Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Sein Auge streifte nach den Krähen hinauf.
Dachte er an die Mährchen von den Raben, welche
gestohlene Pretiosen in ihre Nester tragen? Da blinkte
es allerdings golden in dem Krähenneste zu seinen
Häupten, aber es war ein Nachmittagstrahl, der das
rauhe Geflecht anröthete. Die Wolken waren ge¬
brochen, und die Sonne goß mit gesparter Kraft ihren
Goldschein auf einen Theil der Gegend. Sanssouci
mit seinen Metallkuppeln fing den vollsten Strahl
auf. Die Schnörkelspitzen der Dächer glühten, es
mußte warm werden auf der Terrasse, warm wie ein
später Herbsttag es zuläßt, und Waltern fröstelte auf
der windigen Höhe.

Die Thore waren geöffnet und unbewacht. Die
Wege waren mit welkem Laub überstreut. Das
Knistern seiner Schritte rief kein lebendes Wesen her¬
bei; wen seine Beine trugen, war nach der Stadt
gewandert. Ja, es war laue Luft auf der Terrasse
und Walter müde. Er setzte sich auf einen der
Steine, unter denen Friedrichs Hunde ruhen. Es stand
ein verwitterter Name darauf. Ob unter allen, die
jetzt lebten, einer das Thier gekannt, das ihn trug!
Und doch hat sein Name Anwartschaft auf Unsterb¬
lichkeit!

Die Orangerie war längst in die Glashäuser
geschafft, es sah leer, wüst und zerstört aus. Nur
einige von den Riesenkürbis, die man nicht der Mühe
werth hielt fortzutragen, faulten am Boden. Die
hohen, bis zur Erde reichenden Glasfenster des

Sein Auge ſtreifte nach den Krähen hinauf.
Dachte er an die Mährchen von den Raben, welche
geſtohlene Pretioſen in ihre Neſter tragen? Da blinkte
es allerdings golden in dem Krähenneſte zu ſeinen
Häupten, aber es war ein Nachmittagſtrahl, der das
rauhe Geflecht anröthete. Die Wolken waren ge¬
brochen, und die Sonne goß mit geſparter Kraft ihren
Goldſchein auf einen Theil der Gegend. Sansſouci
mit ſeinen Metallkuppeln fing den vollſten Strahl
auf. Die Schnörkelſpitzen der Dächer glühten, es
mußte warm werden auf der Terraſſe, warm wie ein
ſpäter Herbſttag es zuläßt, und Waltern fröſtelte auf
der windigen Höhe.

Die Thore waren geöffnet und unbewacht. Die
Wege waren mit welkem Laub überſtreut. Das
Kniſtern ſeiner Schritte rief kein lebendes Weſen her¬
bei; wen ſeine Beine trugen, war nach der Stadt
gewandert. Ja, es war laue Luft auf der Terraſſe
und Walter müde. Er ſetzte ſich auf einen der
Steine, unter denen Friedrichs Hunde ruhen. Es ſtand
ein verwitterter Name darauf. Ob unter allen, die
jetzt lebten, einer das Thier gekannt, das ihn trug!
Und doch hat ſein Name Anwartſchaft auf Unſterb¬
lichkeit!

