sellschaftsformen, mein Verhältniß zum Geheimrath, auch das zu Deinen Eltern, die ich nicht als zu meiner Familie gehörig betrachten kann, das verstimmt Dich. Auch stimmen unsere Sentiments nicht immer zu einander. Das beklemmt Dich; ich verarge es Dir nicht. Aber es ist nun einmal so. Der Ka¬ narienvogel findet sich in seinem glänzenden Käfigt auch beklommen. Aber wenn man ihn hinaus ließe erstarrte er an der rauhen Luft. Du wirst einmal hinaus, wenn sich eine gute Partie für Dich findet, was in meiner Gesellschaft sich bald machen dürfte, und dann bist Du frei."
"Nicht doch! nicht doch!" Adelheid küßte mit Heftigkeit die Hand der Lupinus.
"Du bist unruhig. Hättest Du wieder beleidigende Aeußerungen gehört?"
"Im Gegentheil, liebe Mutter, das ist alles überwunden, selbst der schreckliche Gedanke, daß ich in die Zeitungen kommen mußte, auch das ist nun vorüber. Als wir neulich durch die Nebel auf der Wiese fuhren, und die Sonne ging dann auf, und sie verdampften, bis alles, alles klar war, da fühlte ich mich wie aufgelebt. Das Gras, die Büsche und die Blumen sind doch nicht Schuld daran, dachte ich, daß der häßliche Nebel sie belegt."
Der Geheimräthin prüfender Blick war noch derselbe: "Und Dir ist doch etwas! Du kamst so echauffirt zurück. Du kannst Dich nicht verstellen. Ist er Dir wieder begegnet?"
ſellſchaftsformen, mein Verhältniß zum Geheimrath, auch das zu Deinen Eltern, die ich nicht als zu meiner Familie gehörig betrachten kann, das verſtimmt Dich. Auch ſtimmen unſere Sentiments nicht immer zu einander. Das beklemmt Dich; ich verarge es Dir nicht. Aber es iſt nun einmal ſo. Der Ka¬ narienvogel findet ſich in ſeinem glänzenden Käfigt auch beklommen. Aber wenn man ihn hinaus ließe erſtarrte er an der rauhen Luft. Du wirſt einmal hinaus, wenn ſich eine gute Partie für Dich findet, was in meiner Geſellſchaft ſich bald machen dürfte, und dann biſt Du frei.“
„Nicht doch! nicht doch!“ Adelheid küßte mit Heftigkeit die Hand der Lupinus.
„Du biſt unruhig. Hätteſt Du wieder beleidigende Aeußerungen gehört?“
„Im Gegentheil, liebe Mutter, das iſt alles überwunden, ſelbſt der ſchreckliche Gedanke, daß ich in die Zeitungen kommen mußte, auch das iſt nun vorüber. Als wir neulich durch die Nebel auf der Wieſe fuhren, und die Sonne ging dann auf, und ſie verdampften, bis alles, alles klar war, da fühlte ich mich wie aufgelebt. Das Gras, die Büſche und die Blumen ſind doch nicht Schuld daran, dachte ich, daß der häßliche Nebel ſie belegt.“
Der Geheimräthin prüfender Blick war noch derſelbe: „Und Dir iſt doch etwas! Du kamſt ſo echauffirt zurück. Du kannſt Dich nicht verſtellen. Iſt er Dir wieder begegnet?“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0062"n="52"/>ſellſchaftsformen, mein Verhältniß zum Geheimrath,<lb/>
auch das zu Deinen Eltern, die ich nicht als zu<lb/>
meiner Familie gehörig betrachten kann, das verſtimmt<lb/>
Dich. Auch ſtimmen unſere Sentiments nicht immer<lb/>
zu einander. Das beklemmt Dich; ich verarge es<lb/>
Dir nicht. Aber es iſt nun einmal ſo. Der Ka¬<lb/>
narienvogel findet ſich in ſeinem glänzenden Käfigt<lb/>
auch beklommen. Aber wenn man ihn hinaus ließe<lb/>
erſtarrte er an der rauhen Luft. Du wirſt einmal<lb/>
hinaus, wenn ſich eine gute Partie für Dich findet,<lb/>
was in meiner Geſellſchaft ſich bald machen dürfte,<lb/>
und dann biſt Du frei.“</p><lb/><p>„Nicht doch! nicht doch!“ Adelheid küßte mit<lb/>
Heftigkeit die Hand der Lupinus.</p><lb/><p>„Du biſt unruhig. Hätteſt Du wieder beleidigende<lb/>
Aeußerungen gehört?“</p><lb/><p>„Im Gegentheil, liebe Mutter, das iſt alles<lb/>
überwunden, ſelbſt der ſchreckliche Gedanke, daß ich<lb/>
in die Zeitungen kommen mußte, auch das iſt nun<lb/>
vorüber. Als wir neulich durch die Nebel auf der<lb/>
Wieſe fuhren, und die Sonne ging dann auf, und<lb/>ſie verdampften, bis alles, alles klar war, da fühlte<lb/>
ich mich wie aufgelebt. Das Gras, die Büſche und<lb/>
die Blumen ſind doch nicht Schuld daran, dachte ich,<lb/>
daß der häßliche Nebel ſie belegt.“</p><lb/><p>Der Geheimräthin prüfender Blick war noch<lb/>
derſelbe: „Und Dir iſt doch etwas! Du kamſt ſo<lb/>
echauffirt zurück. Du kannſt Dich nicht verſtellen.<lb/>
Iſt er Dir wieder begegnet?“<lb/></p></div></body></text></TEI>
[52/0062]
ſellſchaftsformen, mein Verhältniß zum Geheimrath,
auch das zu Deinen Eltern, die ich nicht als zu
meiner Familie gehörig betrachten kann, das verſtimmt
Dich. Auch ſtimmen unſere Sentiments nicht immer
zu einander. Das beklemmt Dich; ich verarge es
Dir nicht. Aber es iſt nun einmal ſo. Der Ka¬
narienvogel findet ſich in ſeinem glänzenden Käfigt
auch beklommen. Aber wenn man ihn hinaus ließe
erſtarrte er an der rauhen Luft. Du wirſt einmal
hinaus, wenn ſich eine gute Partie für Dich findet,
was in meiner Geſellſchaft ſich bald machen dürfte,
und dann biſt Du frei.“
„Nicht doch! nicht doch!“ Adelheid küßte mit
Heftigkeit die Hand der Lupinus.
„Du biſt unruhig. Hätteſt Du wieder beleidigende
Aeußerungen gehört?“
„Im Gegentheil, liebe Mutter, das iſt alles
überwunden, ſelbſt der ſchreckliche Gedanke, daß ich
in die Zeitungen kommen mußte, auch das iſt nun
vorüber. Als wir neulich durch die Nebel auf der
Wieſe fuhren, und die Sonne ging dann auf, und
ſie verdampften, bis alles, alles klar war, da fühlte
ich mich wie aufgelebt. Das Gras, die Büſche und
die Blumen ſind doch nicht Schuld daran, dachte ich,
daß der häßliche Nebel ſie belegt.“
Der Geheimräthin prüfender Blick war noch
derſelbe: „Und Dir iſt doch etwas! Du kamſt ſo
echauffirt zurück. Du kannſt Dich nicht verſtellen.
Iſt er Dir wieder begegnet?“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/62>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.