Die kurze Zwischenzeit, wo Walter und Adelheid zugleich hinausgestürzt waren, um nach einem Arzt zu schicken, und die noch Anwesenden Miene machten sich zu entfernen, füllte Charlotte mit ihren Lamen¬ tationen, bis die Geheimräthin, welche Wandels Ab¬ weisung etwas pikirt zu haben schien, ihr ins Wort fiel: sie meinte, hier sei doch nichts zu beklagen als ein Ungeschick, ein trauriger Zufall oder die vernach¬ lässigte Erziehung der Kinder.
Das Glück wollte, daß ein Regimentsarzt schon vor dem Hause angetroffen ward, und auch der Vater der Kinder vom abgeschickten Boten bereits auf dem Herwege gefunden und benachrichtigt war. Der Chirurg erklärte allerdings beider Zustand für gefähr¬ licher, als die Geheimräthin gedacht; Malwine, deren Natur sich nicht selbst geholfen, bedürfe eines Blut¬ lasses; aber er mußte die heran geholte Lanzette noch sinken lassen, weil die Wunde an der Schläfe des Knaben so nahe an eine Arterie streifte, daß wenn er nicht rasch hier mit einem Verbande zu Hülfe komme, eine Verblutung zu besorgen stand. Wir wissen wirklich nicht, ob es, nachdem dieser Verband erfolgt, noch nöthig ward auch das Blut des kleinen Mädchens zu fordern, denn die Kinder wurden in eine Nebenstube geschafft, und der Legationsrath, der hülfreiche Hand dabei geleistet, erklärte, als er zurück kam, er hoffe, daß andre Mittel ausreichen würden.
Aber um die Peinlichkeit der Situation für die noch Gebliebnen zu vermehren, erhob sich in der
Die kurze Zwiſchenzeit, wo Walter und Adelheid zugleich hinausgeſtürzt waren, um nach einem Arzt zu ſchicken, und die noch Anweſenden Miene machten ſich zu entfernen, füllte Charlotte mit ihren Lamen¬ tationen, bis die Geheimräthin, welche Wandels Ab¬ weiſung etwas pikirt zu haben ſchien, ihr ins Wort fiel: ſie meinte, hier ſei doch nichts zu beklagen als ein Ungeſchick, ein trauriger Zufall oder die vernach¬ läſſigte Erziehung der Kinder.
Das Glück wollte, daß ein Regimentsarzt ſchon vor dem Hauſe angetroffen ward, und auch der Vater der Kinder vom abgeſchickten Boten bereits auf dem Herwege gefunden und benachrichtigt war. Der Chirurg erklärte allerdings beider Zuſtand für gefähr¬ licher, als die Geheimräthin gedacht; Malwine, deren Natur ſich nicht ſelbſt geholfen, bedürfe eines Blut¬ laſſes; aber er mußte die heran geholte Lanzette noch ſinken laſſen, weil die Wunde an der Schläfe des Knaben ſo nahe an eine Arterie ſtreifte, daß wenn er nicht raſch hier mit einem Verbande zu Hülfe komme, eine Verblutung zu beſorgen ſtand. Wir wiſſen wirklich nicht, ob es, nachdem dieſer Verband erfolgt, noch nöthig ward auch das Blut des kleinen Mädchens zu fordern, denn die Kinder wurden in eine Nebenſtube geſchafft, und der Legationsrath, der hülfreiche Hand dabei geleiſtet, erklärte, als er zurück kam, er hoffe, daß andre Mittel ausreichen würden.