Die Orangerie war längſt in die Glashäuſer
geſchafft, es ſah leer, wüſt und zerſtört aus. Nur
einige von den Rieſenkürbis, die man nicht der Mühe
werth hielt fortzutragen, faulten am Boden. Die
hohen, bis zur Erde reichenden Glasfenſter des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0130" n="120"/>
        <p>Sein Auge &#x017F;treifte nach den Krähen hinauf.<lb/>
Dachte er an die Mährchen von den Raben, welche<lb/>
ge&#x017F;tohlene Pretio&#x017F;en in ihre Ne&#x017F;ter tragen? Da blinkte<lb/>
es allerdings golden in dem Krähenne&#x017F;te zu &#x017F;einen<lb/>
Häupten, aber es war ein Nachmittag&#x017F;trahl, der das<lb/>
rauhe Geflecht anröthete. Die Wolken waren ge¬<lb/>
brochen, und die Sonne goß mit ge&#x017F;parter Kraft ihren<lb/>
Gold&#x017F;chein auf einen Theil der Gegend. Sans&#x017F;ouci<lb/>
mit &#x017F;einen Metallkuppeln fing den voll&#x017F;ten Strahl<lb/>
auf. Die Schnörkel&#x017F;pitzen der Dächer glühten, es<lb/>
mußte warm werden auf der Terra&#x017F;&#x017F;e, warm wie ein<lb/>
&#x017F;päter Herb&#x017F;ttag es zuläßt, und Waltern frö&#x017F;telte auf<lb/>
der windigen Höhe.</p><lb/>
        <p>Die Thore waren geöffnet und unbewacht. Die<lb/>
Wege waren mit welkem Laub über&#x017F;treut. Das<lb/>
Kni&#x017F;tern &#x017F;einer Schritte rief kein lebendes We&#x017F;en her¬<lb/>
bei; wen &#x017F;eine Beine trugen, war nach der Stadt<lb/>
gewandert. Ja, es war laue Luft auf der Terra&#x017F;&#x017F;e<lb/>
und Walter müde. Er &#x017F;etzte &#x017F;ich auf einen der<lb/>
Steine, unter denen Friedrichs Hunde ruhen. Es &#x017F;tand<lb/>
ein verwitterter Name darauf. Ob unter allen, die<lb/>
jetzt lebten, einer das Thier gekannt, das ihn trug!<lb/>
Und doch hat &#x017F;ein Name Anwart&#x017F;chaft auf Un&#x017F;terb¬<lb/>
lichkeit!</p><lb/>
        <p>Die Orangerie war läng&#x017F;t in die Glashäu&#x017F;er<lb/>
ge&#x017F;chafft, es &#x017F;ah leer, wü&#x017F;t und zer&#x017F;tört aus. Nur<lb/>
einige von den Rie&#x017F;enkürbis, die man nicht der Mühe<lb/>
werth hielt fortzutragen, faulten am Boden. Die<lb/>
hohen, bis zur Erde reichenden Glasfen&#x017F;ter des<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0130] Sein Auge ſtreifte nach den Krähen hinauf. Dachte er an die Mährchen von den Raben, welche geſtohlene Pretioſen in ihre Neſter tragen? Da blinkte es allerdings golden in dem Krähenneſte zu ſeinen Häupten, aber es war ein Nachmittagſtrahl, der das rauhe Geflecht anröthete. Die Wolken waren ge¬ brochen, und die Sonne goß mit geſparter Kraft ihren Goldſchein auf einen Theil der Gegend. Sansſouci mit ſeinen Metallkuppeln fing den vollſten Strahl auf. Die Schnörkelſpitzen der Dächer glühten, es mußte warm werden auf der Terraſſe, warm wie ein ſpäter Herbſttag es zuläßt, und Waltern fröſtelte auf der windigen Höhe. Die Thore waren geöffnet und unbewacht. Die Wege waren mit welkem Laub überſtreut. Das Kniſtern ſeiner Schritte rief kein lebendes Weſen her¬ bei; wen ſeine Beine trugen, war nach der Stadt gewandert. Ja, es war laue Luft auf der Terraſſe und Walter müde. Er ſetzte ſich auf einen der Steine, unter denen Friedrichs Hunde ruhen. Es ſtand ein verwitterter Name darauf. Ob unter allen, die jetzt lebten, einer das Thier gekannt, das ihn trug! Und doch hat ſein Name Anwartſchaft auf Unſterb¬ lichkeit! Die Orangerie war längſt in die Glashäuſer geſchafft, es ſah leer, wüſt und zerſtört aus. Nur einige von den Rieſenkürbis, die man nicht der Mühe werth hielt fortzutragen, faulten am Boden. Die hohen, bis zur Erde reichenden Glasfenſter des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/130
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/130>, abgerufen am 09.11.2024.