zose leichtes Blut hat, der Spanier schwarzes, der Italiener heißes, der Deutsche warmes. Der Fran¬ zos ist leichtfüßig und eitel, der Italiener zän¬ kisch und rachsüchtig und der Deutsche keusch und treu. Eigentlich brauchte man nur an den Puls zu fassen, und gleich hätte man weg, von welcher Na¬ tion Jemand ist. Schade nur, Prinzessin, daß ich in Italien die liebsten Menschen fand, von warmem Blut und dem besten Herzen, fleißig, em¬ sig, rechtschaffene Familienväter und treue Freunde. Sollte ich sie darum hassen, oder die Franzo¬ sen, weil Montesquieu und Rousseau, weil Buf¬ fon und Laplace Franzosen waren, oder alle Deutsche darum lieben, weil sie alle grad, ehrlich, Män¬ ner von Wort, Biedermänner und keusch wie Jo¬ seph sind?"
Herr Schadow hatte dabei wie zufällig den Blick auf den Kammerherrn von St. Real ruhen lassen, welcher etwas unruhig ward. Es giebt Thiere und Menschen, welche das Fixirtwerden nicht vertra¬ gen. Die Fürstin, sichtlich im Innern bewegt, nahm das Wort:
"Sie haben Recht, die Nationalität ist auch nur ein Götze, geknetet und angestrichen aus Leim und Koth, aus Träumen und Blut. Aber, Herr Schadow, ein schön geformtes Götterbild bleibt's, schöner als Ihre Apollo und Jupiter!"
Der Meister hatte eine Prise genommen: "Ja, die Kostüms sind recht hübsch, ich zweifle
zoſe leichtes Blut hat, der Spanier ſchwarzes, der Italiener heißes, der Deutſche warmes. Der Fran¬ zos iſt leichtfüßig und eitel, der Italiener zän¬ kiſch und rachſüchtig und der Deutſche keuſch und treu. Eigentlich brauchte man nur an den Puls zu faſſen, und gleich hätte man weg, von welcher Na¬ tion Jemand iſt. Schade nur, Prinzeſſin, daß ich in Italien die liebſten Menſchen fand, von warmem Blut und dem beſten Herzen, fleißig, em¬ ſig, rechtſchaffene Familienväter und treue Freunde. Sollte ich ſie darum haſſen, oder die Franzo¬ ſen, weil Montesquieu und Rouſſeau, weil Buf¬ fon und Laplace Franzoſen waren, oder alle Deutſche darum lieben, weil ſie alle grad, ehrlich, Män¬ ner von Wort, Biedermänner und keuſch wie Jo¬ ſeph ſind?“
Herr Schadow hatte dabei wie zufällig den Blick auf den Kammerherrn von St. Real ruhen laſſen, welcher etwas unruhig ward. Es giebt Thiere und Menſchen, welche das Fixirtwerden nicht vertra¬ gen. Die Fürſtin, ſichtlich im Innern bewegt, nahm das Wort:
„Sie haben Recht, die Nationalität iſt auch nur ein Götze, geknetet und angeſtrichen aus Leim und Koth, aus Träumen und Blut. Aber, Herr Schadow, ein ſchön geformtes Götterbild bleibt's, ſchöner als Ihre Apollo und Jupiter!“
Der Meiſter hatte eine Priſe genommen: „Ja, die Koſtüms ſind recht hübſch, ich zweifle
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0137"n="127"/>
zoſe leichtes Blut hat, der Spanier ſchwarzes, der<lb/>
Italiener heißes, der Deutſche warmes. Der Fran¬<lb/>
zos iſt leichtfüßig und eitel, der Italiener zän¬<lb/>
kiſch und rachſüchtig und der Deutſche keuſch und<lb/>
treu. Eigentlich brauchte man nur an den Puls zu<lb/>
faſſen, und gleich hätte man weg, von welcher Na¬<lb/>
tion Jemand iſt. Schade nur, Prinzeſſin, daß<lb/>
ich in Italien die liebſten Menſchen fand, von<lb/>
warmem Blut und dem beſten Herzen, fleißig, em¬<lb/>ſig, rechtſchaffene Familienväter und treue Freunde.<lb/>
Sollte ich ſie darum haſſen, oder die Franzo¬<lb/>ſen, weil Montesquieu und Rouſſeau, weil Buf¬<lb/>
fon und Laplace Franzoſen waren, oder alle Deutſche<lb/>
darum lieben, weil ſie alle grad, ehrlich, Män¬<lb/>
ner von Wort, Biedermänner und keuſch wie Jo¬<lb/>ſeph ſind?“</p><lb/><p>Herr Schadow hatte dabei wie zufällig den<lb/>
Blick auf den Kammerherrn von St. Real ruhen<lb/>
laſſen, welcher etwas unruhig ward. Es giebt Thiere<lb/>
und Menſchen, welche das Fixirtwerden nicht vertra¬<lb/>
gen. Die Fürſtin, ſichtlich im Innern bewegt, nahm<lb/>
das Wort:</p><lb/><p>„Sie haben Recht, die Nationalität iſt auch<lb/>
nur ein Götze, geknetet und angeſtrichen aus<lb/>
Leim und Koth, aus Träumen und Blut. Aber,<lb/>
Herr Schadow, ein ſchön geformtes Götterbild bleibt's,<lb/>ſchöner als Ihre Apollo und Jupiter!“</p><lb/><p>Der Meiſter hatte eine Priſe genommen:<lb/>„Ja, die Koſtüms ſind recht hübſch, ich zweifle<lb/></p></div></body></text></TEI>
[127/0137]
zoſe leichtes Blut hat, der Spanier ſchwarzes, der
Italiener heißes, der Deutſche warmes. Der Fran¬
zos iſt leichtfüßig und eitel, der Italiener zän¬
kiſch und rachſüchtig und der Deutſche keuſch und
treu. Eigentlich brauchte man nur an den Puls zu
faſſen, und gleich hätte man weg, von welcher Na¬
tion Jemand iſt. Schade nur, Prinzeſſin, daß
ich in Italien die liebſten Menſchen fand, von
warmem Blut und dem beſten Herzen, fleißig, em¬
ſig, rechtſchaffene Familienväter und treue Freunde.
Sollte ich ſie darum haſſen, oder die Franzo¬
ſen, weil Montesquieu und Rouſſeau, weil Buf¬
fon und Laplace Franzoſen waren, oder alle Deutſche
darum lieben, weil ſie alle grad, ehrlich, Män¬
ner von Wort, Biedermänner und keuſch wie Jo¬
ſeph ſind?“
Herr Schadow hatte dabei wie zufällig den
Blick auf den Kammerherrn von St. Real ruhen
laſſen, welcher etwas unruhig ward. Es giebt Thiere
und Menſchen, welche das Fixirtwerden nicht vertra¬
gen. Die Fürſtin, ſichtlich im Innern bewegt, nahm
das Wort:
„Sie haben Recht, die Nationalität iſt auch
nur ein Götze, geknetet und angeſtrichen aus
Leim und Koth, aus Träumen und Blut. Aber,
Herr Schadow, ein ſchön geformtes Götterbild bleibt's,
ſchöner als Ihre Apollo und Jupiter!“
Der Meiſter hatte eine Priſe genommen:
„Ja, die Koſtüms ſind recht hübſch, ich zweifle
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/137>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.