wenig, daß Herr von Dohleneck das arme Thier auf der Straße mit Absicht mißhandeln konnte, als ich glauben mag, daß ein Cavalier von Ihrem Herzen und Ihrer Ritterlichkeit ein Vergnügen darin finden kann, eine unglückliche Frau, die in Thränen sitzt, noch unglücklicher zu machen."
Und noch blieb der Rittmeister muthig. Die Klingel hielt er in der Hand, als ein Hundegeklaff gegen die Thür stürzt. Das war der Hund des Aubry, die Kraniche des Ibycus. "Nein, mein Joly, der häßliche Mensch, der soll dir nicht wieder was thun," hörte er die Stimme des Kammer¬ mädchens. -- Er hatte nicht geklingelt; er war wieder auf der Straße. Joly knurrte hinter ihm am Fenster.
Und seitdem hörte der Rittmeister, wo er die Augen schloß, den Mops knurren und die Baronin weinen. "Alles um Dich!" Er hatte wohl daran gedacht, sich in eine andre Garnison versetzen zu lassen; aber seine Schulden und seine Ehre! Nun kam ein tröstender Engel. Der Krieg befreit einen Militair von den Verfolgungen seiner Gläubiger und einen Liebenden von denen seiner Phantasie. Zu dieser trostreichen Ueberzeugung war der Rittmeister Stier von Dohleneck in dem Augenblick gelangt, er wollte auf diesen Tröster in der Noth ein Glas leeren, als, zu seiner Verwunderung, aus der leeren Flasche nichts mehr fließen wollte. Er schlug damit gegen das Glas, ein Zeichen, welches Herr Josty sehr wohl verstand,
wenig, daß Herr von Dohleneck das arme Thier auf der Straße mit Abſicht mißhandeln konnte, als ich glauben mag, daß ein Cavalier von Ihrem Herzen und Ihrer Ritterlichkeit ein Vergnügen darin finden kann, eine unglückliche Frau, die in Thränen ſitzt, noch unglücklicher zu machen.“
Und noch blieb der Rittmeiſter muthig. Die Klingel hielt er in der Hand, als ein Hundegeklaff gegen die Thür ſtürzt. Das war der Hund des Aubry, die Kraniche des Ibycus. „Nein, mein Joly, der häßliche Menſch, der ſoll dir nicht wieder was thun,“ hörte er die Stimme des Kammer¬ mädchens. — Er hatte nicht geklingelt; er war wieder auf der Straße. Joly knurrte hinter ihm am Fenſter.
Und ſeitdem hörte der Rittmeiſter, wo er die Augen ſchloß, den Mops knurren und die Baronin weinen. „Alles um Dich!“ Er hatte wohl daran gedacht, ſich in eine andre Garniſon verſetzen zu laſſen; aber ſeine Schulden und ſeine Ehre! Nun kam ein tröſtender Engel. Der Krieg befreit einen Militair von den Verfolgungen ſeiner Gläubiger und einen Liebenden von denen ſeiner Phantaſie. Zu dieſer troſtreichen Ueberzeugung war der Rittmeiſter Stier von Dohleneck in dem Augenblick gelangt, er wollte auf dieſen Tröſter in der Noth ein Glas leeren, als, zu ſeiner Verwunderung, aus der leeren Flaſche nichts mehr fließen wollte. Er ſchlug damit gegen das Glas, ein Zeichen, welches Herr Joſty ſehr wohl verſtand,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0087"n="77"/>
wenig, daß Herr von Dohleneck das arme Thier auf<lb/>
der Straße mit Abſicht mißhandeln konnte, als ich<lb/>
glauben mag, daß ein Cavalier von Ihrem Herzen<lb/>
und Ihrer Ritterlichkeit ein Vergnügen darin finden<lb/>
kann, eine unglückliche Frau, die in Thränen ſitzt,<lb/>
noch unglücklicher zu machen.“</p><lb/><p>Und noch blieb der Rittmeiſter muthig. Die<lb/>
Klingel hielt er in der Hand, als ein Hundegeklaff<lb/>
gegen die Thür ſtürzt. Das war der Hund des<lb/>
Aubry, die Kraniche des Ibycus. „Nein, mein<lb/>
Joly, der häßliche Menſch, der ſoll dir nicht wieder<lb/>
was thun,“ hörte er die Stimme des Kammer¬<lb/>
mädchens. — Er hatte nicht geklingelt; er war<lb/>
wieder auf der Straße. Joly knurrte hinter ihm am<lb/>
Fenſter.</p><lb/><p>Und ſeitdem hörte der Rittmeiſter, wo er die<lb/>
Augen ſchloß, den Mops knurren und die Baronin<lb/>
weinen. „Alles um Dich!“ Er hatte wohl daran<lb/>
gedacht, ſich in eine andre Garniſon verſetzen zu laſſen;<lb/>
aber ſeine Schulden und ſeine Ehre! Nun kam ein<lb/>
tröſtender Engel. Der Krieg befreit einen Militair<lb/>
von den Verfolgungen ſeiner Gläubiger und einen<lb/>
Liebenden von denen ſeiner Phantaſie. Zu dieſer<lb/>
troſtreichen Ueberzeugung war der Rittmeiſter Stier<lb/>
von Dohleneck in dem Augenblick gelangt, er wollte<lb/>
auf dieſen Tröſter in der Noth ein Glas leeren, als,<lb/>
zu ſeiner Verwunderung, aus der leeren Flaſche nichts<lb/>
mehr fließen wollte. Er ſchlug damit gegen das Glas,<lb/>
ein Zeichen, welches Herr Joſty ſehr wohl verſtand,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[77/0087]
wenig, daß Herr von Dohleneck das arme Thier auf
der Straße mit Abſicht mißhandeln konnte, als ich
glauben mag, daß ein Cavalier von Ihrem Herzen
und Ihrer Ritterlichkeit ein Vergnügen darin finden
kann, eine unglückliche Frau, die in Thränen ſitzt,
noch unglücklicher zu machen.“
Und noch blieb der Rittmeiſter muthig. Die
Klingel hielt er in der Hand, als ein Hundegeklaff
gegen die Thür ſtürzt. Das war der Hund des
Aubry, die Kraniche des Ibycus. „Nein, mein
Joly, der häßliche Menſch, der ſoll dir nicht wieder
was thun,“ hörte er die Stimme des Kammer¬
mädchens. — Er hatte nicht geklingelt; er war
wieder auf der Straße. Joly knurrte hinter ihm am
Fenſter.
Und ſeitdem hörte der Rittmeiſter, wo er die
Augen ſchloß, den Mops knurren und die Baronin
weinen. „Alles um Dich!“ Er hatte wohl daran
gedacht, ſich in eine andre Garniſon verſetzen zu laſſen;
aber ſeine Schulden und ſeine Ehre! Nun kam ein
tröſtender Engel. Der Krieg befreit einen Militair
von den Verfolgungen ſeiner Gläubiger und einen
Liebenden von denen ſeiner Phantaſie. Zu dieſer
troſtreichen Ueberzeugung war der Rittmeiſter Stier
von Dohleneck in dem Augenblick gelangt, er wollte
auf dieſen Tröſter in der Noth ein Glas leeren, als,
zu ſeiner Verwunderung, aus der leeren Flaſche nichts
mehr fließen wollte. Er ſchlug damit gegen das Glas,
ein Zeichen, welches Herr Joſty ſehr wohl verſtand,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 3. Berlin, 1852, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe03_1852/87>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.