Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Austerlitz ungestört schlagen konnte. Sah vom Ste¬
phansthurm mit einem Fernrohr nach Mähren, um
seine Worte abzuwiegen, je nachdem, ob er zum Sie¬
ger oder zum Besiegten zu sprechen hatte. Höll' und
Teufel -- verzeihen Sie, mein alter Freund -- ich
weiß auch, was Diplomatie ist, aber Macchiavell ist
ein Stümper vor solcher Politik. Die Reise nach
Mähren wird ein Brandfleck bleiben in der Preußi¬
schen Geschichte, ich fürchte, er zerlöchert das ganze
Buch. Der boshafteste Feind hätte nichts Schlim¬
meres ersinnen können. Doppelzüngigkeit ist ein mil¬
des Wort. Doppelsinnigkeit! eine doppelte Sinnlosig¬
keit, denn man weiß heute nicht, ob uns Oestreich
und Rußland mehr hassen, oder Napoleon mehr ver¬
achten muß. -- Wissen Sie's zu vertheidigen?"

Der Regierungsrath sagte nach kurzem Schwei¬
gen: "Nein! -- Ich überlasse Ihnen das volle Ver¬
dammungsrecht über das, was geschehen ist. Aber
es ist noch nicht Alles geschehen!"

"Der zweite Basler Frieden ward in Schön¬
brunn geschlossen, zehntausend Mal schmäliger als
der erste. Wollen Sie ihn noch durch einen dritten
überbieten lassen!"

"Der Vertrag von Schönbrunn ist noch nicht
ratificirt, Herr von Eisenhauch. Bis er es ist, las¬
sen Sie uns, lassen Sie mich wenigstens hoffen.
Wir sollen Anspach an Baiern abtreten, Cleve, We¬
sel, Neuschatel an Frankreich, und erhalten dafür das
Danaer-Geschenk, die Erlaubniß Napoleons, uns an

Auſterlitz ungeſtört ſchlagen konnte. Sah vom Ste¬
phansthurm mit einem Fernrohr nach Mähren, um
ſeine Worte abzuwiegen, je nachdem, ob er zum Sie¬
ger oder zum Beſiegten zu ſprechen hatte. Höll' und
Teufel — verzeihen Sie, mein alter Freund — ich
weiß auch, was Diplomatie iſt, aber Macchiavell iſt
ein Stümper vor ſolcher Politik. Die Reiſe nach
Mähren wird ein Brandfleck bleiben in der Preußi¬
ſchen Geſchichte, ich fürchte, er zerlöchert das ganze
Buch. Der boshafteſte Feind hätte nichts Schlim¬
meres erſinnen können. Doppelzüngigkeit iſt ein mil¬
des Wort. Doppelſinnigkeit! eine doppelte Sinnloſig¬
keit, denn man weiß heute nicht, ob uns Oeſtreich
und Rußland mehr haſſen, oder Napoleon mehr ver¬
achten muß. — Wiſſen Sie's zu vertheidigen?“

Der Regierungsrath ſagte nach kurzem Schwei¬
gen: „Nein! — Ich überlaſſe Ihnen das volle Ver¬
dammungsrecht über das, was geſchehen iſt. Aber
es iſt noch nicht Alles geſchehen!“

„Der zweite Basler Frieden ward in Schön¬
brunn geſchloſſen, zehntauſend Mal ſchmäliger als
der erſte. Wollen Sie ihn noch durch einen dritten
überbieten laſſen!“

„Der Vertrag von Schönbrunn iſt noch nicht
ratificirt, Herr von Eiſenhauch. Bis er es iſt, laſ¬
ſen Sie uns, laſſen Sie mich wenigſtens hoffen.
Wir ſollen Anſpach an Baiern abtreten, Cleve, We¬
ſel, Neuſchatel an Frankreich, und erhalten dafür das
Danaer-Geſchenk, die Erlaubniß Napoleons, uns an

