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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852.

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sellschaftsformen, mein Verhältniß zum Geheimrath,
auch das zu Deinen Eltern, die ich nicht als zu
meiner Familie gehörig betrachten kann, das verstimmt
Dich. Auch stimmen unsere Sentiments nicht immer
zu einander. Das beklemmt Dich; ich verarge es
Dir nicht. Aber es ist nun einmal so. Der Ka¬
narienvogel findet sich in seinem glänzenden Käfigt
auch beklommen. Aber wenn man ihn hinaus ließe
erstarrte er an der rauhen Luft. Du wirst einmal
hinaus, wenn sich eine gute Partie für Dich findet,
was in meiner Gesellschaft sich bald machen dürfte,
und dann bist Du frei."

"Nicht doch! nicht doch!" Adelheid küßte mit
Heftigkeit die Hand der Lupinus.

"Du bist unruhig. Hättest Du wieder beleidigende
Aeußerungen gehört?"

"Im Gegentheil, liebe Mutter, das ist alles
überwunden, selbst der schreckliche Gedanke, daß ich
in die Zeitungen kommen mußte, auch das ist nun
vorüber. Als wir neulich durch die Nebel auf der
Wiese fuhren, und die Sonne ging dann auf, und
sie verdampften, bis alles, alles klar war, da fühlte
ich mich wie aufgelebt. Das Gras, die Büsche und
die Blumen sind doch nicht Schuld daran, dachte ich,
daß der häßliche Nebel sie belegt."

Der Geheimräthin prüfender Blick war noch
derselbe: "Und Dir ist doch etwas! Du kamst so
echauffirt zurück. Du kannst Dich nicht verstellen.
Ist er Dir wieder begegnet?"

ſellſchaftsformen, mein Verhältniß zum Geheimrath,
auch das zu Deinen Eltern, die ich nicht als zu
meiner Familie gehörig betrachten kann, das verſtimmt
Dich. Auch ſtimmen unſere Sentiments nicht immer
zu einander. Das beklemmt Dich; ich verarge es
Dir nicht. Aber es iſt nun einmal ſo. Der Ka¬
narienvogel findet ſich in ſeinem glänzenden Käfigt
auch beklommen. Aber wenn man ihn hinaus ließe
erſtarrte er an der rauhen Luft. Du wirſt einmal
hinaus, wenn ſich eine gute Partie für Dich findet,
was in meiner Geſellſchaft ſich bald machen dürfte,
und dann biſt Du frei.“

„Nicht doch! nicht doch!“ Adelheid küßte mit
Heftigkeit die Hand der Lupinus.

„Du biſt unruhig. Hätteſt Du wieder beleidigende
Aeußerungen gehört?“

„Im Gegentheil, liebe Mutter, das iſt alles
überwunden, ſelbſt der ſchreckliche Gedanke, daß ich
in die Zeitungen kommen mußte, auch das iſt nun
vorüber. Als wir neulich durch die Nebel auf der
Wieſe fuhren, und die Sonne ging dann auf, und
ſie verdampften, bis alles, alles klar war, da fühlte
ich mich wie aufgelebt. Das Gras, die Büſche und
die Blumen ſind doch nicht Schuld daran, dachte ich,
daß der häßliche Nebel ſie belegt.“

Der Geheimräthin prüfender Blick war noch
derſelbe: „Und Dir iſt doch etwas! Du kamſt ſo
echauffirt zurück. Du kannſt Dich nicht verſtellen.
Iſt er Dir wieder begegnet?“

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[52/0062] ſellſchaftsformen, mein Verhältniß zum Geheimrath, auch das zu Deinen Eltern, die ich nicht als zu meiner Familie gehörig betrachten kann, das verſtimmt Dich. Auch ſtimmen unſere Sentiments nicht immer zu einander. Das beklemmt Dich; ich verarge es Dir nicht. Aber es iſt nun einmal ſo. Der Ka¬ narienvogel findet ſich in ſeinem glänzenden Käfigt auch beklommen. Aber wenn man ihn hinaus ließe erſtarrte er an der rauhen Luft. Du wirſt einmal hinaus, wenn ſich eine gute Partie für Dich findet, was in meiner Geſellſchaft ſich bald machen dürfte, und dann biſt Du frei.“ „Nicht doch! nicht doch!“ Adelheid küßte mit Heftigkeit die Hand der Lupinus. „Du biſt unruhig. Hätteſt Du wieder beleidigende Aeußerungen gehört?“ „Im Gegentheil, liebe Mutter, das iſt alles überwunden, ſelbſt der ſchreckliche Gedanke, daß ich in die Zeitungen kommen mußte, auch das iſt nun vorüber. Als wir neulich durch die Nebel auf der Wieſe fuhren, und die Sonne ging dann auf, und ſie verdampften, bis alles, alles klar war, da fühlte ich mich wie aufgelebt. Das Gras, die Büſche und die Blumen ſind doch nicht Schuld daran, dachte ich, daß der häßliche Nebel ſie belegt.“ Der Geheimräthin prüfender Blick war noch derſelbe: „Und Dir iſt doch etwas! Du kamſt ſo echauffirt zurück. Du kannſt Dich nicht verſtellen. Iſt er Dir wieder begegnet?“

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 2. Berlin, 1852, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe02_1852/62>, abgerufen am 25.05.2024.