Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Partieen draus declamirte. Aber Sie hätten ihr
Gesicht sehen sollen, als Schiller plötzlich in die
Hände klatschte. Glauben Sie, daß, wenn ich sie
vorher ihm vorgestellt, sie nur den Mund aufgethan
hätte! Mit Schiller passirte das noch, aber wie be¬
nahm sie sich gegen Jean Paul! Da von der Ge¬
sellschaft unter den Linden will ich nichts sagen. Es
war ja ein Gedränge um ihn, beinahe ein Scandal."

Walter lächelte. Der böse Leumund erzählte
von zwei Freundinnen, die in derselben Absicht nach
dem Sessel eilten, von dem der Dichter eben aufgestanden.
Der Natur der Dinge nach konnte nur eine die glückliche
sein und sitzen, wo der Dichter gesessen. Man behaup¬
tete, daß beide seitdem nicht mehr Freundinnen wären.

Die Geheimräthin las aus Walters Lächeln den
Sinn: "So seid Ihr alle, und keiner besser als der
andre. Die Huldigungen edler Frauen für eine
Größe, wenn sie Euch selbst nicht gelten, sind nur
gut für Euren Spott. Nicht wahr, das charmante
Triolett, was durch die Stadt läuft, ist von einem
Ihrer Freunde, von dem Herrn Tieck oder Bernhardy,
oder einem der Herren Schlegel?"

"Unsre Freunde, sagte er, erkennen das echte
Feuer, das aus diesem Genius in so wunderbaren
Flammenwirbeln der Phantasie und des Humors
gen Himmel prasselt, wenngleich der krause irdische
Troß, den es mitnimmt, vielen das Verständniß sei¬
ner Seelenaccorde erschwert."

"Wir nun bemerken nicht diesen Troß und sind

Partieen draus declamirte. Aber Sie hätten ihr
Geſicht ſehen ſollen, als Schiller plötzlich in die
Hände klatſchte. Glauben Sie, daß, wenn ich ſie
vorher ihm vorgeſtellt, ſie nur den Mund aufgethan
hätte! Mit Schiller paſſirte das noch, aber wie be¬
nahm ſie ſich gegen Jean Paul! Da von der Ge¬
ſellſchaft unter den Linden will ich nichts ſagen. Es
war ja ein Gedränge um ihn, beinahe ein Scandal.“

Walter lächelte. Der böſe Leumund erzählte
von zwei Freundinnen, die in derſelben Abſicht nach
dem Seſſel eilten, von dem der Dichter eben aufgeſtanden.
Der Natur der Dinge nach konnte nur eine die glückliche
ſein und ſitzen, wo der Dichter geſeſſen. Man behaup¬
tete, daß beide ſeitdem nicht mehr Freundinnen wären.

Die Geheimräthin las aus Walters Lächeln den
Sinn: „So ſeid Ihr alle, und keiner beſſer als der
andre. Die Huldigungen edler Frauen für eine
Größe, wenn ſie Euch ſelbſt nicht gelten, ſind nur
gut für Euren Spott. Nicht wahr, das charmante
Triolett, was durch die Stadt läuft, iſt von einem
Ihrer Freunde, von dem Herrn Tieck oder Bernhardy,
oder einem der Herren Schlegel?“

„Unſre Freunde, ſagte er, erkennen das echte
Feuer, das aus dieſem Genius in ſo wunderbaren
Flammenwirbeln der Phantaſie und des Humors
gen Himmel praſſelt, wenngleich der krauſe irdiſche
Troß, den es mitnimmt, vielen das Verſtändniß ſei¬
ner Seelenaccorde erſchwert.“

