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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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"Was eine unangenehme Unterbrechung gab."

"Stellen Sie sich vor, Adelheid war nun so
in Confusion, oder was war es, sie hatte den Streck¬
vers vergessen, überreichte ihm, wie ein Bauermäd¬
chen, den Strauß und sagte: Die Blumen bleiben ja,
was sie sind, auch ohne Worte."

"Der Dichter wird durch ein Impromptu die
Verlegenheit ausgeglichen haben."

"Das ist es eben, er sprach so wunderschön, in
lauter gewählten, ich möchte sagen selbst in Streck¬
versen; aber sie antwortete ihm als wäre er ein
Mann wie andere, ganz offen, naiv, dreist. Es schnitt
mir durch die Seele. Das Mädchen empfand so gar
nichts von der Veneration. Jeder giebt sich doch
Mühe, so viel er wenigstens kann, sie an den Tag
zu legen."

"Jean Paul wird ihr verziehen haben."

"Ich aber nicht, fiel die Geheimräthin scharf ihn
anblickend, ein. Was soll er von mir denken, wenn
nicht einmal meine Umgebung das Interesse an den
Tag zu legen weiß, das er bei den unbedeutendsten
Frauen erregt. Unbedeutend ist Adelheid nicht, es
muß also doch etwas an ihren Lehrern liegen --"

"Oder an ihrem Character."

"Den ich in diesem einen Punkte zu biegen mir
erlauben werde, mein Herr van Asten. Uebrigens
wird sie Gelegenheit haben, ihn in diesem Augenblick
zu zeigen. Da ich heut Morgen durch Doctor Selle er¬
fuhr, daß die Gesellschaft der Kurland ausfällt -- sie ist

„Was eine unangenehme Unterbrechung gab.“

„Stellen Sie ſich vor, Adelheid war nun ſo
in Confuſion, oder was war es, ſie hatte den Streck¬
vers vergeſſen, überreichte ihm, wie ein Bauermäd¬
chen, den Strauß und ſagte: Die Blumen bleiben ja,
was ſie ſind, auch ohne Worte.“

„Der Dichter wird durch ein Impromptu die
Verlegenheit ausgeglichen haben.“

„Das iſt es eben, er ſprach ſo wunderſchön, in
lauter gewählten, ich möchte ſagen ſelbſt in Streck¬
verſen; aber ſie antwortete ihm als wäre er ein
Mann wie andere, ganz offen, naiv, dreiſt. Es ſchnitt
mir durch die Seele. Das Mädchen empfand ſo gar
nichts von der Veneration. Jeder giebt ſich doch
Mühe, ſo viel er wenigſtens kann, ſie an den Tag
zu legen.“

„Jean Paul wird ihr verziehen haben.“

„Ich aber nicht, fiel die Geheimräthin ſcharf ihn
anblickend, ein. Was ſoll er von mir denken, wenn
nicht einmal meine Umgebung das Intereſſe an den
Tag zu legen weiß, das er bei den unbedeutendſten
Frauen erregt. Unbedeutend iſt Adelheid nicht, es
muß alſo doch etwas an ihren Lehrern liegen —“

„Oder an ihrem Character.“

„Den ich in dieſem einen Punkte zu biegen mir
erlauben werde, mein Herr van Aſten. Uebrigens
wird ſie Gelegenheit haben, ihn in dieſem Augenblick
zu zeigen. Da ich heut Morgen durch Doctor Selle er¬
fuhr, daß die Geſellſchaft der Kurland ausfällt — ſie iſt

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[37/0047] „Was eine unangenehme Unterbrechung gab.“ „Stellen Sie ſich vor, Adelheid war nun ſo in Confuſion, oder was war es, ſie hatte den Streck¬ vers vergeſſen, überreichte ihm, wie ein Bauermäd¬ chen, den Strauß und ſagte: Die Blumen bleiben ja, was ſie ſind, auch ohne Worte.“ „Der Dichter wird durch ein Impromptu die Verlegenheit ausgeglichen haben.“ „Das iſt es eben, er ſprach ſo wunderſchön, in lauter gewählten, ich möchte ſagen ſelbſt in Streck¬ verſen; aber ſie antwortete ihm als wäre er ein Mann wie andere, ganz offen, naiv, dreiſt. Es ſchnitt mir durch die Seele. Das Mädchen empfand ſo gar nichts von der Veneration. Jeder giebt ſich doch Mühe, ſo viel er wenigſtens kann, ſie an den Tag zu legen.“ „Jean Paul wird ihr verziehen haben.“ „Ich aber nicht, fiel die Geheimräthin ſcharf ihn anblickend, ein. Was ſoll er von mir denken, wenn nicht einmal meine Umgebung das Intereſſe an den Tag zu legen weiß, das er bei den unbedeutendſten Frauen erregt. Unbedeutend iſt Adelheid nicht, es muß alſo doch etwas an ihren Lehrern liegen —“ „Oder an ihrem Character.“ „Den ich in dieſem einen Punkte zu biegen mir erlauben werde, mein Herr van Aſten. Uebrigens wird ſie Gelegenheit haben, ihn in dieſem Augenblick zu zeigen. Da ich heut Morgen durch Doctor Selle er¬ fuhr, daß die Geſellſchaft der Kurland ausfällt — ſie iſt

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/47>, abgerufen am 21.11.2024.