Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

von mir loskommen; aber zu Deinen Eltern willst
Du auch nicht zurück. In der vornehmeren Stellung,
in welche sie gerückt sind, und welche Dir allenfalls
den äußern Glanz bietet, an dem Du Dich nun ge¬
wöhnt hast, würdest Du Dich noch weniger behagen;
ihre neuen Kreise sprechen Dein ästhetisches Gefühl
nicht an. Du bemerkst vielleicht schon manches Lächer¬
liche in den Prätensionen, die sie machen. Als gutes
Kind giebst Du Dir Mühe diese Regung zu unter¬
drücken; aber Du würdest sehr unglücklich sein, so¬
wohl in den alten beschränkten Verhältnissen, als in
den ausstaffirten neuen. Um aus diesem Dilemma
zu kommen, von mir los, und nicht zu Deinen El¬
tern zurück, drängt es Dich, und Du drängst vielleicht
auch ihn, daß Walter eine Stellung bekomme, wo er
Dich heirathen kann. Mit einer fieberhaften Angst
hast Du Dich auf dies Thema geworfen, und machst
ihm immer neue Vorschläge, wie er es anfangen soll.
Du quälst Dich, ihn, Deine Eltern, seinen Vater,
uns alle. Das weißt Du auch recht gut, denn Du
weißt, daß Walter an ganz anderes denkt als an
Dich und sich, aber Du thust es doch, weil Du in
einer Art Fieber bist. Du betrachtest es als eine
Destination, Dich als ein Opferlamm, und mit aller¬
hand hochherzigen Vorspiegelungen schilderst Du dann
als ein erhabenes Ziel der Selbstverleugnung, was
doch nichts ist, als der Nothhafen, wohin der
Schiffer in seiner letzten Verzweiflung steuert. Und
wenn Du ihn nun geheirathet hast --"

von mir loskommen; aber zu Deinen Eltern willſt
Du auch nicht zurück. In der vornehmeren Stellung,
in welche ſie gerückt ſind, und welche Dir allenfalls
den äußern Glanz bietet, an dem Du Dich nun ge¬
wöhnt haſt, würdeſt Du Dich noch weniger behagen;
ihre neuen Kreiſe ſprechen Dein äſthetiſches Gefühl
nicht an. Du bemerkſt vielleicht ſchon manches Lächer¬
liche in den Prätenſionen, die ſie machen. Als gutes
Kind giebſt Du Dir Mühe dieſe Regung zu unter¬
drücken; aber Du würdeſt ſehr unglücklich ſein, ſo¬
wohl in den alten beſchränkten Verhältniſſen, als in
den ausſtaffirten neuen. Um aus dieſem Dilemma
zu kommen, von mir los, und nicht zu Deinen El¬
tern zurück, drängt es Dich, und Du drängſt vielleicht
auch ihn, daß Walter eine Stellung bekomme, wo er
Dich heirathen kann. Mit einer fieberhaften Angſt
haſt Du Dich auf dies Thema geworfen, und machſt
ihm immer neue Vorſchläge, wie er es anfangen ſoll.
