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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

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nicht an unsrer Sache, mein Herr, auch noch nicht an
unserm Vaterlande, und ich verzweifle auch nicht
an diesen hier, denn man kann nur verzweifeln, wo
man noch hoffte."

"Major --"

"Nicht mehr in preußischem Dienst. Meinen
Abschied, der jetzt ausgefertigt wird, haben Sie die
Gefälligkeit und schicken ihn mir nach, oder ver¬
brennen ihn. 'S ist gleichgültig."

"Wohin?"

"Nach Oestreich, so lange noch da ein Funken
glimmt. Nach Rußland, England, Spanien, wohin
es sei, wo Herzen schlagen, Männer athmen, welche
noch ein Gefühl für Schande haben."

Fuchsius hatte die Thür zugedrückt. Es war ein
Absteigequartier und ihm schien die Unterhaltung
nicht geeignet, um von andern Hausbewohnern be¬
lauscht zu werden. Aber Eisenhauch rief in der Ar¬
beit: "Wenn es Sie nicht genirt, was mich betrifft,
mögen Napoleons Spione Alles hören."

"Nur ein Wort. Großfürst Constantin und
Fürst Dolgorucki sind hier. Noch ist nichts verloren,
Sie belagern den König, sie dringen in ihn, daß
Preußen ein entscheidendes Wort spreche."

Eisenhauch lachte auf.

"Lachen Sie nicht. Keine Sprache ist hier so
wirksam, als die russische."

"Sagen Sie, als die der Furcht. Als ich bei
Ihrem Minister den Abschied forderte, drückte er mir

nicht an unſrer Sache, mein Herr, auch noch nicht an
unſerm Vaterlande, und ich verzweifle auch nicht
an dieſen hier, denn man kann nur verzweifeln, wo
man noch hoffte.“

„Major —“

„Nicht mehr in preußiſchem Dienſt. Meinen
Abſchied, der jetzt ausgefertigt wird, haben Sie die
Gefälligkeit und ſchicken ihn mir nach, oder ver¬
brennen ihn. 'S iſt gleichgültig.“

„Wohin?“

„Nach Oeſtreich, ſo lange noch da ein Funken
glimmt. Nach Rußland, England, Spanien, wohin
es ſei, wo Herzen ſchlagen, Männer athmen, welche
noch ein Gefühl für Schande haben.“

Fuchſius hatte die Thür zugedrückt. Es war ein
Abſteigequartier und ihm ſchien die Unterhaltung
nicht geeignet, um von andern Hausbewohnern be¬
lauſcht zu werden. Aber Eiſenhauch rief in der Ar¬
beit: „Wenn es Sie nicht genirt, was mich betrifft,
mögen Napoleons Spione Alles hören.“

„Nur ein Wort. Großfürſt Conſtantin und
Fürſt Dolgorucki ſind hier. Noch iſt nichts verloren,
Sie belagern den König, ſie dringen in ihn, daß
Preußen ein entſcheidendes Wort ſpreche.“

Eiſenhauch lachte auf.

„Lachen Sie nicht. Keine Sprache iſt hier ſo
wirkſam, als die ruſſiſche.“

„Sagen Sie, als die der Furcht. Als ich bei
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[288/0298] nicht an unſrer Sache, mein Herr, auch noch nicht an unſerm Vaterlande, und ich verzweifle auch nicht an dieſen hier, denn man kann nur verzweifeln, wo man noch hoffte.“ „Major —“ „Nicht mehr in preußiſchem Dienſt. Meinen Abſchied, der jetzt ausgefertigt wird, haben Sie die Gefälligkeit und ſchicken ihn mir nach, oder ver¬ brennen ihn. 'S iſt gleichgültig.“ „Wohin?“ „Nach Oeſtreich, ſo lange noch da ein Funken glimmt. Nach Rußland, England, Spanien, wohin es ſei, wo Herzen ſchlagen, Männer athmen, welche noch ein Gefühl für Schande haben.“ Fuchſius hatte die Thür zugedrückt. Es war ein Abſteigequartier und ihm ſchien die Unterhaltung nicht geeignet, um von andern Hausbewohnern be¬ lauſcht zu werden. Aber Eiſenhauch rief in der Ar¬ beit: „Wenn es Sie nicht genirt, was mich betrifft, mögen Napoleons Spione Alles hören.“ „Nur ein Wort. Großfürſt Conſtantin und Fürſt Dolgorucki ſind hier. Noch iſt nichts verloren, Sie belagern den König, ſie dringen in ihn, daß Preußen ein entſcheidendes Wort ſpreche.“ Eiſenhauch lachte auf. „Lachen Sie nicht. Keine Sprache iſt hier ſo wirkſam, als die ruſſiſche.“ „Sagen Sie, als die der Furcht. Als ich bei Ihrem Miniſter den Abſchied forderte, drückte er mir

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/298>, abgerufen am 24.11.2024.