Friedrich eine Welt in sich trug, so war es vielleicht eine aus einem andern Jahrhundert, aus andern Zonen über dem Ocean. Er war verfrüht und iso¬ lirt auf dieser Scholle. Die Freunde der Jugend, wenn er deren gehabt, hatten die Wellen der Jahre fortgespült; er saß, ein eigensinniger Greis, der nur auf sich hörte, mißtrauisch gegen Alle, ein Einsiedler in der neuen Welt, die nicht mehr seine war. Seine großen Augen sahen nicht den Wechsel der Geschlech¬ ter, nicht neue Jugend um sich, und andere Ideen, die mächtig sich empor rangen aus dem Deutschen Volke.
"Was sähe denn jetzt dies große Auge?" rief er unwillkürlich laut. Aber als er seines aufschlug, sah er eine Erscheinung. Unfern von ihm auf einem andern Steine saß Friedrich. Uebergebückt, die Locken überschattet von der schiefen Spitze des alten Hutes, zeichnete er mit dem Stock im Sande. -- Die Er¬ scheinung verschwand nicht, als Walter die vom Son¬ nenlicht geblendeten Augen rieb; es waren aber nicht Friedrichs Augen, als die Erscheinung den Kopf wandte und ihn fragend ansah.
"Des großen Königs Auge, meinen Sie?" sagte der alte Mann, und ein Seufzer machte sich Luft. Er war ein Militäir aus Friedrichs Zeit, und Wal¬ ter wegen seiner Täuschung zu entschuldigen, wenn nicht schon der Abendsonnenflimmer und die Träume¬ reien es übernommen. Der Typus eines bedeutenden Mannes drückt sich unwillkürlich seinen Dienern und Bewunderern auf.
Friedrich eine Welt in ſich trug, ſo war es vielleicht eine aus einem andern Jahrhundert, aus andern Zonen über dem Ocean. Er war verfrüht und iſo¬ lirt auf dieſer Scholle. Die Freunde der Jugend, wenn er deren gehabt, hatten die Wellen der Jahre fortgeſpült; er ſaß, ein eigenſinniger Greis, der nur auf ſich hörte, mißtrauiſch gegen Alle, ein Einſiedler in der neuen Welt, die nicht mehr ſeine war. Seine großen Augen ſahen nicht den Wechſel der Geſchlech¬ ter, nicht neue Jugend um ſich, und andere Ideen, die mächtig ſich empor rangen aus dem Deutſchen Volke.
„Was ſähe denn jetzt dies große Auge?“ rief er unwillkürlich laut. Aber als er ſeines aufſchlug, ſah er eine Erſcheinung. Unfern von ihm auf einem andern Steine ſaß Friedrich. Uebergebückt, die Locken überſchattet von der ſchiefen Spitze des alten Hutes, zeichnete er mit dem Stock im Sande. — Die Er¬ ſcheinung verſchwand nicht, als Walter die vom Son¬ nenlicht geblendeten Augen rieb; es waren aber nicht Friedrichs Augen, als die Erſcheinung den Kopf wandte und ihn fragend anſah.
„Des großen Königs Auge, meinen Sie?“ ſagte der alte Mann, und ein Seufzer machte ſich Luft. Er war ein Militäir aus Friedrichs Zeit, und Wal¬ ter wegen ſeiner Täuſchung zu entſchuldigen, wenn nicht ſchon der Abendſonnenflimmer und die Träume¬ reien es übernommen. Der Typus eines bedeutenden Mannes drückt ſich unwillkürlich ſeinen Dienern und Bewunderern auf.
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Friedrich eine Welt in ſich trug, ſo war es vielleicht
eine aus einem andern Jahrhundert, aus andern
Zonen über dem Ocean. Er war verfrüht und iſo¬
lirt auf dieſer Scholle. Die Freunde der Jugend,
wenn er deren gehabt, hatten die Wellen der Jahre
fortgeſpült; er ſaß, ein eigenſinniger Greis, der nur
auf ſich hörte, mißtrauiſch gegen Alle, ein Einſiedler
in der neuen Welt, die nicht mehr ſeine war. Seine
großen Augen ſahen nicht den Wechſel der Geſchlech¬
ter, nicht neue Jugend um ſich, und andere Ideen,
die mächtig ſich empor rangen aus dem Deutſchen Volke.
„Was ſähe denn jetzt dies große Auge?“ rief
er unwillkürlich laut. Aber als er ſeines aufſchlug,
ſah er eine Erſcheinung. Unfern von ihm auf einem
andern Steine ſaß Friedrich. Uebergebückt, die Locken
überſchattet von der ſchiefen Spitze des alten Hutes,
zeichnete er mit dem Stock im Sande. — Die Er¬
ſcheinung verſchwand nicht, als Walter die vom Son¬
nenlicht geblendeten Augen rieb; es waren aber nicht
Friedrichs Augen, als die Erſcheinung den Kopf
wandte und ihn fragend anſah.
„Des großen Königs Auge, meinen Sie?“ ſagte
der alte Mann, und ein Seufzer machte ſich Luft.
Er war ein Militäir aus Friedrichs Zeit, und Wal¬
ter wegen ſeiner Täuſchung zu entſchuldigen, wenn
nicht ſchon der Abendſonnenflimmer und die Träume¬
reien es übernommen. Der Typus eines bedeutenden
Mannes drückt ſich unwillkürlich ſeinen Dienern und
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/134>, abgerufen am 24.11.2024.
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