"Habe doch immer vernommen" -- fiel der Kriegs¬ rath ein.
"Daß der alte van Asten einen Bock geschossen hat. I ja, das passirt dem Klügsten. Nu laß ich ihn austoben, die Hörner ablaufen. Wissen Sie, wie viel Hörner mein Sohn schon ablief? Kein Hirsch hat so viel Geweihe im Wald abgeworfen. Habe sie mir alle gesammelt. Das macht mir sehr viel Freude. Noch mehr wird's machen, wenn ich sie ihm zeigen kann, wenn er kommt wie der verlorne Sohn und ans Thor klopft. Wird Ihnen auch so gehn, wenn sie sanft an der Klingel zieht, und, das Tuch an den Augen, weinerlich anfängt: Lieber Papa! Freilich bei einer verlornen Tochter ist es etwas anderes als bei einem verlornen Sohn --"
"Mein Herr van Asten! sagte der Kriegsrath und hob sich in seinem Stuhle. Ich hoffe doch nicht --"
"Daß ich etwas Injuriöses gemeint hatte! I Gott bewahre! Ich sollte mich in Injurienprozesse einlassen! Ich, ein solider Geschäftsmann, in ein Geschäft wo man nur verlieren und nie gewinnen kann. Nein, wenn's sein muß, lieber baar zahlen! Wenn der eine das Gold liebt, auch wenn's schmutzig ist, so liebt der andre, wenn's glänzt, auch wenn's nur ganz dünn ist. Ist ja wahre Gottes Gnade, daß wir nicht alle dasselbe lieben. Wo sollte es raus! Sie möchten mit Ihrer Tochter hoch hinaus. Ist ganz recht von Ihnen. Man muß anschlagen was
„Habe doch immer vernommen“ — fiel der Kriegs¬ rath ein.
„Daß der alte van Aſten einen Bock geſchoſſen hat. I ja, das paſſirt dem Klügſten. Nu laß ich ihn austoben, die Hörner ablaufen. Wiſſen Sie, wie viel Hörner mein Sohn ſchon ablief? Kein Hirſch hat ſo viel Geweihe im Wald abgeworfen. Habe ſie mir alle geſammelt. Das macht mir ſehr viel Freude. Noch mehr wird's machen, wenn ich ſie ihm zeigen kann, wenn er kommt wie der verlorne Sohn und ans Thor klopft. Wird Ihnen auch ſo gehn, wenn ſie ſanft an der Klingel zieht, und, das Tuch an den Augen, weinerlich anfängt: Lieber Papa! Freilich bei einer verlornen Tochter iſt es etwas anderes als bei einem verlornen Sohn —“
„Mein Herr van Aſten! ſagte der Kriegsrath und hob ſich in ſeinem Stuhle. Ich hoffe doch nicht —“
„Daß ich etwas Injuriöſes gemeint hatte! I Gott bewahre! Ich ſollte mich in Injurienprozeſſe einlaſſen! Ich, ein ſolider Geſchäftsmann, in ein Geſchäft wo man nur verlieren und nie gewinnen kann. Nein, wenn's ſein muß, lieber baar zahlen! Wenn der eine das Gold liebt, auch wenn's ſchmutzig iſt, ſo liebt der andre, wenn's glänzt, auch wenn's nur ganz dünn iſt. Iſt ja wahre Gottes Gnade, daß wir nicht alle daſſelbe lieben. Wo ſollte es raus! Sie möchten mit Ihrer Tochter hoch hinaus. Iſt ganz recht von Ihnen. Man muß anſchlagen was
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0073"n="63"/><p>„Habe doch immer vernommen“— fiel der Kriegs¬<lb/>
rath ein.</p><lb/><p>„Daß der alte van Aſten einen Bock geſchoſſen<lb/>
