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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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"Schadow, haben Sie nie die ungeheure Leere
empfunden, dies gähnende, graue Mißbehagen der
Creatur?"

"Niemals, meine Gnädigste."

"Ich kann den Trinker begreifen, der ausstürzt
Becher über Becher, immer feurigern Wein, es ist
die Moluskensehnsucht nach einer Existenz, nach der
Verkörperung des Geistes."

"Wenn ich den brennenden Durst empfinde,
den Erlaucht meinen, sagte Schadow, dann knete ich
ihn in Thon, und meißle ihn in Stein."

"Und das todte Werk vor sich, sind Sie
befriedigt?"

"Da ist's heraus, fix und fertig, was mich
plagte, nach allen Regeln steht's vor mir, und ich
bin frei."

"Glücklicher -- Unglückseliger! Bis Sie wieder
von Neuem geplagt werden."

"Dann schaff ich's von Neuem aus mir raus."

"Und käme eine andre Zeit, die alle diese
Regeln zusammen würfe?"

"Dann habe ich für meine geschaffen und damit
genug gethan."

War das Zustimmung, war es Schadenfreude,
oder wo kam der Funke her, der plötzlich über
ihr Gesicht zückte: "Und Sie haben Recht. Wir,
wir hier leben ja Alle nur für unsre Zeit. Nur
unsre Rolle gut durchgespielt, das ist die Aufgabe.
Harmonie hineinbringen müssen wir, nicht die

IV. 9

„Schadow, haben Sie nie die ungeheure Leere
empfunden, dies gähnende, graue Mißbehagen der
Creatur?“

„Niemals, meine Gnädigſte.“

„Ich kann den Trinker begreifen, der ausſtürzt
Becher über Becher, immer feurigern Wein, es iſt
die Moluskenſehnſucht nach einer Exiſtenz, nach der
Verkörperung des Geiſtes.“

„Wenn ich den brennenden Durſt empfinde,
den Erlaucht meinen, ſagte Schadow, dann knete ich
ihn in Thon, und meißle ihn in Stein.“

„Und das todte Werk vor ſich, ſind Sie
befriedigt?“

„Da iſt's heraus, fix und fertig, was mich
plagte, nach allen Regeln ſteht's vor mir, und ich
bin frei.“

„Glücklicher — Unglückſeliger! Bis Sie wieder
von Neuem geplagt werden.“

„Dann ſchaff ich's von Neuem aus mir raus.“

„Und käme eine andre Zeit, die alle dieſe
Regeln zuſammen würfe?“

„Dann habe ich für meine geſchaffen und damit
genug gethan.“

War das Zuſtimmung, war es Schadenfreude,
oder wo kam der Funke her, der plötzlich über
ihr Geſicht zückte: „Und Sie haben Recht. Wir,
wir hier leben ja Alle nur für unſre Zeit. Nur
unſre Rolle gut durchgeſpielt, das iſt die Aufgabe.
Harmonie hineinbringen müſſen wir, nicht die

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[129/0139] „Schadow, haben Sie nie die ungeheure Leere empfunden, dies gähnende, graue Mißbehagen der Creatur?“ „Niemals, meine Gnädigſte.“ „Ich kann den Trinker begreifen, der ausſtürzt Becher über Becher, immer feurigern Wein, es iſt die Moluskenſehnſucht nach einer Exiſtenz, nach der Verkörperung des Geiſtes.“ „Wenn ich den brennenden Durſt empfinde, den Erlaucht meinen, ſagte Schadow, dann knete ich ihn in Thon, und meißle ihn in Stein.“ „Und das todte Werk vor ſich, ſind Sie befriedigt?“ „Da iſt's heraus, fix und fertig, was mich plagte, nach allen Regeln ſteht's vor mir, und ich bin frei.“ „Glücklicher — Unglückſeliger! Bis Sie wieder von Neuem geplagt werden.“ „Dann ſchaff ich's von Neuem aus mir raus.“ „Und käme eine andre Zeit, die alle dieſe Regeln zuſammen würfe?“ „Dann habe ich für meine geſchaffen und damit genug gethan.“ War das Zuſtimmung, war es Schadenfreude, oder wo kam der Funke her, der plötzlich über ihr Geſicht zückte: „Und Sie haben Recht. Wir, wir hier leben ja Alle nur für unſre Zeit. Nur unſre Rolle gut durchgeſpielt, das iſt die Aufgabe. Harmonie hineinbringen müſſen wir, nicht die IV. 9

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/139>, abgerufen am 24.11.2024.