonnen.
„Du weißt, ich liebe nicht Exaltation, am we¬
nigſten in Staatsangelegenheiten.“
Er hatte ſich auf einen Stuhl niedergelaſſen und
fuhr mit einem Tuch über ſeine Stirn: „Wer leug¬
net, daß unſre Lage kritiſch iſt. Sie iſt ſehr bedenk¬
lich; ich will ernſthaft mit Dir ſprechen, weil ich aus
Deinem Affect heraus ſehe, daß es Dir ernſt iſt.
Es iſt mir nicht unlieb, denn wer weiß, was noch
kommt, wo Ernſt noththut. Wir haben uns täuſchen
laſſen, es iſt ſogar möglich, daß wir nicht zu rechter
Zeit uns entſchieden, uns nicht bei Zeiten wahre
Alliirte verſchafften. Es iſt noch ſchlimmer, daß,
wenn wir es jetzt wollten, man uns nicht mehr traut.
Ja ich fürchte, Napoleon grollt uns im Innern mehr
als einem ſeiner Gegner. So iſt's, mein Herr Sohn,
rief er aufſtehend, ja ſo iſt es. Und weil es ſo iſt,
dürfen wir grade jetzt nicht anders handeln, als wir
gehandelt. Sollen wir, wo das Schickſal von Eu¬
ropa auf der Meſſerſchneide ſchwebt, mit einem Mal
außer uns gerathen, uns ſelbſt verlieren, und dem
Theil, der auf dem Punkt ſteht, zu verlieren, uns
in die Arme werfen! Wir gingen mit ihm unter.“
„Wenigſtens wäre es ein männliches Ende — “
„Eines, der ſich ſelbſt verloren giebt. So weit
ſind wir noch nicht. Aber wir ſind in einer Lage,
wo man nicht vorſichtig genug ſein kann, wo man
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