Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

darin glücklicher als die Herren der Schöpfung, denen
so oft der Sinn über die verletzte Form verloren
geht. -- Das aber ist es, ja ja, Herr van Asten, Sie
wollen Ihrer Schülerin einen zu classischen Sinn
einimpfen. Sie dämpfen Ihre Entzückungen -- aber
was ich sagen wollte, -- ich habe ihn nachher mit
Adelheid besucht --"

"Jean Paul?"

"Ja wir sahn ihn im Heiligthum seiner Häus¬
lichkeit. Es war doch etwas ganz anderes als bei
der albernen Ihlendorf unter den Linden. Mein
Gott, wie wird diese unglückliche Frau von dem einen
glücklichen Hang wieder aufgebläht werden! Ihr sil¬
berner Theekessel soll manchen Abend ganz umsonst
rauchen, und die arme Baronin in fieberhafter Angst
auf jeden Klingelzug hören! Und nun war Jean Paul
einmal bei ihr, ihre Säle vollgestopft und ganz
Berlin spricht davon! -- Aber, ich sage Ihnen, unter
seinen Penaten muß man einen großen Mann sehen."

"Sie waren in seiner Wohnung -- und mit
Adelheid?"

"Die Russische Fürstin war eben fortgefahren.
Wir trafen nur noch vier Damen, die ihm einen
Teppich gebracht, denn der Fußboden ist sehr kalt,
weil er über einem Stall wohnt. Sie ließen es sich
nicht nehmen ihn selbst anzunageln, und während dem
hatten wir die schönsten Minuten. Ach wie ganz
anders ist Jean Paul als Schiller! Jeden Moment,
jedes Blitzen eines Sonnenstrahls, weiß er zu benutzen,

3*

darin glücklicher als die Herren der Schöpfung, denen
ſo oft der Sinn über die verletzte Form verloren
geht. — Das aber iſt es, ja ja, Herr van Aſten, Sie
wollen Ihrer Schülerin einen zu claſſiſchen Sinn
einimpfen. Sie dämpfen Ihre Entzückungen — aber
was ich ſagen wollte, — ich habe ihn nachher mit
Adelheid beſucht —“

„Jean Paul?“

„Ja wir ſahn ihn im Heiligthum ſeiner Häus¬
lichkeit. Es war doch etwas ganz anderes als bei
der albernen Ihlendorf unter den Linden. Mein
Gott, wie wird dieſe unglückliche Frau von dem einen
glücklichen Hang wieder aufgebläht werden! Ihr ſil¬
berner Theekeſſel ſoll manchen Abend ganz umſonſt
rauchen, und die arme Baronin in fieberhafter Angſt
auf jeden Klingelzug hören! Und nun war Jean Paul
einmal bei ihr, ihre Säle vollgeſtopft und ganz
Berlin ſpricht davon! — Aber, ich ſage Ihnen, unter
ſeinen Penaten muß man einen großen Mann ſehen.“

„Sie waren in ſeiner Wohnung — und mit
Adelheid?“

„Die Ruſſiſche Fürſtin war eben fortgefahren.
Wir trafen nur noch vier Damen, die ihm einen
Teppich gebracht, denn der Fußboden iſt ſehr kalt,
weil er über einem Stall wohnt. Sie ließen es ſich
nicht nehmen ihn ſelbſt anzunageln, und während dem
hatten wir die ſchönſten Minuten. Ach wie ganz
anders iſt Jean Paul als Schiller! Jeden Moment,
jedes Blitzen eines Sonnenſtrahls, weiß er zu benutzen,

