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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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"Sie würden mir einen großen Gefallen er¬
weisen, liebe Almedingen wenn Sie mich davon
avertirten, sobald ich es nicht mehr darf."

"Sobald man ihr die Thüre weist; Erlaucht
können sich darauf verlassen, daß ich mit der ersten
Nachricht zu Ihnen fliege."

Die Fürstin drückte ihr verbindlich die Hand:
"Von Ihrem Eifer bin ich überzeugt. Bis dahin
hat es aber wohl noch einige Zeit?"

"Es sind vielleicht doch nur Mißverständnisse,"
warf der Legationsrath hin.

"Oder sie bessert sich auch. Man muß ihr nur
Zeit lassen," meinte Herr von Fuchsius.

"Ein zehn -- fünfzehn Jahr, murmelte der
Legationsrath, dann macht sich das von selbst."

"Macht mir das junge Reh auf der Maienwiese
nur nicht scheu, sagte die Fürstin. Wenn Ihr ihr
beständig von der Arglist und Tücke der Menschen
vorerzählt, glaubt Ihr, daß Ihr sie dadurch schützt.
In ihrer Angst und Verwirrung läuft sie von selbst
in's Netz."

Das junge Reh stand plötzlich unter ihnen. Laura
hatte wohl nur durch das Zimmer gewollt, denn der
Glanz ihres Auges verrieth nicht, daß sie gelauscht,
noch von dem, was hier über sie gesprochen worden,
eine Ahnung hatte. Auch verrieth die Miene der
Fürstin nichts von Betroffenheit, als sie die Flüchtige
erhascht, und den Arm um ihre Schulter, wie eine
Mutter um ihr Lieblingskind, schlang.

„Sie würden mir einen großen Gefallen er¬
weiſen, liebe Almedingen wenn Sie mich davon
avertirten, ſobald ich es nicht mehr darf.“

„Sobald man ihr die Thüre weiſt; Erlaucht
können ſich darauf verlaſſen, daß ich mit der erſten
Nachricht zu Ihnen fliege.“

Die Fürſtin drückte ihr verbindlich die Hand:
„Von Ihrem Eifer bin ich überzeugt. Bis dahin
hat es aber wohl noch einige Zeit?“

„Es ſind vielleicht doch nur Mißverſtändniſſe,“
warf der Legationsrath hin.

„Oder ſie beſſert ſich auch. Man muß ihr nur
Zeit laſſen,“ meinte Herr von Fuchſius.

„Ein zehn — fünfzehn Jahr, murmelte der
Legationsrath, dann macht ſich das von ſelbſt.“

„Macht mir das junge Reh auf der Maienwieſe
nur nicht ſcheu, ſagte die Fürſtin. Wenn Ihr ihr
beſtändig von der Argliſt und Tücke der Menſchen
vorerzählt, glaubt Ihr, daß Ihr ſie dadurch ſchützt.
In ihrer Angſt und Verwirrung läuft ſie von ſelbſt
in's Netz.“

Das junge Reh ſtand plötzlich unter ihnen. Laura
hatte wohl nur durch das Zimmer gewollt, denn der
Glanz ihres Auges verrieth nicht, daß ſie gelauſcht,
noch von dem, was hier über ſie geſprochen worden,
eine Ahnung hatte. Auch verrieth die Miene der
Fürſtin nichts von Betroffenheit, als ſie die Flüchtige
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Mutter um ihr Lieblingskind, ſchlang.

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[134/0144] „Sie würden mir einen großen Gefallen er¬ weiſen, liebe Almedingen wenn Sie mich davon avertirten, ſobald ich es nicht mehr darf.“ „Sobald man ihr die Thüre weiſt; Erlaucht können ſich darauf verlaſſen, daß ich mit der erſten Nachricht zu Ihnen fliege.“ Die Fürſtin drückte ihr verbindlich die Hand: „Von Ihrem Eifer bin ich überzeugt. Bis dahin hat es aber wohl noch einige Zeit?“ „Es ſind vielleicht doch nur Mißverſtändniſſe,“ warf der Legationsrath hin. „Oder ſie beſſert ſich auch. Man muß ihr nur Zeit laſſen,“ meinte Herr von Fuchſius. „Ein zehn — fünfzehn Jahr, murmelte der Legationsrath, dann macht ſich das von ſelbſt.“ „Macht mir das junge Reh auf der Maienwieſe nur nicht ſcheu, ſagte die Fürſtin. Wenn Ihr ihr beſtändig von der Argliſt und Tücke der Menſchen vorerzählt, glaubt Ihr, daß Ihr ſie dadurch ſchützt. In ihrer Angſt und Verwirrung läuft ſie von ſelbſt in's Netz.“ Das junge Reh ſtand plötzlich unter ihnen. Laura hatte wohl nur durch das Zimmer gewollt, denn der Glanz ihres Auges verrieth nicht, daß ſie gelauſcht, noch von dem, was hier über ſie geſprochen worden, eine Ahnung hatte. Auch verrieth die Miene der Fürſtin nichts von Betroffenheit, als ſie die Flüchtige erhaſcht, und den Arm um ihre Schulter, wie eine Mutter um ihr Lieblingskind, ſchlang.

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/144>, abgerufen am 21.11.2024.