es sah, daß er sich auch geändert, dies konnte ganz andre Empfindungen in ihr geweckt haben. Er hatte ja auch Augen, und was er gesehen, ließ er sich nicht abstreiten. Diese Verwandlung ihres Sinnes konnte nun denen nicht mehr zu Sinn sein, die anfänglich mitgespielt. Sie waren es, die jetzt die Contreminen legten, die ihn wieder ihr entfremden, ihn von ihr trennen wollten. Daher diese Briefe in ganz ver¬ ändertem Tone, diese Mahnungen, Drohungen sogar, abzulassen von Verfolgungen, die eine edle Frau tief kränken müßten.
Der Rittmeister Stier von Dohleneck hatte das Schwert gezogen um den Knoten zu durchhauen, er wollte Licht haben -- Wahrheit. Er wollte am hellen Tage in ihre Wohnung treten, sich mit seinem vollen Namen melden lassen und um eine Unterredung unter vier Augen bitten. Wer den Rittmeister von Doh¬ leneck kannte, wußte, daß das ein ungeheurer Entschluß war. Und ein ganz freier und ein geheimer, -- er theilte ihn Niemand mit.
An dem Tage, als die ersten Regimenter von der Weichsel durchmarschirten, hatte er ihn gefaßt. Es war der Augenblick, als sein Pferd, oder er, bei ihrem Anblick am Fenster unruhig geworden und Kehrt gemacht hatten. Er war sehr unzufrieden mit sich zurückgekehrt, er hatte sich gesagt: ein Soldat dürfe nie Kehrt machen vor einer Gefahr, ob wirklich, ob scheinbar. Gerade hier ist es seine Pflicht, zu recognosci¬ ren, und nicht zu weichen, bis er -- rapportiren kann.
es ſah, daß er ſich auch geändert, dies konnte ganz andre Empfindungen in ihr geweckt haben. Er hatte ja auch Augen, und was er geſehen, ließ er ſich nicht abſtreiten. Dieſe Verwandlung ihres Sinnes konnte nun denen nicht mehr zu Sinn ſein, die anfänglich mitgeſpielt. Sie waren es, die jetzt die Contreminen legten, die ihn wieder ihr entfremden, ihn von ihr trennen wollten. Daher dieſe Briefe in ganz ver¬ ändertem Tone, dieſe Mahnungen, Drohungen ſogar, abzulaſſen von Verfolgungen, die eine edle Frau tief kränken müßten.
Der Rittmeiſter Stier von Dohleneck hatte das Schwert gezogen um den Knoten zu durchhauen, er wollte Licht haben — Wahrheit. Er wollte am hellen Tage in ihre Wohnung treten, ſich mit ſeinem vollen Namen melden laſſen und um eine Unterredung unter vier Augen bitten. Wer den Rittmeiſter von Doh¬ leneck kannte, wußte, daß das ein ungeheurer Entſchluß war. Und ein ganz freier und ein geheimer, — er theilte ihn Niemand mit.