„Wir nun bemerken nicht dieſen Troß und ſind

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0044" n="34"/>
Partieen draus declamirte. Aber Sie hätten ihr<lb/>
Ge&#x017F;icht &#x017F;ehen &#x017F;ollen, als Schiller plötzlich in die<lb/>
Hände klat&#x017F;chte. Glauben Sie, daß, wenn ich &#x017F;ie<lb/>
vorher ihm vorge&#x017F;tellt, &#x017F;ie nur den Mund aufgethan<lb/>
hätte! Mit Schiller pa&#x017F;&#x017F;irte das noch, aber wie be¬<lb/>
nahm &#x017F;ie &#x017F;ich gegen Jean Paul! Da von der Ge¬<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft unter den Linden will ich nichts &#x017F;agen. Es<lb/>
war ja ein Gedränge um ihn, beinahe ein Scandal.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Walter lächelte. Der bö&#x017F;e Leumund erzählte<lb/>
von zwei Freundinnen, die in der&#x017F;elben Ab&#x017F;icht nach<lb/>
dem Se&#x017F;&#x017F;el eilten, von dem der Dichter eben aufge&#x017F;tanden.<lb/>
Der Natur der Dinge nach konnte nur eine die glückliche<lb/>
&#x017F;ein und &#x017F;itzen, wo der Dichter ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en. Man behaup¬<lb/>
tete, daß beide &#x017F;eitdem nicht mehr Freundinnen wären.</p><lb/>
        <p>Die Geheimräthin las aus Walters Lächeln den<lb/>
Sinn: &#x201E;So &#x017F;eid Ihr alle, und keiner be&#x017F;&#x017F;er als der<lb/>
andre. Die Huldigungen edler Frauen für eine<lb/>
Größe, wenn &#x017F;ie Euch &#x017F;elb&#x017F;t nicht gelten, &#x017F;ind nur<lb/>
gut für Euren Spott. Nicht wahr, das charmante<lb/>
Triolett, was durch die Stadt läuft, i&#x017F;t von einem<lb/>
Ihrer Freunde, von dem Herrn Tieck oder Bernhardy,<lb/>
oder einem der Herren Schlegel?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Un&#x017F;re Freunde, &#x017F;agte er, erkennen das echte<lb/>
Feuer, das aus die&#x017F;em Genius in &#x017F;o wunderbaren<lb/>
Flammenwirbeln der Phanta&#x017F;ie und des Humors<lb/>
gen Himmel pra&#x017F;&#x017F;elt, wenngleich der krau&#x017F;e irdi&#x017F;che<lb/>
Troß, den es mitnimmt, vielen das Ver&#x017F;tändniß &#x017F;ei¬<lb/>
ner Seelenaccorde er&#x017F;chwert.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir nun bemerken nicht die&#x017F;en Troß und &#x017F;ind<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0044] Partieen draus declamirte. Aber Sie hätten ihr Geſicht ſehen ſollen, als Schiller plötzlich in die Hände klatſchte. Glauben Sie, daß, wenn ich ſie vorher ihm vorgeſtellt, ſie nur den Mund aufgethan hätte! Mit Schiller paſſirte das noch, aber wie be¬ nahm ſie ſich gegen Jean Paul! Da von der Ge¬ ſellſchaft unter den Linden will ich nichts ſagen. Es war ja ein Gedränge um ihn, beinahe ein Scandal.“ Walter lächelte. Der böſe Leumund erzählte von zwei Freundinnen, die in derſelben Abſicht nach dem Seſſel eilten, von dem der Dichter eben aufgeſtanden. Der Natur der Dinge nach konnte nur eine die glückliche ſein und ſitzen, wo der Dichter geſeſſen. Man behaup¬ tete, daß beide ſeitdem nicht mehr Freundinnen wären. Die Geheimräthin las aus Walters Lächeln den Sinn: „So ſeid Ihr alle, und keiner beſſer als der andre. Die Huldigungen edler Frauen für eine Größe, wenn ſie Euch ſelbſt nicht gelten, ſind nur gut für Euren Spott. Nicht wahr, das charmante Triolett, was durch die Stadt läuft, iſt von einem Ihrer Freunde, von dem Herrn Tieck oder Bernhardy, oder einem der Herren Schlegel?“ „Unſre Freunde, ſagte er, erkennen das echte Feuer, das aus dieſem Genius in ſo wunderbaren Flammenwirbeln der Phantaſie und des Humors gen Himmel praſſelt, wenngleich der krauſe irdiſche Troß, den es mitnimmt, vielen das Verſtändniß ſei¬ ner Seelenaccorde erſchwert.“ „Wir nun bemerken nicht dieſen Troß und ſind

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/44
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/44>, abgerufen am 21.11.2024.