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0300" n="290"/>
Au&#x017F;terlitz unge&#x017F;tört &#x017F;chlagen konnte. Sah vom Ste¬<lb/>
phansthurm mit einem Fernrohr nach Mähren, um<lb/>
&#x017F;eine Worte abzuwiegen, je nachdem, ob er zum Sie¬<lb/>
ger oder zum Be&#x017F;iegten zu &#x017F;prechen hatte. Höll' und<lb/>
Teufel &#x2014; verzeihen Sie, mein alter Freund &#x2014; ich<lb/>
weiß auch, was Diplomatie i&#x017F;t, aber Macchiavell i&#x017F;t<lb/>
ein Stümper vor &#x017F;olcher Politik. Die Rei&#x017F;e nach<lb/>
Mähren wird ein Brandfleck bleiben in der Preußi¬<lb/>
&#x017F;chen Ge&#x017F;chichte, ich fürchte, er zerlöchert das ganze<lb/>
Buch. Der boshafte&#x017F;te Feind hätte nichts Schlim¬<lb/>
meres er&#x017F;innen können. Doppelzüngigkeit i&#x017F;t ein mil¬<lb/>
des Wort. Doppel&#x017F;innigkeit! eine doppelte Sinnlo&#x017F;ig¬<lb/>
keit, denn man weiß heute nicht, ob uns Oe&#x017F;treich<lb/>
und Rußland mehr ha&#x017F;&#x017F;en, oder Napoleon mehr ver¬<lb/>
achten muß. &#x2014; Wi&#x017F;&#x017F;en Sie's zu vertheidigen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Regierungsrath &#x017F;agte nach kurzem Schwei¬<lb/>
gen: &#x201E;Nein! &#x2014; Ich überla&#x017F;&#x017F;e Ihnen das volle Ver¬<lb/>
dammungsrecht über das, was ge&#x017F;chehen i&#x017F;t. Aber<lb/>
es i&#x017F;t noch nicht Alles ge&#x017F;chehen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der zweite Basler Frieden ward in Schön¬<lb/>
brunn ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, zehntau&#x017F;end Mal &#x017F;chmäliger als<lb/>
der er&#x017F;te. Wollen Sie ihn noch durch einen dritten<lb/>
überbieten la&#x017F;&#x017F;en!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Vertrag von Schönbrunn <hi rendition="#g">i&#x017F;t</hi> noch nicht<lb/>
ratificirt, Herr von Ei&#x017F;enhauch. Bis er es i&#x017F;t, la&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en Sie uns, la&#x017F;&#x017F;en Sie <hi rendition="#g">mich</hi> wenig&#x017F;tens hoffen.<lb/>
Wir &#x017F;ollen An&#x017F;pach an Baiern abtreten, Cleve, We¬<lb/>
&#x017F;el, Neu&#x017F;chatel an Frankreich, und erhalten dafür das<lb/>
Danaer-Ge&#x017F;chenk, die Erlaubniß Napoleons, uns an<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[290/0300] Auſterlitz ungeſtört ſchlagen konnte. Sah vom Ste¬ phansthurm mit einem Fernrohr nach Mähren, um ſeine Worte abzuwiegen, je nachdem, ob er zum Sie¬ ger oder zum Beſiegten zu ſprechen hatte. Höll' und Teufel — verzeihen Sie, mein alter Freund — ich weiß auch, was Diplomatie iſt, aber Macchiavell iſt ein Stümper vor ſolcher Politik. Die Reiſe nach Mähren wird ein Brandfleck bleiben in der Preußi¬ ſchen Geſchichte, ich fürchte, er zerlöchert das ganze Buch. Der boshafteſte Feind hätte nichts Schlim¬ meres erſinnen können. Doppelzüngigkeit iſt ein mil¬ des Wort. Doppelſinnigkeit! eine doppelte Sinnloſig¬ keit, denn man weiß heute nicht, ob uns Oeſtreich und Rußland mehr haſſen, oder Napoleon mehr ver¬ achten muß. — Wiſſen Sie's zu vertheidigen?“ Der Regierungsrath ſagte nach kurzem Schwei¬ gen: „Nein! — Ich überlaſſe Ihnen das volle Ver¬ dammungsrecht über das, was geſchehen iſt. Aber es iſt noch nicht Alles geſchehen!“ „Der zweite Basler Frieden ward in Schön¬ brunn geſchloſſen, zehntauſend Mal ſchmäliger als der erſte. Wollen Sie ihn noch durch einen dritten überbieten laſſen!“ „Der Vertrag von Schönbrunn iſt noch nicht ratificirt, Herr von Eiſenhauch. Bis er es iſt, laſ¬ ſen Sie uns, laſſen Sie mich wenigſtens hoffen. Wir ſollen Anſpach an Baiern abtreten, Cleve, We¬ ſel, Neuſchatel an Frankreich, und erhalten dafür das Danaer-Geſchenk, die Erlaubniß Napoleons, uns an

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/300
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/300>, abgerufen am 24.11.2024.