"Ich könnte sie mir anders denken, sagte die Lupinus vor sich hinblickend. Doch das gehört nicht her."
"Jede neue Anschauung ist mir willkommen. Für mich ist die Magdalene der eigentliche Inbegriff des Mysteriums der göttlichen Liebe."
"Hat sie denn wirklich geliebt, sagte die Ge¬ heimräthin. Mich dünkt, ihre Art von Liebe konnte nicht zum Glauben führen!"
"Weil sie changirte?"
"Ja, wäre sie eine Sultanin gewesen, die ihre Lieblinge sich wählte und entließ, um endlich ihr Ideal zu finden. Aber sie ist doch gedacht als ein armes Mädchen. Hat nun ihr Fonds von Liebe ausgereicht, um alle die fortzulieben, die mit Seufzern und Schwüren kamen, mit Betheurungen und Gluth, die Lieder und Geld zu ihren Füßen streuten, und gähnend fortgingen, um nicht wieder zu kommen? Vielleicht ward sie auch gemißhandelt, und von denen, die sie wirklich zu lieben geglaubt; ihre edelsten Empfindungen, wenn sie sich zu äußern wagten, wurden verspottet. Und das durch Monden, Jahre wiederholt. Solchen Fonds von Erfahrungen hinter sich, Täuschungen darf man es nicht mehr nennen, erwarten wir von ihr etwas anderes als Verach¬ tung, Bitterkeit gegen das ganze Geschlecht! Ich könnte sie mir denken als eine Intriguantin, welche ihre Lust dann findet, die Männer gegen einander zu hetzen, als eine Brandstifterin, eine Semiramis,
„Ich könnte ſie mir anders denken, ſagte die Lupinus vor ſich hinblickend. Doch das gehört nicht her.“
„Jede neue Anſchauung iſt mir willkommen. Für mich iſt die Magdalene der eigentliche Inbegriff des Myſteriums der göttlichen Liebe.“
„Hat ſie denn wirklich geliebt, ſagte die Ge¬ heimräthin. Mich dünkt, ihre Art von Liebe konnte nicht zum Glauben führen!“
„Weil ſie changirte?“
„Ja, wäre ſie eine Sultanin geweſen, die ihre Lieblinge ſich wählte und entließ, um endlich ihr Ideal zu finden. Aber ſie iſt doch gedacht als ein armes Mädchen. Hat nun ihr Fonds von Liebe ausgereicht, um alle die fortzulieben, die mit Seufzern und Schwüren kamen, mit Betheurungen und Gluth, die Lieder und Geld zu ihren Füßen ſtreuten, und gähnend fortgingen, um nicht wieder zu kommen? Vielleicht ward ſie auch gemißhandelt, und von denen, die ſie wirklich zu lieben geglaubt; ihre edelſten Empfindungen, wenn ſie ſich zu äußern wagten, wurden verſpottet. Und das durch Monden, Jahre wiederholt. Solchen Fonds von Erfahrungen hinter ſich, Täuſchungen darf man es nicht mehr nennen, erwarten wir von ihr etwas anderes als Verach¬ tung, Bitterkeit gegen das ganze Geſchlecht! Ich könnte ſie mir denken als eine Intriguantin, welche ihre Luſt dann findet, die Männer gegen einander zu hetzen, als eine Brandſtifterin, eine Semiramis,
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„Ich könnte ſie mir anders denken, ſagte
die Lupinus vor ſich hinblickend. Doch das gehört
nicht her.“
„Jede neue Anſchauung iſt mir willkommen.
Für mich iſt die Magdalene der eigentliche Inbegriff
des Myſteriums der göttlichen Liebe.“
„Hat ſie denn wirklich geliebt, ſagte die Ge¬
heimräthin. Mich dünkt, ihre Art von Liebe konnte
nicht zum Glauben führen!“
„Weil ſie changirte?“
„Ja, wäre ſie eine Sultanin geweſen, die ihre
Lieblinge ſich wählte und entließ, um endlich ihr
Ideal zu finden. Aber ſie iſt doch gedacht als ein
armes Mädchen. Hat nun ihr Fonds von Liebe
ausgereicht, um alle die fortzulieben, die mit
Seufzern und Schwüren kamen, mit Betheurungen
und Gluth, die Lieder und Geld zu ihren Füßen
ſtreuten, und gähnend fortgingen, um nicht wieder
zu kommen? Vielleicht ward ſie auch gemißhandelt, und
von denen, die ſie wirklich zu lieben geglaubt; ihre
edelſten Empfindungen, wenn ſie ſich zu äußern
wagten, wurden verſpottet. Und das durch Monden,
Jahre wiederholt. Solchen Fonds von Erfahrungen
hinter ſich, Täuſchungen darf man es nicht mehr nennen,
erwarten wir von ihr etwas anderes als Verach¬
tung, Bitterkeit gegen das ganze Geſchlecht! Ich könnte
ſie mir denken als eine Intriguantin, welche ihre
Luſt dann findet, die Männer gegen einander zu
hetzen, als eine Brandſtifterin, eine Semiramis,
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/169>, abgerufen am 24.11.2024.
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