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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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Es giebt Momente, wo zwei Unbekannte sich
ihre Gedanken ablesen, ehe sie ein Wort gewechselt.
Der Blick und die Physiognomie allein thun es nicht;
es ist der Ort, die Stunde, das Licht, die Luftschwere
oder deren Leichtigkeit. Sie können Jahre lang sich
begegnen, Worte tauschen, und bleiben sich doch fremd,
es ist der Zauber des Augenblicks, welcher die Seelen
aufschließt.

Der Weg zum Gespräch war kurz, wo beide sich
entgegen kamen.

"Was war denn sein Vaterland, rief der Major,
mit dem Stock in die Erde bohrend, als er die Fran¬
zosen lieben lernte, was sie ihm jetzt zum Verbre¬
chen machen! Ich alter Mann lese nicht viel neue
Bücher, doch aber einige, und ich lese es mit Schmerz,
wie die Jugend den Einzigen richten will. Wie
war es denn damals? Sehn Sie um sich, so weit
das Deutsche Reich ging, -- wie mußte er sie zu sich
heran schleppen! Sie liefen ihm dann nach, nur
weil er's commandirte. Nun, war's da zu verwun¬
dern, daß er keinen Respect bekam vor den Leuten,
die nur auf Commando einen geraden Rücken zeigten,
die auf Commando ins Licht blickten, daß er auf die
nicht hörte, die ihn nicht verstanden, und wie er alt
und grämlich ward, auf Niemand mehr."

Walter wies auf die Glasthür in der Mitte:
"Dort saß der König dieses Landes mit dem herge¬
laufenen Witz aus allen Ländern, und beim schäu¬
menden Glase sprühte von ihren Lippen der Spott

Es giebt Momente, wo zwei Unbekannte ſich
ihre Gedanken ableſen, ehe ſie ein Wort gewechſelt.
Der Blick und die Phyſiognomie allein thun es nicht;
es iſt der Ort, die Stunde, das Licht, die Luftſchwere
oder deren Leichtigkeit. Sie können Jahre lang ſich
begegnen, Worte tauſchen, und bleiben ſich doch fremd,
es iſt der Zauber des Augenblicks, welcher die Seelen
aufſchließt.

Der Weg zum Geſpräch war kurz, wo beide ſich
entgegen kamen.

„Was war denn ſein Vaterland, rief der Major,
mit dem Stock in die Erde bohrend, als er die Fran¬
zoſen lieben lernte, was ſie ihm jetzt zum Verbre¬
chen machen! Ich alter Mann leſe nicht viel neue
Bücher, doch aber einige, und ich leſe es mit Schmerz,
wie die Jugend den Einzigen richten will. Wie
war es denn damals? Sehn Sie um ſich, ſo weit
das Deutſche Reich ging, — wie mußte er ſie zu ſich
heran ſchleppen! Sie liefen ihm dann nach, nur
weil er's commandirte. Nun, war's da zu verwun¬
dern, daß er keinen Reſpect bekam vor den Leuten,
die nur auf Commando einen geraden Rücken zeigten,
die auf Commando ins Licht blickten, daß er auf die
nicht hörte, die ihn nicht verſtanden, und wie er alt
und grämlich ward, auf Niemand mehr.“

Walter wies auf die Glasthür in der Mitte:
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laufenen Witz aus allen Ländern, und beim ſchäu¬
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[125/0135] Es giebt Momente, wo zwei Unbekannte ſich ihre Gedanken ableſen, ehe ſie ein Wort gewechſelt. Der Blick und die Phyſiognomie allein thun es nicht; es iſt der Ort, die Stunde, das Licht, die Luftſchwere oder deren Leichtigkeit. Sie können Jahre lang ſich begegnen, Worte tauſchen, und bleiben ſich doch fremd, es iſt der Zauber des Augenblicks, welcher die Seelen aufſchließt. Der Weg zum Geſpräch war kurz, wo beide ſich entgegen kamen. „Was war denn ſein Vaterland, rief der Major, mit dem Stock in die Erde bohrend, als er die Fran¬ zoſen lieben lernte, was ſie ihm jetzt zum Verbre¬ chen machen! Ich alter Mann leſe nicht viel neue Bücher, doch aber einige, und ich leſe es mit Schmerz, wie die Jugend den Einzigen richten will. Wie war es denn damals? Sehn Sie um ſich, ſo weit das Deutſche Reich ging, — wie mußte er ſie zu ſich heran ſchleppen! Sie liefen ihm dann nach, nur weil er's commandirte. Nun, war's da zu verwun¬ dern, daß er keinen Reſpect bekam vor den Leuten, die nur auf Commando einen geraden Rücken zeigten, die auf Commando ins Licht blickten, daß er auf die nicht hörte, die ihn nicht verſtanden, und wie er alt und grämlich ward, auf Niemand mehr.“ Walter wies auf die Glasthür in der Mitte: „Dort ſaß der König dieſes Landes mit dem herge¬ laufenen Witz aus allen Ländern, und beim ſchäu¬ menden Glaſe ſprühte von ihren Lippen der Spott

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/135>, abgerufen am 21.11.2024.