3*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="35"/>
darin glücklicher als die Herren der Schöpfung, denen<lb/>
&#x017F;o oft der Sinn über die verletzte Form verloren<lb/>
geht. &#x2014; Das aber i&#x017F;t es, ja ja, Herr van A&#x017F;ten, Sie<lb/>
wollen Ihrer Schülerin einen zu cla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Sinn<lb/>
einimpfen. Sie dämpfen Ihre Entzückungen &#x2014; aber<lb/>
was ich &#x017F;agen wollte, &#x2014; ich habe ihn nachher mit<lb/>
Adelheid be&#x017F;ucht &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jean Paul?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja wir &#x017F;ahn ihn im Heiligthum &#x017F;einer Häus¬<lb/>
lichkeit. Es war doch etwas ganz anderes als bei<lb/>
der albernen Ihlendorf unter den Linden. Mein<lb/>
Gott, wie wird die&#x017F;e unglückliche Frau von dem einen<lb/>
glücklichen Hang wieder aufgebläht werden! Ihr &#x017F;il¬<lb/>
berner Theeke&#x017F;&#x017F;el &#x017F;oll manchen Abend ganz um&#x017F;on&#x017F;t<lb/>
rauchen, und die arme Baronin in fieberhafter Ang&#x017F;t<lb/>
auf jeden Klingelzug hören! Und nun war Jean Paul<lb/><hi rendition="#g">einmal</hi> bei ihr, ihre Säle vollge&#x017F;topft und ganz<lb/>
Berlin &#x017F;pricht davon! &#x2014; Aber, ich &#x017F;age Ihnen, unter<lb/>
&#x017F;einen Penaten muß man einen großen Mann &#x017F;ehen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie waren in &#x017F;einer Wohnung &#x2014; und mit<lb/>
Adelheid?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Für&#x017F;tin war eben fortgefahren.<lb/>
Wir trafen nur noch vier Damen, die ihm einen<lb/>
Teppich gebracht, denn der Fußboden i&#x017F;t &#x017F;ehr kalt,<lb/>
weil er über einem Stall wohnt. Sie ließen es &#x017F;ich<lb/>
nicht nehmen ihn &#x017F;elb&#x017F;t anzunageln, und während dem<lb/>
hatten wir die &#x017F;chön&#x017F;ten Minuten. Ach wie ganz<lb/>
anders i&#x017F;t Jean Paul als Schiller! Jeden Moment,<lb/>
jedes Blitzen eines Sonnen&#x017F;trahls, weiß er zu benutzen,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3*<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0045] darin glücklicher als die Herren der Schöpfung, denen ſo oft der Sinn über die verletzte Form verloren geht. — Das aber iſt es, ja ja, Herr van Aſten, Sie wollen Ihrer Schülerin einen zu claſſiſchen Sinn einimpfen. Sie dämpfen Ihre Entzückungen — aber was ich ſagen wollte, — ich habe ihn nachher mit Adelheid beſucht —“ „Jean Paul?“ „Ja wir ſahn ihn im Heiligthum ſeiner Häus¬ lichkeit. Es war doch etwas ganz anderes als bei der albernen Ihlendorf unter den Linden. Mein Gott, wie wird dieſe unglückliche Frau von dem einen glücklichen Hang wieder aufgebläht werden! Ihr ſil¬ berner Theekeſſel ſoll manchen Abend ganz umſonſt rauchen, und die arme Baronin in fieberhafter Angſt auf jeden Klingelzug hören! Und nun war Jean Paul einmal bei ihr, ihre Säle vollgeſtopft und ganz Berlin ſpricht davon! — Aber, ich ſage Ihnen, unter ſeinen Penaten muß man einen großen Mann ſehen.“ „Sie waren in ſeiner Wohnung — und mit Adelheid?“ „Die Ruſſiſche Fürſtin war eben fortgefahren. Wir trafen nur noch vier Damen, die ihm einen Teppich gebracht, denn der Fußboden iſt ſehr kalt, weil er über einem Stall wohnt. Sie ließen es ſich nicht nehmen ihn ſelbſt anzunageln, und während dem hatten wir die ſchönſten Minuten. Ach wie ganz anders iſt Jean Paul als Schiller! Jeden Moment, jedes Blitzen eines Sonnenſtrahls, weiß er zu benutzen, 3*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/45
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/45>, abgerufen am 21.11.2024.