Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

latentisch nicht umsonst vernommen, war kein lebendes
Auge im Zimmer. Alle auf das Schauspiel draußen
gerichtet. Prinz Louis selbst ritt vorüber, der Jubel
hatte seinen Gipfelpunkt erreicht, und brach doch immer
wieder von neuem aus. Tücher! Hüte! Mützen
flogen. Es wollte nicht enden.

"Der Krieg ist ja noch nicht erklärt, flüsterte
der Legationsrath; die Garde bleibt jedenfalls noch
in Berlin, wenn Ihr empfindsames Herz vielleicht
für einen dieser tapfern Krieger Besorgniß hegt."

Die Baronin sprach es nur für sich: "Er sieht
mich ja nicht an." Sie bereute schon den Selbst¬
verrath, als ihr Blick auf das verwunderte Gesicht
des Legationsrathes fiel. Er rückte einen Stuhl
heran.

"Theuerste Frau, hub er nach einer Pause an,
erlauben Sie ein Wort des Vertrauens. Sie waren
so gütig nur jüngsthin Ihres zu schenken, und es
ruht in dieser Brust, wie in einem Grabe."

"Ja, Sie sind solide."

"Verrath in so zarten Angelegenheiten halte ich,
wenigstens von der Lippe eines Mannes, für ein
unverzeihliches Verbrechen."

"Sie wissen ja alles."

"Ich hielt es für längst vorüber; das Spiel des
Windes auf einem Aehrenfelde."

"O es wird auch wohl so sein. Sie werden
recht haben, ganz recht, brach es aus der bewegten
Brust. Aber er verfolgte mich ja letzthin so auffällig."

latentiſch nicht umſonſt vernommen, war kein lebendes
Auge im Zimmer. Alle auf das Schauſpiel draußen
gerichtet. Prinz Louis ſelbſt ritt vorüber, der Jubel
hatte ſeinen Gipfelpunkt erreicht, und brach doch immer
wieder von neuem aus. Tücher! Hüte! Mützen
flogen. Es wollte nicht enden.

„Der Krieg iſt ja noch nicht erklärt, flüſterte
der Legationsrath; die Garde bleibt jedenfalls noch
in Berlin, wenn Ihr empfindſames Herz vielleicht
für einen dieſer tapfern Krieger Beſorgniß hegt.“

Die Baronin ſprach es nur für ſich: „Er ſieht
mich ja nicht an.“ Sie bereute ſchon den Selbſt¬
verrath, als ihr Blick auf das verwunderte Geſicht
des Legationsrathes fiel. Er rückte einen Stuhl
heran.

„Theuerſte Frau, hub er nach einer Pauſe an,
erlauben Sie ein Wort des Vertrauens. Sie waren
ſo gütig nur jüngſthin Ihres zu ſchenken, und es
ruht in dieſer Bruſt, wie in einem Grabe.“

„Ja, Sie ſind ſolide.“

„Verrath in ſo zarten Angelegenheiten halte ich,
wenigſtens von der Lippe eines Mannes, für ein
unverzeihliches Verbrechen.“

„Sie wiſſen ja alles.“

„Ich hielt es für längſt vorüber; das Spiel des
Windes auf einem Aehrenfelde.“

„O es wird auch wohl ſo ſein. Sie werden
recht haben, ganz recht, brach es aus der bewegten
Bruſt. Aber er verfolgte mich ja letzthin ſo auffällig.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0026" n="16"/>
latenti&#x017F;ch nicht um&#x017F;on&#x017F;t vernommen, war kein lebendes<lb/>
Auge im Zimmer. Alle auf das Schau&#x017F;piel draußen<lb/>
gerichtet. Prinz Louis &#x017F;elb&#x017F;t ritt vorüber, der Jubel<lb/>
hatte &#x017F;einen Gipfelpunkt erreicht, und brach doch immer<lb/>
wieder von neuem aus. Tücher! Hüte! Mützen<lb/>
flogen. Es wollte nicht enden.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Krieg i&#x017F;t ja noch nicht erklärt, flü&#x017F;terte<lb/>
der Legationsrath; die Garde bleibt jedenfalls noch<lb/>
in Berlin, wenn Ihr empfind&#x017F;ames Herz vielleicht<lb/>
für einen die&#x017F;er tapfern Krieger Be&#x017F;orgniß hegt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Baronin &#x017F;prach es nur für &#x017F;ich: &#x201E;Er &#x017F;ieht<lb/>
mich ja nicht an.&#x201C; Sie bereute &#x017F;chon den Selb&#x017F;<lb/>
verrath, als ihr Blick auf das verwunderte Ge&#x017F;icht<lb/>
des Legationsrathes fiel. Er rückte einen Stuhl<lb/>
heran.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Theuer&#x017F;te Frau, hub er nach einer Pau&#x017F;e an,<lb/>
erlauben Sie ein Wort des Vertrauens. Sie waren<lb/>
&#x017F;o gütig nur jüng&#x017F;thin Ihres zu &#x017F;chenken, und es<lb/>
ruht in die&#x017F;er Bru&#x017F;t, wie in einem Grabe.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, Sie &#x017F;ind &#x017F;olide.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Verrath in &#x017F;o zarten Angelegenheiten halte ich,<lb/>
wenig&#x017F;tens von der Lippe eines Mannes, für ein<lb/>
unverzeihliches Verbrechen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sie wi&#x017F;&#x017F;en ja alles.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich hielt es für läng&#x017F;t vorüber; das Spiel des<lb/>
Windes auf einem Aehrenfelde.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;O es wird auch wohl &#x017F;o &#x017F;ein. Sie werden<lb/>
recht haben, ganz recht, brach es aus der bewegten<lb/>
Bru&#x017F;t. Aber er verfolgte mich ja letzthin &#x017F;o auffällig.&#x201C;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0026] latentiſch nicht umſonſt vernommen, war kein lebendes Auge im Zimmer. Alle auf das Schauſpiel draußen gerichtet. Prinz Louis ſelbſt ritt vorüber, der Jubel hatte ſeinen Gipfelpunkt erreicht, und brach doch immer wieder von neuem aus. Tücher! Hüte! Mützen flogen. Es wollte nicht enden. „Der Krieg iſt ja noch nicht erklärt, flüſterte der Legationsrath; die Garde bleibt jedenfalls noch in Berlin, wenn Ihr empfindſames Herz vielleicht für einen dieſer tapfern Krieger Beſorgniß hegt.“ Die Baronin ſprach es nur für ſich: „Er ſieht mich ja nicht an.“ Sie bereute ſchon den Selbſt¬ verrath, als ihr Blick auf das verwunderte Geſicht des Legationsrathes fiel. Er rückte einen Stuhl heran. „Theuerſte Frau, hub er nach einer Pauſe an, erlauben Sie ein Wort des Vertrauens. Sie waren ſo gütig nur jüngſthin Ihres zu ſchenken, und es ruht in dieſer Bruſt, wie in einem Grabe.“ „Ja, Sie ſind ſolide.“ „Verrath in ſo zarten Angelegenheiten halte ich, wenigſtens von der Lippe eines Mannes, für ein unverzeihliches Verbrechen.“ „Sie wiſſen ja alles.“ „Ich hielt es für längſt vorüber; das Spiel des Windes auf einem Aehrenfelde.“ „O es wird auch wohl ſo ſein. Sie werden recht haben, ganz recht, brach es aus der bewegten Bruſt. Aber er verfolgte mich ja letzthin ſo auffällig.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/26
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/26>, abgerufen am 21.11.2024.