Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.nichtet. O immer zu, die Natur ist eine elende Kam¬ "Mais en attendant?" sagte der Legationsrath. "Rührt Sie denn nicht Adelheids Schönheit?" "Daß ich nicht wüßte." "Mir unerklärlich, mein Herr großer Sünder. "Kunstkenner gehen auch an vollendeten Meister¬ "Weil nur die sie interessiren, fiel sie ein, die "Vielleicht, vielleicht auch nicht. Sagen Sie, nichtet. O immer zu, die Natur iſt eine elende Kam¬ „Mais en attendant?“ ſagte der Legationsrath. „Rührt Sie denn nicht Adelheids Schönheit?“ „Daß ich nicht wüßte.“ „Mir unerklärlich, mein Herr großer Sünder. „Kunſtkenner gehen auch an vollendeten Meiſter¬ „Weil nur die ſie intereſſiren, fiel ſie ein, die „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Sagen Sie, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0110" n="100"/> nichtet. O immer zu, die Natur iſt eine elende Kam¬<lb/> merzofe des Myſteriums, aus dem die Gnade leuchtet.<lb/> Immer zu, mein Freund, ſich ſelbſt verzehrt, bis der<lb/> Durſt brennend, unerträglich wird! Dann verlangen<lb/> auch Sie nach dem Quell. O welche Kämpfe wird<lb/> es Ihnen koſten, wie wird dieſe Stirn rollen vor ſtol¬<lb/> zem Zorn, wie dieſe Rieſenbruſt toben vor unaus¬<lb/> ſprechlicher Pein, wie werden Sie wüthend mit der<lb/> Fauſt dagegen ſchlagen, ringend einen Gigantenkampf<lb/> mit dem Selbſtbekenntniß, bis — bis der Rieſe kra¬<lb/> chend zu Boden ſtürzt, und wie ein Kind an der<lb/> Mutter Bruſt liegt! Wie werden Sie ſchlürfen,<lb/> unerſättlich an dem Born der Gnade!“</p><lb/> <p>„<hi rendition="#aq">Mais en attendant</hi>?“ ſagte der Legationsrath.</p><lb/> <p>„Rührt Sie denn nicht Adelheids Schönheit?“</p><lb/> <p>„Daß ich nicht wüßte.“</p><lb/> <p>„Mir unerklärlich, mein Herr großer Sünder.<lb/> Anfänglich hielt ich es für Verſtellung, Sie wollten<lb/> mich täuſchen. Jetzt haben Sie mir nicht allein die<lb/> Beruhigung gegeben, ſondern auch das Räthſel zurück¬<lb/> gelaſſen, daß das Mädchen Sie kalt läßt. Iſt ſie<lb/> Ihnen eine zu vollkommene Schönheit?“</p><lb/> <p>„Kunſtkenner gehen auch an vollendeten Meiſter¬<lb/> werken vorüber.“</p><lb/> <p>„Weil nur die ſie intereſſiren, fiel ſie ein, die<lb/> Mängel haben. Iſt's der Egoismus des kritiſchen<lb/> Sinnes, der immer corrigirend ſchaffen möchte?“</p><lb/> <p>„Vielleicht, vielleicht auch nicht. Sagen Sie,<lb/> eine Antipathie gegen was man reine Unſchuldsſeelen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [100/0110]
nichtet. O immer zu, die Natur iſt eine elende Kam¬
merzofe des Myſteriums, aus dem die Gnade leuchtet.
Immer zu, mein Freund, ſich ſelbſt verzehrt, bis der
Durſt brennend, unerträglich wird! Dann verlangen
auch Sie nach dem Quell. O welche Kämpfe wird
es Ihnen koſten, wie wird dieſe Stirn rollen vor ſtol¬
zem Zorn, wie dieſe Rieſenbruſt toben vor unaus¬
ſprechlicher Pein, wie werden Sie wüthend mit der
Fauſt dagegen ſchlagen, ringend einen Gigantenkampf
mit dem Selbſtbekenntniß, bis — bis der Rieſe kra¬
chend zu Boden ſtürzt, und wie ein Kind an der
Mutter Bruſt liegt! Wie werden Sie ſchlürfen,
unerſättlich an dem Born der Gnade!“
„Mais en attendant?“ ſagte der Legationsrath.
„Rührt Sie denn nicht Adelheids Schönheit?“
„Daß ich nicht wüßte.“
„Mir unerklärlich, mein Herr großer Sünder.
Anfänglich hielt ich es für Verſtellung, Sie wollten
mich täuſchen. Jetzt haben Sie mir nicht allein die
Beruhigung gegeben, ſondern auch das Räthſel zurück¬
gelaſſen, daß das Mädchen Sie kalt läßt. Iſt ſie
Ihnen eine zu vollkommene Schönheit?“
„Kunſtkenner gehen auch an vollendeten Meiſter¬
werken vorüber.“
„Weil nur die ſie intereſſiren, fiel ſie ein, die
Mängel haben. Iſt's der Egoismus des kritiſchen
Sinnes, der immer corrigirend ſchaffen möchte?“
„Vielleicht, vielleicht auch nicht. Sagen Sie,
eine Antipathie gegen was man reine Unſchuldsſeelen
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