Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

ihm noch nicht geben. Lombard ist ja auch berufen,
hat auch die Feder gespitzt; je nach dem, französisch
oder deutsch, hart oder weich."

"Aber nachdem Stein abgeblitzt, mußten doch
Majestät Ihre Meinung äußern."

"Sie haben sie auch geäußert. Das Wort
Kriegserklärung, so hart noch herausgestoßen, ohne
alle Ueberzuckerung, hatten Majestät dermaßen irritirt,
daß Ihro Majestät die Königin dem Kaiser einen
Wink gab. Alexander verstand sie auch mit einer
admirablen Grazie. Nun ward der Krieg emballirt,
in eine traurige Eventualität übersetzt, und unter
dieser Umhüllung passirte er wieder in der Conver¬
sation. Wenn man nur den rechten Ernst zeige und
zur rechten Zeit, dann könne man sich der sichern
Hoffnung hingeben --"

"Daß Bonaparte zu Kreuz kriecht! -- O char¬
mant!" rief die Fürstin, und dunkle Lichter blitzten
auf ihrem Gesicht, die wenig zu der zurechtgelegten
Sanftmuth paßten. "Darum von Petersburg nach
Moskau geflogen, darum eine halbe Welt in Auf¬
ruhr, darum diese kostbaren Stunden in Potsdam!
Um eine Ambassade, um eine neue Conferenz, um
Protokolle --"

"Ohne Ambassade, Erlaucht, geht es nicht ab,
mein kleiner Finger sagt es mir."

"Die dem Corsen vorstellen soll, wie un¬
billig er gehandelt, ihm Moral predigen und
Unterricht im Völkerrecht geben! Damit er sie,

7*

ihm noch nicht geben. Lombard iſt ja auch berufen,
hat auch die Feder geſpitzt; je nach dem, franzöſiſch
oder deutſch, hart oder weich.“

„Aber nachdem Stein abgeblitzt, mußten doch
Majeſtät Ihre Meinung äußern.“

„Sie haben ſie auch geäußert. Das Wort
Kriegserklärung, ſo hart noch herausgeſtoßen, ohne
alle Ueberzuckerung, hatten Majeſtät dermaßen irritirt,
daß Ihro Majeſtät die Königin dem Kaiſer einen
Wink gab. Alexander verſtand ſie auch mit einer
admirablen Grazie. Nun ward der Krieg emballirt,
in eine traurige Eventualität überſetzt, und unter
dieſer Umhüllung paſſirte er wieder in der Conver¬
ſation. Wenn man nur den rechten Ernſt zeige und
zur rechten Zeit, dann könne man ſich der ſichern
Hoffnung hingeben —“

„Daß Bonaparte zu Kreuz kriecht! — O char¬
mant!“ rief die Fürſtin, und dunkle Lichter blitzten
auf ihrem Geſicht, die wenig zu der zurechtgelegten
Sanftmuth paßten. „Darum von Petersburg nach
Moskau geflogen, darum eine halbe Welt in Auf¬
ruhr, darum dieſe koſtbaren Stunden in Potsdam!
Um eine Ambaſſade, um eine neue Conferenz, um
Protokolle —“

„Ohne Ambaſſade, Erlaucht, geht es nicht ab,
mein kleiner Finger ſagt es mir.“

„Die dem Corſen vorſtellen ſoll, wie un¬
billig er gehandelt, ihm Moral predigen und
Unterricht im Völkerrecht geben! Damit er ſie,

