gar nicht, daß der Patriotismus einst eine Rolle spielen wird."
"Wie wir Alle!" sagte die Fürstin, indem ihr Blick die Gesellschaft überflog. Die Eitelbach und Laura gingen vorüber; sie nickte ihnen zu, aber ihre Gedanken waren mit Anderm beschäftigt, und die Worte kaum an den Bildhauer und den Kammerherrn gerichtet, so wenig als an den Rittmeister Dohleneck, der eben aus dem andern Zimmer auf sie zuschritt. Sie sprach mit sich selbst.
"Wir Alle spielen eine Rolle, vor Andern oder vor uns selbst. Wenn wir uns doch darüber nicht täuschen wollten! Schadow hat Recht, was ist denn unser eigenstes Eigenes? Die Scene, wo wir auf¬ treten, das Licht, das uns anleuchtet, das Kleid, das sich an unsre Glieder schmiegt, es übt Einfluß, es macht uns erst zu dem, was wir scheinen; das Lä¬ cheln der Lippen, es ist angeblasen vom Augenblick, der Stimmung; Alles, was wir zu besitzen glauben, ist Geborgtes, und wir nur Molusken, die Farbe und Ge¬ stalt annehmen von der Flüssigkeit, die sie einsau¬ gen, Schmetterlinge, denen der Blüthenstaub den Duft leiht, und der Finger des Knaben entfärbt sie wieder; Irrlichter sind wir, schaukelnd in der Vibra¬ tion der Luft, und unsere thörichtste Rolle, es ist die unverschämte Lüge, wenn wir wahr zu sein glauben."
"Dazu, meinen Einige, wären wir auf der Welt," entgegnete der Meister.
gar nicht, daß der Patriotismus einſt eine Rolle ſpielen wird.“
„Wie wir Alle!“ ſagte die Fürſtin, indem ihr Blick die Geſellſchaft überflog. Die Eitelbach und Laura gingen vorüber; ſie nickte ihnen zu, aber ihre Gedanken waren mit Anderm beſchäftigt, und die Worte kaum an den Bildhauer und den Kammerherrn gerichtet, ſo wenig als an den Rittmeiſter Dohleneck, der eben aus dem andern Zimmer auf ſie zuſchritt. Sie ſprach mit ſich ſelbſt.
„Wir Alle ſpielen eine Rolle, vor Andern oder vor uns ſelbſt. Wenn wir uns doch darüber nicht täuſchen wollten! Schadow hat Recht, was iſt denn unſer eigenſtes Eigenes? Die Scene, wo wir auf¬ treten, das Licht, das uns anleuchtet, das Kleid, das ſich an unſre Glieder ſchmiegt, es übt Einfluß, es macht uns erſt zu dem, was wir ſcheinen; das Lä¬ cheln der Lippen, es iſt angeblaſen vom Augenblick, der Stimmung; Alles, was wir zu beſitzen glauben, iſt Geborgtes, und wir nur Molusken, die Farbe und Ge¬ ſtalt annehmen von der Flüſſigkeit, die ſie einſau¬ gen, Schmetterlinge, denen der Blüthenſtaub den Duft leiht, und der Finger des Knaben entfärbt ſie wieder; Irrlichter ſind wir, ſchaukelnd in der Vibra¬ tion der Luft, und unſere thörichtſte Rolle, es iſt die unverſchämte Lüge, wenn wir wahr zu ſein glauben.“
„Dazu, meinen Einige, wären wir auf der Welt,“ entgegnete der Meiſter.
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gar nicht, daß der Patriotismus einſt eine Rolle
ſpielen wird.“
„Wie wir Alle!“ ſagte die Fürſtin, indem ihr
Blick die Geſellſchaft überflog. Die Eitelbach und
Laura gingen vorüber; ſie nickte ihnen zu, aber ihre
Gedanken waren mit Anderm beſchäftigt, und die
Worte kaum an den Bildhauer und den Kammerherrn
gerichtet, ſo wenig als an den Rittmeiſter Dohleneck,
der eben aus dem andern Zimmer auf ſie zuſchritt.
Sie ſprach mit ſich ſelbſt.
„Wir Alle ſpielen eine Rolle, vor Andern oder
vor uns ſelbſt. Wenn wir uns doch darüber nicht
täuſchen wollten! Schadow hat Recht, was iſt denn
unſer eigenſtes Eigenes? Die Scene, wo wir auf¬
treten, das Licht, das uns anleuchtet, das Kleid, das
ſich an unſre Glieder ſchmiegt, es übt Einfluß, es
macht uns erſt zu dem, was wir ſcheinen; das Lä¬
cheln der Lippen, es iſt angeblaſen vom Augenblick,
der Stimmung; Alles, was wir zu beſitzen glauben, iſt
Geborgtes, und wir nur Molusken, die Farbe und Ge¬
ſtalt annehmen von der Flüſſigkeit, die ſie einſau¬
gen, Schmetterlinge, denen der Blüthenſtaub den
Duft leiht, und der Finger des Knaben entfärbt ſie
wieder; Irrlichter ſind wir, ſchaukelnd in der Vibra¬
tion der Luft, und unſere thörichtſte Rolle, es iſt
die unverſchämte Lüge, wenn wir wahr zu ſein
glauben.“
„Dazu, meinen Einige, wären wir auf der
Welt,“ entgegnete der Meiſter.
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/138>, abgerufen am 21.11.2024.
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