Aber um die Peinlichkeit der Situation für die noch Gebliebnen zu vermehren, erhob ſich in der
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0037"n="27"/><p>Die kurze Zwiſchenzeit, wo Walter und Adelheid<lb/>
zugleich hinausgeſtürzt waren, um nach einem Arzt<lb/>
zu ſchicken, und die noch Anweſenden Miene machten<lb/>ſich zu entfernen, füllte Charlotte mit ihren Lamen¬<lb/>
tationen, bis die Geheimräthin, welche Wandels Ab¬<lb/>
weiſung etwas pikirt zu haben ſchien, ihr ins Wort<lb/>
fiel: ſie meinte, hier ſei doch nichts zu beklagen als<lb/>
ein Ungeſchick, ein trauriger Zufall oder die vernach¬<lb/>
läſſigte Erziehung der Kinder.</p><lb/><p>Das Glück wollte, daß ein Regimentsarzt ſchon<lb/>
vor dem Hauſe angetroffen ward, und auch der Vater<lb/>
der Kinder vom abgeſchickten Boten bereits auf dem<lb/>
Herwege gefunden und benachrichtigt war. Der<lb/>
Chirurg erklärte allerdings beider Zuſtand für gefähr¬<lb/>
licher, als die Geheimräthin gedacht; Malwine, deren<lb/>
Natur ſich nicht ſelbſt geholfen, bedürfe eines Blut¬<lb/>
laſſes; aber er mußte die heran geholte Lanzette noch<lb/>ſinken laſſen, weil die Wunde an der Schläfe des<lb/>
Knaben ſo nahe an eine Arterie ſtreifte, daß wenn<lb/>
er nicht raſch hier mit einem Verbande zu Hülfe<lb/>
komme, eine Verblutung zu beſorgen ſtand. Wir<lb/>
wiſſen wirklich nicht, ob es, nachdem dieſer Verband<lb/>
erfolgt, noch nöthig ward auch das Blut des kleinen<lb/>
Mädchens zu fordern, denn die Kinder wurden in<lb/>
eine Nebenſtube geſchafft, und der Legationsrath, der<lb/>
hülfreiche Hand dabei geleiſtet, erklärte, als er zurück<lb/>
kam, er hoffe, daß andre Mittel ausreichen würden.</p><lb/><p>Aber um die Peinlichkeit der Situation für die<lb/>
noch Gebliebnen zu vermehren, erhob ſich in der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[27/0037]
Die kurze Zwiſchenzeit, wo Walter und Adelheid
zugleich hinausgeſtürzt waren, um nach einem Arzt
zu ſchicken, und die noch Anweſenden Miene machten
ſich zu entfernen, füllte Charlotte mit ihren Lamen¬
tationen, bis die Geheimräthin, welche Wandels Ab¬
weiſung etwas pikirt zu haben ſchien, ihr ins Wort
fiel: ſie meinte, hier ſei doch nichts zu beklagen als
ein Ungeſchick, ein trauriger Zufall oder die vernach¬
läſſigte Erziehung der Kinder.
Das Glück wollte, daß ein Regimentsarzt ſchon
vor dem Hauſe angetroffen ward, und auch der Vater
der Kinder vom abgeſchickten Boten bereits auf dem
Herwege gefunden und benachrichtigt war. Der
Chirurg erklärte allerdings beider Zuſtand für gefähr¬
licher, als die Geheimräthin gedacht; Malwine, deren
Natur ſich nicht ſelbſt geholfen, bedürfe eines Blut¬
laſſes; aber er mußte die heran geholte Lanzette noch
ſinken laſſen, weil die Wunde an der Schläfe des
Knaben ſo nahe an eine Arterie ſtreifte, daß wenn
er nicht raſch hier mit einem Verbande zu Hülfe
komme, eine Verblutung zu beſorgen ſtand. Wir
wiſſen wirklich nicht, ob es, nachdem dieſer Verband
erfolgt, noch nöthig ward auch das Blut des kleinen
Mädchens zu fordern, denn die Kinder wurden in
eine Nebenſtube geſchafft, und der Legationsrath, der
hülfreiche Hand dabei geleiſtet, erklärte, als er zurück
kam, er hoffe, daß andre Mittel ausreichen würden.
Aber um die Peinlichkeit der Situation für die
noch Gebliebnen zu vermehren, erhob ſich in der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/37>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.