Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Nacht leuchtet, und wir sehen den Weg vor uns.
Aber dann, wenn wir den Weg einschlagen wollen,
haben sie sich plötzlich verloren und wir haben Mühe
sie mitzuziehen."

"Sie thuts auch jetzt nur um von sich reden
zu machen, sprach Büsching. Darüber hab' ich mich
keinen Augenblick getäuscht. Aber das dürfen wir
um Gottes Willen nicht sagen. Hingenommen das
Gold, und einen Heiligenschein daraus geschlagen.
Zum Zweck ists dasselbe."

"Es wird mit dem Schein manches Heiligen
nicht besser sein, assentirte Köls. Was meinen Sie,
Gerresheim?"

"Weiß der Geier, in der Frau ist etwas, was
mich anzieht, und abstößt. Als ob ihr Auge mich
aushöhlen wollte, und ich fühle mich gedrungen, dann
immer tiefer hineinzusehen, um sie wieder auszu¬
holen."

"Ei, ei, Gerresheim, doch nicht wieder verliebt?"

"Das wäre denn nur wie der Inquirent in
seinen Inculpaten, den er zum Geständniß bringen
will. Ich kann die Vorstellung nicht los werden,
daß ich die Frau einmal vor mir sitzen hätte am
grünen Tisch, in einem Glorienschein von erhabener
Tugend und philosophischer Resignation. Da steht
mir denn der kalte Schweiß auf der Stirn, wie sie
auf meine Fragen antwortet. Sie redet sich aus
und in mich 'rein, daß ich an mir irre werde. Glau¬
ben Sie mir, das könnte die Frau in solcher Lage,

13*

Nacht leuchtet, und wir ſehen den Weg vor uns.
Aber dann, wenn wir den Weg einſchlagen wollen,
haben ſie ſich plötzlich verloren und wir haben Mühe
ſie mitzuziehen.“

„Sie thuts auch jetzt nur um von ſich reden
zu machen, ſprach Büſching. Darüber hab' ich mich
keinen Augenblick getäuſcht. Aber das dürfen wir
um Gottes Willen nicht ſagen. Hingenommen das
Gold, und einen Heiligenſchein daraus geſchlagen.
Zum Zweck iſts daſſelbe.“

„Es wird mit dem Schein manches Heiligen
nicht beſſer ſein, aſſentirte Köls. Was meinen Sie,
Gerresheim?“

„Weiß der Geier, in der Frau iſt etwas, was
mich anzieht, und abſtößt. Als ob ihr Auge mich
aushöhlen wollte, und ich fühle mich gedrungen, dann
immer tiefer hineinzuſehen, um ſie wieder auszu¬
holen.“

„Ei, ei, Gerresheim, doch nicht wieder verliebt?“

„Das wäre denn nur wie der Inquirent in
ſeinen Inculpaten, den er zum Geſtändniß bringen
will. Ich kann die Vorſtellung nicht los werden,
daß ich die Frau einmal vor mir ſitzen hätte am
grünen Tiſch, in einem Glorienſchein von erhabener
Tugend und philoſophiſcher Reſignation. Da ſteht
mir denn der kalte Schweiß auf der Stirn, wie ſie
auf meine Fragen antwortet. Sie redet ſich aus
und in mich 'rein, daß ich an mir irre werde. Glau¬
ben Sie mir, das könnte die Frau in ſolcher Lage,

13*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0205" n="195"/>
Nacht leuchtet, und wir &#x017F;ehen den Weg vor uns.<lb/>
Aber dann, wenn wir den Weg ein&#x017F;chlagen wollen,<lb/>
haben &#x017F;ie &#x017F;ich plötzlich verloren und wir haben Mühe<lb/>
&#x017F;ie mitzuziehen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie thuts auch jetzt nur um von &#x017F;ich reden<lb/>
zu machen, &#x017F;prach Bü&#x017F;ching. Darüber hab' ich mich<lb/>
keinen Augenblick getäu&#x017F;cht. Aber das dürfen wir<lb/>
um Gottes Willen nicht &#x017F;agen. Hingenommen das<lb/>
Gold, und einen Heiligen&#x017F;chein daraus ge&#x017F;chlagen.<lb/>
Zum Zweck i&#x017F;ts da&#x017F;&#x017F;elbe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Es wird mit dem Schein manches Heiligen<lb/>
nicht be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ein, a&#x017F;&#x017F;entirte Köls. Was meinen Sie,<lb/>
Gerresheim?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Weiß der Geier, in der Frau i&#x017F;t etwas, was<lb/>
mich anzieht, und ab&#x017F;tößt. Als ob ihr Auge mich<lb/>
aushöhlen wollte, und ich fühle mich gedrungen, dann<lb/>
immer tiefer hineinzu&#x017F;ehen, um &#x017F;ie wieder auszu¬<lb/>
holen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ei, ei, Gerresheim, doch nicht wieder verliebt?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das wäre denn nur wie der Inquirent in<lb/>
&#x017F;einen Inculpaten, den er zum Ge&#x017F;tändniß bringen<lb/>
will. Ich kann die Vor&#x017F;tellung nicht los werden,<lb/>
daß ich die Frau einmal vor mir &#x017F;itzen hätte am<lb/>
grünen Ti&#x017F;ch, in einem Glorien&#x017F;chein von erhabener<lb/>
Tugend und philo&#x017F;ophi&#x017F;cher Re&#x017F;ignation. Da &#x017F;teht<lb/>
mir denn der kalte Schweiß auf der Stirn, wie &#x017F;ie<lb/>
auf meine Fragen antwortet. Sie redet &#x017F;ich aus<lb/>
und in mich 'rein, daß ich an mir irre werde. Glau¬<lb/>
ben Sie mir, das könnte die Frau in &#x017F;olcher Lage,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">13*<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0205] Nacht leuchtet, und wir ſehen den Weg vor uns. Aber dann, wenn wir den Weg einſchlagen wollen, haben ſie ſich plötzlich verloren und wir haben Mühe ſie mitzuziehen.“ „Sie thuts auch jetzt nur um von ſich reden zu machen, ſprach Büſching. Darüber hab' ich mich keinen Augenblick getäuſcht. Aber das dürfen wir um Gottes Willen nicht ſagen. Hingenommen das Gold, und einen Heiligenſchein daraus geſchlagen. Zum Zweck iſts daſſelbe.“ „Es wird mit dem Schein manches Heiligen nicht beſſer ſein, aſſentirte Köls. Was meinen Sie, Gerresheim?“ „Weiß der Geier, in der Frau iſt etwas, was mich anzieht, und abſtößt. Als ob ihr Auge mich aushöhlen wollte, und ich fühle mich gedrungen, dann immer tiefer hineinzuſehen, um ſie wieder auszu¬ holen.“ „Ei, ei, Gerresheim, doch nicht wieder verliebt?“ „Das wäre denn nur wie der Inquirent in ſeinen Inculpaten, den er zum Geſtändniß bringen will. Ich kann die Vorſtellung nicht los werden, daß ich die Frau einmal vor mir ſitzen hätte am grünen Tiſch, in einem Glorienſchein von erhabener Tugend und philoſophiſcher Reſignation. Da ſteht mir denn der kalte Schweiß auf der Stirn, wie ſie auf meine Fragen antwortet. Sie redet ſich aus und in mich 'rein, daß ich an mir irre werde. Glau¬ ben Sie mir, das könnte die Frau in ſolcher Lage, 13*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/205
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/205>, abgerufen am 21.11.2024.