7*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0109" n="99"/>
ihm noch nicht geben. Lombard i&#x017F;t ja auch berufen,<lb/>
hat auch die Feder ge&#x017F;pitzt; je nach dem, franzö&#x017F;i&#x017F;ch<lb/>
oder deut&#x017F;ch, hart oder weich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber nachdem Stein abgeblitzt, mußten doch<lb/>
Maje&#x017F;tät Ihre Meinung äußern.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie haben &#x017F;ie auch geäußert. Das Wort<lb/>
Kriegserklärung, &#x017F;o hart noch herausge&#x017F;toßen, ohne<lb/>
alle Ueberzuckerung, hatten Maje&#x017F;tät dermaßen irritirt,<lb/>
daß Ihro Maje&#x017F;tät die Königin dem Kai&#x017F;er einen<lb/>
Wink gab. Alexander ver&#x017F;tand &#x017F;ie auch mit einer<lb/>
admirablen Grazie. Nun ward der Krieg emballirt,<lb/>
in eine traurige Eventualität über&#x017F;etzt, und unter<lb/>
die&#x017F;er Umhüllung pa&#x017F;&#x017F;irte er wieder in der Conver¬<lb/>
&#x017F;ation. Wenn man nur den rechten Ern&#x017F;t zeige und<lb/>
zur rechten Zeit, dann könne man &#x017F;ich der &#x017F;ichern<lb/>
Hoffnung hingeben &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Daß Bonaparte zu Kreuz kriecht! &#x2014; O char¬<lb/>
mant!&#x201C; rief die Für&#x017F;tin, und dunkle Lichter blitzten<lb/>
auf ihrem Ge&#x017F;icht, die wenig zu der zurechtgelegten<lb/>
Sanftmuth paßten. &#x201E;Darum von Petersburg nach<lb/>
Moskau geflogen, darum eine halbe Welt in Auf¬<lb/>
ruhr, darum die&#x017F;e ko&#x017F;tbaren Stunden in Potsdam!<lb/>
Um eine Amba&#x017F;&#x017F;ade, um eine neue Conferenz, um<lb/>
Protokolle &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ohne Amba&#x017F;&#x017F;ade, Erlaucht, geht es nicht ab,<lb/>
mein kleiner Finger &#x017F;agt es mir.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die dem Cor&#x017F;en vor&#x017F;tellen &#x017F;oll, wie un¬<lb/>
billig er gehandelt, ihm Moral predigen und<lb/>
Unterricht im Völkerrecht geben! Damit er &#x017F;ie,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">7*<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0109] ihm noch nicht geben. Lombard iſt ja auch berufen, hat auch die Feder geſpitzt; je nach dem, franzöſiſch oder deutſch, hart oder weich.“ „Aber nachdem Stein abgeblitzt, mußten doch Majeſtät Ihre Meinung äußern.“ „Sie haben ſie auch geäußert. Das Wort Kriegserklärung, ſo hart noch herausgeſtoßen, ohne alle Ueberzuckerung, hatten Majeſtät dermaßen irritirt, daß Ihro Majeſtät die Königin dem Kaiſer einen Wink gab. Alexander verſtand ſie auch mit einer admirablen Grazie. Nun ward der Krieg emballirt, in eine traurige Eventualität überſetzt, und unter dieſer Umhüllung paſſirte er wieder in der Conver¬ ſation. Wenn man nur den rechten Ernſt zeige und zur rechten Zeit, dann könne man ſich der ſichern Hoffnung hingeben —“ „Daß Bonaparte zu Kreuz kriecht! — O char¬ mant!“ rief die Fürſtin, und dunkle Lichter blitzten auf ihrem Geſicht, die wenig zu der zurechtgelegten Sanftmuth paßten. „Darum von Petersburg nach Moskau geflogen, darum eine halbe Welt in Auf¬ ruhr, darum dieſe koſtbaren Stunden in Potsdam! Um eine Ambaſſade, um eine neue Conferenz, um Protokolle —“ „Ohne Ambaſſade, Erlaucht, geht es nicht ab, mein kleiner Finger ſagt es mir.“ „Die dem Corſen vorſtellen ſoll, wie un¬ billig er gehandelt, ihm Moral predigen und Unterricht im Völkerrecht geben! Damit er ſie, 7*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/109
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/109>, abgerufen am 21.11.2024.