die Ehrerbietung und gerührte Dankbarkeit, mit der sie sonst von dieser gütigen und unvergleichlichen Frau Abschied nahm. Kaum aber war sie die Treppe hin¬ unter, als es die Brust nicht mehr hielt: "Mann, hast Du gehört, Ihre Majestät die Königin hat sich nach unsrer Adelheid erkundigt!" -- Der Mann sagte: "Hm!" und meinte, man müsse auch nicht alles glau¬ ben, was vornehme Leute sagen. "Aber, erwiederte sie, eine Fürstin kann doch nicht lügen!" Und als er meinte, es könne wohl etwas daran sein, es werde aber nicht alles so sein, sprach sie: "Daß aber die Königin auch nur von unsrer Tochter weiß, daß sie überhaupt auf der Welt ist, das hattest Du und ich uns doch nicht im Traume einfallen lassen!" Sie hatte immer geglaubt, die Könige wüßten von den einzelnen Menschen gar nichts, und die Individuen verschwömmen ihnen, wie man von einem hohen Berge eine Landschaft sieht.
Walter und Adelheid nahmen im Vorzimmer Abschied. Es mußte auch hier etwas von Verstim¬ mung sein. Sie meinte, er hätte sich doch überwinden können und zuvorkommender gegen ihre Eltern sein. Er sagte, es habe ihm etwas die Brust zugeschnürt. Sie entgegnete, auch auf ihrer Brust laste es wie ein Alp -- "und ich überwinde es doch," sagte sie, und zwang ihr Gesicht zu einem heiter lächelnden Ausdruck.
"Wenn ich Dich erst aus diesem Hause fort¬ wüßte," sagte er nach einer Pause.
III. 3
die Ehrerbietung und gerührte Dankbarkeit, mit der ſie ſonſt von dieſer gütigen und unvergleichlichen Frau Abſchied nahm. Kaum aber war ſie die Treppe hin¬ unter, als es die Bruſt nicht mehr hielt: „Mann, haſt Du gehört, Ihre Majeſtät die Königin hat ſich nach unſrer Adelheid erkundigt!“ — Der Mann ſagte: „Hm!“ und meinte, man müſſe auch nicht alles glau¬ ben, was vornehme Leute ſagen. „Aber, erwiederte ſie, eine Fürſtin kann doch nicht lügen!“ Und als er meinte, es könne wohl etwas daran ſein, es werde aber nicht alles ſo ſein, ſprach ſie: „Daß aber die Königin auch nur von unſrer Tochter weiß, daß ſie überhaupt auf der Welt iſt, das hatteſt Du und ich uns doch nicht im Traume einfallen laſſen!“ Sie hatte immer geglaubt, die Könige wüßten von den einzelnen Menſchen gar nichts, und die Individuen verſchwömmen ihnen, wie man von einem hohen Berge eine Landſchaft ſieht.
Walter und Adelheid nahmen im Vorzimmer Abſchied. Es mußte auch hier etwas von Verſtim¬ mung ſein. Sie meinte, er hätte ſich doch überwinden können und zuvorkommender gegen ihre Eltern ſein. Er ſagte, es habe ihm etwas die Bruſt zugeſchnürt. Sie entgegnete, auch auf ihrer Bruſt laſte es wie ein Alp — „und ich überwinde es doch,“ ſagte ſie, und zwang ihr Geſicht zu einem heiter lächelnden Ausdruck.
„Wenn ich Dich erſt aus dieſem Hauſe fort¬ wüßte,“ ſagte er nach einer Pauſe.
III. 3
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die Ehrerbietung und gerührte Dankbarkeit, mit der
ſie ſonſt von dieſer gütigen und unvergleichlichen Frau
Abſchied nahm. Kaum aber war ſie die Treppe hin¬
unter, als es die Bruſt nicht mehr hielt: „Mann,
haſt Du gehört, Ihre Majeſtät die Königin hat ſich
nach unſrer Adelheid erkundigt!“ — Der Mann ſagte:
„Hm!“ und meinte, man müſſe auch nicht alles glau¬
ben, was vornehme Leute ſagen. „Aber, erwiederte
ſie, eine Fürſtin kann doch nicht lügen!“ Und als
er meinte, es könne wohl etwas daran ſein, es werde
aber nicht alles ſo ſein, ſprach ſie: „Daß aber die
Königin auch nur von unſrer Tochter weiß, daß ſie
überhaupt auf der Welt iſt, das hatteſt Du und ich
uns doch nicht im Traume einfallen laſſen!“ Sie
hatte immer geglaubt, die Könige wüßten von den
einzelnen Menſchen gar nichts, und die Individuen
verſchwömmen ihnen, wie man von einem hohen Berge
eine Landſchaft ſieht.
Walter und Adelheid nahmen im Vorzimmer
Abſchied. Es mußte auch hier etwas von Verſtim¬
mung ſein. Sie meinte, er hätte ſich doch überwinden
können und zuvorkommender gegen ihre Eltern ſein.
Er ſagte, es habe ihm etwas die Bruſt zugeſchnürt.
Sie entgegnete, auch auf ihrer Bruſt laſte es wie
ein Alp — „und ich überwinde es doch,“ ſagte ſie,
und zwang ihr Geſicht zu einem heiter lächelnden
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„Wenn ich Dich erſt aus dieſem Hauſe fort¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/43>, abgerufen am 21.11.2024.
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