Du quälſt Dich, ihn, Deine Eltern, ſeinen Vater,
uns alle. Das weißt Du auch recht gut, denn Du
weißt, daß Walter an ganz anderes denkt als an
Dich und ſich, aber Du thuſt es doch, weil Du in
einer Art Fieber biſt. Du betrachteſt es als eine
Deſtination, Dich als ein Opferlamm, und mit aller¬
hand hochherzigen Vorſpiegelungen ſchilderſt Du dann
als ein erhabenes Ziel der Selbſtverleugnung, was
doch nichts iſt, als der Nothhafen, wohin der
Schiffer in ſeiner letzten Verzweiflung ſteuert. Und
wenn Du ihn nun geheirathet haſt —“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0225" n="215"/>
von mir loskommen; aber zu Deinen Eltern will&#x017F;t<lb/>
Du auch nicht zurück. In der vornehmeren Stellung,<lb/>
in welche &#x017F;ie gerückt &#x017F;ind, und welche Dir allenfalls<lb/>
den äußern Glanz bietet, an dem Du Dich nun ge¬<lb/>
wöhnt ha&#x017F;t, würde&#x017F;t Du Dich noch weniger behagen;<lb/>
ihre neuen Krei&#x017F;e &#x017F;prechen Dein ä&#x017F;theti&#x017F;ches Gefühl<lb/>
nicht an. Du bemerk&#x017F;t vielleicht &#x017F;chon manches Lächer¬<lb/>
liche in den Präten&#x017F;ionen, die &#x017F;ie machen. Als gutes<lb/>
Kind gieb&#x017F;t Du Dir Mühe die&#x017F;e Regung zu unter¬<lb/>
drücken; aber Du würde&#x017F;t &#x017F;ehr unglücklich &#x017F;ein, &#x017F;<lb/>
wohl in den alten be&#x017F;chränkten Verhältni&#x017F;&#x017F;en, als in<lb/>
den aus&#x017F;taffirten neuen. Um aus die&#x017F;em Dilemma<lb/>
zu kommen, von mir los, und nicht zu Deinen El¬<lb/>
tern zurück, drängt es Dich, und Du dräng&#x017F;t vielleicht<lb/>
auch ihn, daß Walter eine Stellung bekomme, wo er<lb/>
Dich heirathen kann. Mit einer fieberhaften Ang&#x017F;t<lb/>
ha&#x017F;t Du Dich auf dies Thema geworfen, und mach&#x017F;t<lb/>
ihm immer neue Vor&#x017F;chläge, wie er es anfangen &#x017F;oll.<lb/>
Du quäl&#x017F;t Dich, ihn, Deine Eltern, &#x017F;einen Vater,<lb/>
uns alle. Das weißt Du auch recht gut, denn Du<lb/>
weißt, daß Walter an ganz anderes denkt als an<lb/>
Dich und &#x017F;ich, aber Du thu&#x017F;t es doch, weil Du in<lb/>
einer Art Fieber bi&#x017F;t. Du betrachte&#x017F;t es als eine<lb/>
De&#x017F;tination, Dich als ein Opferlamm, und mit aller¬<lb/>
hand hochherzigen Vor&#x017F;piegelungen &#x017F;childer&#x017F;t Du dann<lb/>
als ein erhabenes Ziel der Selb&#x017F;tverleugnung, was<lb/>
doch nichts i&#x017F;t, als der Nothhafen, wohin der<lb/>
Schiffer in &#x017F;einer letzten Verzweiflung &#x017F;teuert. Und<lb/>
wenn Du ihn nun geheirathet ha&#x017F;t &#x2014;&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0225] von mir loskommen; aber zu Deinen Eltern willſt Du auch nicht zurück. In der vornehmeren Stellung, in welche ſie gerückt ſind, und welche Dir allenfalls den äußern Glanz bietet, an dem Du Dich nun ge¬ wöhnt haſt, würdeſt Du Dich noch weniger behagen; ihre neuen Kreiſe ſprechen Dein äſthetiſches Gefühl nicht an. Du bemerkſt vielleicht ſchon manches Lächer¬ liche in den Prätenſionen, die ſie machen. Als gutes Kind giebſt Du Dir Mühe dieſe Regung zu unter¬ drücken; aber Du würdeſt ſehr unglücklich ſein, ſo¬ wohl in den alten beſchränkten Verhältniſſen, als in den ausſtaffirten neuen. Um aus dieſem Dilemma zu kommen, von mir los, und nicht zu Deinen El¬ tern zurück, drängt es Dich, und Du drängſt vielleicht auch ihn, daß Walter eine Stellung bekomme, wo er Dich heirathen kann. Mit einer fieberhaften Angſt haſt Du Dich auf dies Thema geworfen, und machſt ihm immer neue Vorſchläge, wie er es anfangen ſoll. Du quälſt Dich, ihn, Deine Eltern, ſeinen Vater, uns alle. Das weißt Du auch recht gut, denn Du weißt, daß Walter an ganz anderes denkt als an Dich und ſich, aber Du thuſt es doch, weil Du in einer Art Fieber biſt. Du betrachteſt es als eine Deſtination, Dich als ein Opferlamm, und mit aller¬ hand hochherzigen Vorſpiegelungen ſchilderſt Du dann als ein erhabenes Ziel der Selbſtverleugnung, was doch nichts iſt, als der Nothhafen, wohin der Schiffer in ſeiner letzten Verzweiflung ſteuert. Und wenn Du ihn nun geheirathet haſt —“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/225
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/225>, abgerufen am 21.11.2024.