schlägt sie nieder in holder Befangenheit. So schüch¬ tern stand die Gazellengestalt, halb bedeckt von dem Oleanderbosket, das aus irdenen Töpfen in maleri¬ scher Unordnung um den mit Epheu umhangenen Thürpfosten duftete. Die schöne Blüthe zitterte vor jeder Berührung, wenn wir die Begegnung, die An¬ sprache der älteren Damen, welche die Thür passirten, so nennen sollen. Das Wechselgespräch war immer sehr kurz; man konnte glauben, zur Zufriedenheit des jun¬ gen Mädchens, das vielleicht erst seit Kurzem in die Gesellschaft eingeführt war, und der Boden unter ihr brannte, vor Angst, daß sie einen Verstoß begehe.
Wenn man einen Schritt näher trat, verwan¬ delte sich die Achtzehnjährige allerdings in eine voll¬ blühende Zwanzigerin, die Moosrose ward zur vol¬ len Centifolie. Aber schön blieb sie, man konnte un¬ willkürlich rufen: wunderschön! Wem das dunkle, schwimmende Auge zwischen den schwarzen Brauen und den rothen, anmuthig schwellenden Pfirsichwan¬ gen einen Blick zuwarf, mußte von Stein sein, wenn er nicht gerührt ward. Und war sie nicht eine Zau¬ berin, eine Armida? Zwischen den Oleandertöpfen schossen eine weiße und eine Feuerlilie in die Höhe, und bunte Glaslampen, damals etwas in Berlin Unbekanntes, warfen ihr Zauberlicht auf die Blumen und das schöne Mädchen, das sich auf ihnen zu wie¬ gen schien wie eine Titania, Grazie jede Bewegung. Wie sie mit den Blumen in ihrer Hand spielte, die
ſchlägt ſie nieder in holder Befangenheit. So ſchüch¬ tern ſtand die Gazellengeſtalt, halb bedeckt von dem Oleanderbosket, das aus irdenen Töpfen in maleri¬ ſcher Unordnung um den mit Epheu umhangenen Thürpfoſten duftete. Die ſchöne Blüthe zitterte vor jeder Berührung, wenn wir die Begegnung, die An¬ ſprache der älteren Damen, welche die Thür paſſirten, ſo nennen ſollen. Das Wechſelgeſpräch war immer ſehr kurz; man konnte glauben, zur Zufriedenheit des jun¬ gen Mädchens, das vielleicht erſt ſeit Kurzem in die Geſellſchaft eingeführt war, und der Boden unter ihr brannte, vor Angſt, daß ſie einen Verſtoß begehe.
Wenn man einen Schritt näher trat, verwan¬ delte ſich die Achtzehnjährige allerdings in eine voll¬ blühende Zwanzigerin, die Moosroſe ward zur vol¬ len Centifolie. Aber ſchön blieb ſie, man konnte un¬ willkürlich rufen: wunderſchön! Wem das dunkle, ſchwimmende Auge zwiſchen den ſchwarzen Brauen und den rothen, anmuthig ſchwellenden Pfirſichwan¬ gen einen Blick zuwarf, mußte von Stein ſein, wenn er nicht gerührt ward. Und war ſie nicht eine Zau¬ berin, eine Armida? Zwiſchen den Oleandertöpfen ſchoſſen eine weiße und eine Feuerlilie in die Höhe, und bunte Glaslampen, damals etwas in Berlin Unbekanntes, warfen ihr Zauberlicht auf die Blumen und das ſchöne Mädchen, das ſich auf ihnen zu wie¬ gen ſchien wie eine Titania, Grazie jede Bewegung. Wie ſie mit den Blumen in ihrer Hand ſpielte, die
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ſchlägt ſie nieder in holder Befangenheit. So ſchüch¬
tern ſtand die Gazellengeſtalt, halb bedeckt von dem
Oleanderbosket, das aus irdenen Töpfen in maleri¬
ſcher Unordnung um den mit Epheu umhangenen
Thürpfoſten duftete. Die ſchöne Blüthe zitterte vor
jeder Berührung, wenn wir die Begegnung, die An¬
ſprache der älteren Damen, welche die Thür paſſirten,
ſo nennen ſollen. Das Wechſelgeſpräch war immer ſehr
kurz; man konnte glauben, zur Zufriedenheit des jun¬
gen Mädchens, das vielleicht erſt ſeit Kurzem in
die Geſellſchaft eingeführt war, und der Boden
unter ihr brannte, vor Angſt, daß ſie einen Verſtoß
begehe.
Wenn man einen Schritt näher trat, verwan¬
delte ſich die Achtzehnjährige allerdings in eine voll¬
blühende Zwanzigerin, die Moosroſe ward zur vol¬
len Centifolie. Aber ſchön blieb ſie, man konnte un¬
willkürlich rufen: wunderſchön! Wem das dunkle,
ſchwimmende Auge zwiſchen den ſchwarzen Brauen
und den rothen, anmuthig ſchwellenden Pfirſichwan¬
gen einen Blick zuwarf, mußte von Stein ſein, wenn
er nicht gerührt ward. Und war ſie nicht eine Zau¬
berin, eine Armida? Zwiſchen den Oleandertöpfen
ſchoſſen eine weiße und eine Feuerlilie in die Höhe,
und bunte Glaslampen, damals etwas in Berlin
Unbekanntes, warfen ihr Zauberlicht auf die Blumen
und das ſchöne Mädchen, das ſich auf ihnen zu wie¬
gen ſchien wie eine Titania, Grazie jede Bewegung.
Wie ſie mit den Blumen in ihrer Hand ſpielte, die
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/114>, abgerufen am 21.11.2024.
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