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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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"Wir haben unsre Armee," sagte Köls.

"Und die Armee hat Disciplin," setzte Gerres¬
heim hinzu. Mit Disciplin läßt sich alles durch¬
setzen."

"Auch der Opfermuth, der festhält an einer
verlorenen Sache? -- Lassen Sie uns abbrechen,
meine Collegen, unsre Ansichten finden keine Vereini¬
gung. Wir haben keine Corporationen, Stände,
keine Gliederung im Staate, aber wir haben Men¬
schen, gute, tüchtige Menschen, vielleicht Charactere,
die nur jetzt verborgen sind, und die Noth weckt noch
mehr zur rechten Stunde. Das hoffen wir doch alle,
und lassen Sie uns an diesem Glauben festhalten.
Darum -- "

"Wollen wir auch das Scherflein der Witwe
nicht verschmähen; die drei hundert Thaler der Lupi¬
nus sind uns aber lieber," fiel Köls ein.

"Sie ist ein wenig fanatisch in ihrem Patriotis¬
mus," sagte Büsching.

"Und --" setzte Gerresheim hinzu und schwieg
plötzlich, bis er die Bemerkung hinwarf: "Die Frau
Geheimräthin admirirte vor kurzem noch den Bo¬
naparte mit einiger Ostentation; da ist das Change¬
ment doch auffällig."

Die drei Herren sahen sich an und mußten sich
verstehen.

"Es ist doch etwas eigenes mit der Weibernatur,
sagte Köls nachdenklich. Wie weit sind sie uns oft
vorauf, ich möchte sagen, wie der Blitz, der durch die

„Wir haben unſre Armee,“ ſagte Köls.

„Und die Armee hat Disciplin,“ ſetzte Gerres¬
heim hinzu. Mit Disciplin läßt ſich alles durch¬
ſetzen.“

„Auch der Opfermuth, der feſthält an einer
verlorenen Sache? — Laſſen Sie uns abbrechen,
meine Collegen, unſre Anſichten finden keine Vereini¬
gung. Wir haben keine Corporationen, Stände,
keine Gliederung im Staate, aber wir haben Men¬
ſchen, gute, tüchtige Menſchen, vielleicht Charactere,
die nur jetzt verborgen ſind, und die Noth weckt noch
mehr zur rechten Stunde. Das hoffen wir doch alle,
und laſſen Sie uns an dieſem Glauben feſthalten.
Darum — “

„Wollen wir auch das Scherflein der Witwe
nicht verſchmähen; die drei hundert Thaler der Lupi¬
nus ſind uns aber lieber,“ fiel Köls ein.

„Sie iſt ein wenig fanatiſch in ihrem Patriotis¬
mus,“ ſagte Büſching.

„Und —“ ſetzte Gerresheim hinzu und ſchwieg
plötzlich, bis er die Bemerkung hinwarf: „Die Frau
Geheimräthin admirirte vor kurzem noch den Bo¬
naparte mit einiger Oſtentation; da iſt das Change¬
ment doch auffällig.“

Die drei Herren ſahen ſich an und mußten ſich
verſtehen.

„Es iſt doch etwas eigenes mit der Weibernatur,
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[194/0204] „Wir haben unſre Armee,“ ſagte Köls. „Und die Armee hat Disciplin,“ ſetzte Gerres¬ heim hinzu. Mit Disciplin läßt ſich alles durch¬ ſetzen.“ „Auch der Opfermuth, der feſthält an einer verlorenen Sache? — Laſſen Sie uns abbrechen, meine Collegen, unſre Anſichten finden keine Vereini¬ gung. Wir haben keine Corporationen, Stände, keine Gliederung im Staate, aber wir haben Men¬ ſchen, gute, tüchtige Menſchen, vielleicht Charactere, die nur jetzt verborgen ſind, und die Noth weckt noch mehr zur rechten Stunde. Das hoffen wir doch alle, und laſſen Sie uns an dieſem Glauben feſthalten. Darum — “ „Wollen wir auch das Scherflein der Witwe nicht verſchmähen; die drei hundert Thaler der Lupi¬ nus ſind uns aber lieber,“ fiel Köls ein. „Sie iſt ein wenig fanatiſch in ihrem Patriotis¬ mus,“ ſagte Büſching. „Und —“ ſetzte Gerresheim hinzu und ſchwieg plötzlich, bis er die Bemerkung hinwarf: „Die Frau Geheimräthin admirirte vor kurzem noch den Bo¬ naparte mit einiger Oſtentation; da iſt das Change¬ ment doch auffällig.“ Die drei Herren ſahen ſich an und mußten ſich verſtehen. „Es iſt doch etwas eigenes mit der Weibernatur, ſagte Köls nachdenklich. Wie weit ſind ſie uns oft vorauf, ich möchte ſagen, wie der Blitz, der durch die

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/204>, abgerufen am 27.04.2024.