Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

uns, alle, nicht allein verachtet, besiegt, mit Füßen
tritt, nein, daß er sie auch verlacht. Und er hat
recht."

Der Major von Eisenhauch war schon während
ihres Gespräches eingetreten. Er schien über die
Gesellschaft, die er hier fand, verwundert.

"Nun und Sie, Major?"

Er zuckte die Achseln: "Bis zum außerordent¬
lichen Gesandten ist man gekommen. Er soll morgen
abreisen."

"Mit welchen Bedingungen?"

"Man spricht davon, der Luneviller Friede soll
zum Grunde gelegt werden."

"Die kann Bonaparte nicht annehmen, sagte
die Fürstin rasch. Das wäre also so gut wie Krieg.
Aber wer wird zu ihm gesandt?"

"Haugwitz."

In den Gesichtszügen der Anwesenden war Ueber¬
raschung, vielleicht etwas mehr, Entrüstung, Schreck
zu lesen. Eine sprachlose Pause.

"Ist das auch das Spiel der höheren Mächte?"
fragte die Gargazin mit einem bittern Blick auf
Bovillard, der verstummte. Der Major antwortete
statt seiner:

"Seiner Majestät eigner Wille. Niemand hatte
natürlich an Haugwitz gedacht. Sie mögen denken,
wie es auf alle gewirkt. Aber des Königs Gerech¬
tigkeitsgefühl spielte mit."

"Sagen Sie -- ach, mir fehlen auch die Worte

uns, alle, nicht allein verachtet, beſiegt, mit Füßen
tritt, nein, daß er ſie auch verlacht. Und er hat
recht.“

Der Major von Eiſenhauch war ſchon während
ihres Geſpräches eingetreten. Er ſchien über die
Geſellſchaft, die er hier fand, verwundert.

„Nun und Sie, Major?“

Er zuckte die Achſeln: „Bis zum außerordent¬
lichen Geſandten iſt man gekommen. Er ſoll morgen
abreiſen.“

„Mit welchen Bedingungen?“

„Man ſpricht davon, der Luneviller Friede ſoll
zum Grunde gelegt werden.“

„Die kann Bonaparte nicht annehmen, ſagte
die Fürſtin raſch. Das wäre alſo ſo gut wie Krieg.
Aber wer wird zu ihm geſandt?“

„Haugwitz.“

In den Geſichtszügen der Anweſenden war Ueber¬
raſchung, vielleicht etwas mehr, Entrüſtung, Schreck
zu leſen. Eine ſprachloſe Pauſe.

„Iſt das auch das Spiel der höheren Mächte?“
fragte die Gargazin mit einem bittern Blick auf
Bovillard, der verſtummte. Der Major antwortete
ſtatt ſeiner:

„Seiner Majeſtät eigner Wille. Niemand hatte
natürlich an Haugwitz gedacht. Sie mögen denken,
wie es auf alle gewirkt. Aber des Königs Gerech¬
tigkeitsgefühl ſpielte mit.“

„Sagen Sie — ach, mir fehlen auch die Worte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0110" n="100"/>
uns, alle, nicht allein verachtet, be&#x017F;iegt, mit Füßen<lb/>
tritt, nein, daß er &#x017F;ie auch verlacht. Und er hat<lb/>
recht.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Major von Ei&#x017F;enhauch war &#x017F;chon während<lb/>
ihres Ge&#x017F;präches eingetreten. Er &#x017F;chien über die<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, die er hier fand, verwundert.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun und Sie, Major?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er zuckte die Ach&#x017F;eln: &#x201E;Bis zum außerordent¬<lb/>
lichen Ge&#x017F;andten i&#x017F;t man gekommen. Er &#x017F;oll morgen<lb/>
abrei&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Mit welchen Bedingungen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Man &#x017F;pricht davon, der Luneviller Friede &#x017F;oll<lb/>
zum Grunde gelegt werden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die kann Bonaparte nicht annehmen, &#x017F;agte<lb/>
die Für&#x017F;tin ra&#x017F;ch. Das wäre al&#x017F;o &#x017F;o gut wie Krieg.<lb/>
Aber wer wird zu ihm ge&#x017F;andt?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Haugwitz.&#x201C;</p><lb/>
        <p>In den Ge&#x017F;ichtszügen der Anwe&#x017F;enden war Ueber¬<lb/>
ra&#x017F;chung, vielleicht etwas mehr, Entrü&#x017F;tung, Schreck<lb/>
zu le&#x017F;en. Eine &#x017F;prachlo&#x017F;e Pau&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>&#x201E;I&#x017F;t das auch das Spiel der höheren Mächte?&#x201C;<lb/>
fragte die Gargazin mit einem bittern Blick auf<lb/>
Bovillard, der ver&#x017F;tummte. Der Major antwortete<lb/>
&#x017F;tatt &#x017F;einer:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Seiner Maje&#x017F;tät eigner Wille. Niemand hatte<lb/>
natürlich an Haugwitz gedacht. Sie mögen denken,<lb/>
wie es auf alle gewirkt. Aber des Königs Gerech¬<lb/>
tigkeitsgefühl &#x017F;pielte mit.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sagen Sie &#x2014; ach, mir fehlen auch die Worte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[100/0110] uns, alle, nicht allein verachtet, beſiegt, mit Füßen tritt, nein, daß er ſie auch verlacht. Und er hat recht.“ Der Major von Eiſenhauch war ſchon während ihres Geſpräches eingetreten. Er ſchien über die Geſellſchaft, die er hier fand, verwundert. „Nun und Sie, Major?“ Er zuckte die Achſeln: „Bis zum außerordent¬ lichen Geſandten iſt man gekommen. Er ſoll morgen abreiſen.“ „Mit welchen Bedingungen?“ „Man ſpricht davon, der Luneviller Friede ſoll zum Grunde gelegt werden.“ „Die kann Bonaparte nicht annehmen, ſagte die Fürſtin raſch. Das wäre alſo ſo gut wie Krieg. Aber wer wird zu ihm geſandt?“ „Haugwitz.“ In den Geſichtszügen der Anweſenden war Ueber¬ raſchung, vielleicht etwas mehr, Entrüſtung, Schreck zu leſen. Eine ſprachloſe Pauſe. „Iſt das auch das Spiel der höheren Mächte?“ fragte die Gargazin mit einem bittern Blick auf Bovillard, der verſtummte. Der Major antwortete ſtatt ſeiner: „Seiner Majeſtät eigner Wille. Niemand hatte natürlich an Haugwitz gedacht. Sie mögen denken, wie es auf alle gewirkt. Aber des Königs Gerech¬ tigkeitsgefühl ſpielte mit.“ „Sagen Sie — ach, mir fehlen auch die Worte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/110
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/110>, abgerufen am 21.11.2024.