An dem Tage, als die erſten Regimenter von der Weichſel durchmarſchirten, hatte er ihn gefaßt. Es war der Augenblick, als ſein Pferd, oder er, bei ihrem Anblick am Fenſter unruhig geworden und Kehrt gemacht hatten. Er war ſehr unzufrieden mit ſich zurückgekehrt, er hatte ſich geſagt: ein Soldat dürfe nie Kehrt machen vor einer Gefahr, ob wirklich, ob ſcheinbar. Gerade hier iſt es ſeine Pflicht, zu recognosci¬ ren, und nicht zu weichen, bis er — rapportiren kann.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0084"n="74"/>
es ſah, daß er ſich auch geändert, dies konnte ganz<lb/>
andre Empfindungen in ihr geweckt haben. Er hatte<lb/>
ja auch Augen, und was er geſehen, ließ er ſich nicht<lb/>
abſtreiten. Dieſe Verwandlung ihres Sinnes konnte<lb/>
nun denen nicht mehr zu Sinn ſein, die anfänglich<lb/>
mitgeſpielt. Sie waren es, die jetzt die Contreminen<lb/>
legten, die ihn wieder ihr entfremden, ihn von ihr<lb/>
trennen wollten. Daher dieſe Briefe in ganz ver¬<lb/>
ändertem Tone, dieſe Mahnungen, Drohungen ſogar,<lb/>
abzulaſſen von Verfolgungen, die eine edle Frau tief<lb/>
kränken müßten.</p><lb/><p>Der Rittmeiſter Stier von Dohleneck hatte das<lb/>
Schwert gezogen um den Knoten zu durchhauen, er<lb/>
wollte Licht haben — Wahrheit. Er wollte am hellen<lb/>
Tage in ihre Wohnung treten, ſich mit ſeinem vollen<lb/>
Namen melden laſſen und um eine Unterredung unter<lb/>
vier Augen bitten. Wer den Rittmeiſter von Doh¬<lb/>
leneck kannte, wußte, daß das ein ungeheurer Entſchluß<lb/>
war. Und ein ganz freier und ein geheimer, — er<lb/>
theilte ihn Niemand mit.</p><lb/><p>An dem Tage, als die erſten Regimenter von<lb/>
der Weichſel durchmarſchirten, hatte er ihn gefaßt.<lb/>
Es war der Augenblick, als ſein Pferd, oder er, bei<lb/>
ihrem Anblick am Fenſter unruhig geworden und<lb/>
Kehrt gemacht hatten. Er war ſehr unzufrieden mit<lb/>ſich zurückgekehrt, er hatte ſich geſagt: ein Soldat<lb/>
dürfe nie Kehrt machen vor einer Gefahr, ob wirklich, ob<lb/>ſcheinbar. Gerade hier iſt es ſeine Pflicht, zu recognosci¬<lb/>
ren, und nicht zu weichen, bis er — rapportiren kann.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[74/0084]
es ſah, daß er ſich auch geändert, dies konnte ganz
andre Empfindungen in ihr geweckt haben. Er hatte
ja auch Augen, und was er geſehen, ließ er ſich nicht
abſtreiten. Dieſe Verwandlung ihres Sinnes konnte
nun denen nicht mehr zu Sinn ſein, die anfänglich
mitgeſpielt. Sie waren es, die jetzt die Contreminen
legten, die ihn wieder ihr entfremden, ihn von ihr
trennen wollten. Daher dieſe Briefe in ganz ver¬
ändertem Tone, dieſe Mahnungen, Drohungen ſogar,
abzulaſſen von Verfolgungen, die eine edle Frau tief
kränken müßten.
Der Rittmeiſter Stier von Dohleneck hatte das
Schwert gezogen um den Knoten zu durchhauen, er
wollte Licht haben — Wahrheit. Er wollte am hellen
Tage in ihre Wohnung treten, ſich mit ſeinem vollen
Namen melden laſſen und um eine Unterredung unter
vier Augen bitten. Wer den Rittmeiſter von Doh¬
leneck kannte, wußte, daß das ein ungeheurer Entſchluß
war. Und ein ganz freier und ein geheimer, — er
theilte ihn Niemand mit.
An dem Tage, als die erſten Regimenter von
der Weichſel durchmarſchirten, hatte er ihn gefaßt.
Es war der Augenblick, als ſein Pferd, oder er, bei
ihrem Anblick am Fenſter unruhig geworden und
Kehrt gemacht hatten. Er war ſehr unzufrieden mit
ſich zurückgekehrt, er hatte ſich geſagt: ein Soldat
dürfe nie Kehrt machen vor einer Gefahr, ob wirklich, ob
ſcheinbar. Gerade hier iſt es ſeine Pflicht, zu recognosci¬
ren, und nicht zu weichen, bis er — rapportiren kann.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/84>, abgerufen am 09.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.