hat. I ja, das paſſirt dem Klügſten. Nu laß ich<lb/>
ihn austoben, die Hörner ablaufen. Wiſſen Sie,<lb/>
wie viel Hörner mein Sohn ſchon ablief? Kein Hirſch<lb/>
hat ſo viel Geweihe im Wald abgeworfen. Habe ſie<lb/>
mir alle geſammelt. Das macht mir ſehr viel Freude.<lb/>
Noch mehr wird's machen, wenn ich ſie ihm zeigen<lb/>
kann, wenn er kommt wie der verlorne Sohn und<lb/>
ans Thor klopft. Wird Ihnen auch ſo gehn, wenn<lb/>ſie ſanft an der Klingel zieht, und, das Tuch an den<lb/>
Augen, weinerlich anfängt: Lieber Papa! Freilich bei<lb/>
einer verlornen Tochter iſt es etwas anderes als bei<lb/>
einem verlornen Sohn —“</p><lb/><p>„Mein Herr van Aſten! ſagte der Kriegsrath<lb/>
und hob ſich in ſeinem Stuhle. Ich hoffe doch<lb/>
nicht —“</p><lb/><p>„Daß ich etwas Injuriöſes gemeint hatte! I<lb/>
Gott bewahre! Ich ſollte mich in Injurienprozeſſe<lb/>
einlaſſen! Ich, ein ſolider Geſchäftsmann, in ein<lb/>
Geſchäft wo man nur verlieren und nie gewinnen<lb/>
kann. Nein, wenn's ſein muß, lieber baar zahlen!<lb/>
Wenn der eine das Gold liebt, auch wenn's ſchmutzig<lb/>
iſt, ſo liebt der andre, wenn's glänzt, auch wenn's<lb/>
nur ganz dünn iſt. Iſt ja wahre Gottes Gnade, daß<lb/>
wir nicht alle daſſelbe lieben. Wo ſollte es raus!<lb/>
Sie möchten mit Ihrer Tochter hoch hinaus. Iſt<lb/>
ganz recht von Ihnen. Man muß anſchlagen was<lb/></p></div></body></text></TEI>
[63/0073]
„Habe doch immer vernommen“ — fiel der Kriegs¬
rath ein.
„Daß der alte van Aſten einen Bock geſchoſſen
hat. I ja, das paſſirt dem Klügſten. Nu laß ich
ihn austoben, die Hörner ablaufen. Wiſſen Sie,
wie viel Hörner mein Sohn ſchon ablief? Kein Hirſch
hat ſo viel Geweihe im Wald abgeworfen. Habe ſie
mir alle geſammelt. Das macht mir ſehr viel Freude.
Noch mehr wird's machen, wenn ich ſie ihm zeigen
kann, wenn er kommt wie der verlorne Sohn und
ans Thor klopft. Wird Ihnen auch ſo gehn, wenn
ſie ſanft an der Klingel zieht, und, das Tuch an den
Augen, weinerlich anfängt: Lieber Papa! Freilich bei
einer verlornen Tochter iſt es etwas anderes als bei
einem verlornen Sohn —“
„Mein Herr van Aſten! ſagte der Kriegsrath
und hob ſich in ſeinem Stuhle. Ich hoffe doch
nicht —“
„Daß ich etwas Injuriöſes gemeint hatte! I
Gott bewahre! Ich ſollte mich in Injurienprozeſſe
einlaſſen! Ich, ein ſolider Geſchäftsmann, in ein
Geſchäft wo man nur verlieren und nie gewinnen
kann. Nein, wenn's ſein muß, lieber baar zahlen!
Wenn der eine das Gold liebt, auch wenn's ſchmutzig
iſt, ſo liebt der andre, wenn's glänzt, auch wenn's
nur ganz dünn iſt. Iſt ja wahre Gottes Gnade, daß
wir nicht alle daſſelbe lieben. Wo ſollte es raus!
Sie möchten mit Ihrer Tochter hoch hinaus. Iſt
ganz recht von Ihnen. Man muß anſchlagen was
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/73>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.