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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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Die Gargazin drückte die Hand ihrer Begleiterin
und flüsterte ihr in's Ohr: "Die Knospe bricht;
heut entscheidet es sich."

Zu mehr war nicht Zeit.

Gruppen drängten sich um einige spät Ange¬
kommene. Prinz Louis kommt nicht, lautete die eine
Botschaft. Ein Zweiter wußte von der eingelaufenen
Nachricht: der französische Kaiser habe Districte und
Orte am Rhein besetzt, die unzweifelhaft zu Preußen
gehörten, und mit dem Uebermuth der Reunions-
Kammern sie für französisches Staatsgut erklärt.
Der Ministerrath war nach dem Palais berufen.
Man hatte auch Generale in äußerster Erhitzung
dahin stürzen sehen. Einige wollten wissen, man
werde über Nacht dem französischen Gesandten die
Pässe zustellen. Die Fürstin rief nach dem Geheim¬
rath Johannes von Müller. Er war nicht mehr in
der Gesellschaft; schon vor einer halben Stunde war
er abberufen. Eine andere Botschaft aus dem Hause
der Geheimräthin: der Herr Geheimrath befinde sich
in heftigem Fieber und phantasire, indem er wun¬
derbare Namen anrufe.

"Will denn Alles heut den schönen Abend uns
stören!"

Die Geheimräthin war nicht der erste Gast, wel¬
cher Abschied nahm.

Die Geheimräthin hatte eine Ahnung den ganzen
Abend durch geplagt. Ihr sei, versicherte sie, als wenn
ein furchtbares Gewitter, ein Erdbeben im Anzuge sei.

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Die Gargazin drückte die Hand ihrer Begleiterin
und flüſterte ihr in's Ohr: „Die Knoſpe bricht;
heut entſcheidet es ſich.“

Zu mehr war nicht Zeit.

Gruppen drängten ſich um einige ſpät Ange¬
kommene. Prinz Louis kommt nicht, lautete die eine
Botſchaft. Ein Zweiter wußte von der eingelaufenen
Nachricht: der franzöſiſche Kaiſer habe Diſtricte und
Orte am Rhein beſetzt, die unzweifelhaft zu Preußen
gehörten, und mit dem Uebermuth der Reunions-
Kammern ſie für franzöſiſches Staatsgut erklärt.
Der Miniſterrath war nach dem Palais berufen.
Man hatte auch Generale in äußerſter Erhitzung
dahin ſtürzen ſehen. Einige wollten wiſſen, man
werde über Nacht dem franzöſiſchen Geſandten die
Päſſe zuſtellen. Die Fürſtin rief nach dem Geheim¬
rath Johannes von Müller. Er war nicht mehr in
der Geſellſchaft; ſchon vor einer halben Stunde war
er abberufen. Eine andere Botſchaft aus dem Hauſe
der Geheimräthin: der Herr Geheimrath befinde ſich
in heftigem Fieber und phantaſire, indem er wun¬
derbare Namen anrufe.

„Will denn Alles heut den ſchönen Abend uns
ſtören!“

Die Geheimräthin war nicht der erſte Gaſt, wel¬
cher Abſchied nahm.

Die Geheimräthin hatte eine Ahnung den ganzen
Abend durch geplagt. Ihr ſei, verſicherte ſie, als wenn
ein furchtbares Gewitter, ein Erdbeben im Anzuge ſei.

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[163/0173] Die Gargazin drückte die Hand ihrer Begleiterin und flüſterte ihr in's Ohr: „Die Knoſpe bricht; heut entſcheidet es ſich.“ Zu mehr war nicht Zeit. Gruppen drängten ſich um einige ſpät Ange¬ kommene. Prinz Louis kommt nicht, lautete die eine Botſchaft. Ein Zweiter wußte von der eingelaufenen Nachricht: der franzöſiſche Kaiſer habe Diſtricte und Orte am Rhein beſetzt, die unzweifelhaft zu Preußen gehörten, und mit dem Uebermuth der Reunions- Kammern ſie für franzöſiſches Staatsgut erklärt. Der Miniſterrath war nach dem Palais berufen. Man hatte auch Generale in äußerſter Erhitzung dahin ſtürzen ſehen. Einige wollten wiſſen, man werde über Nacht dem franzöſiſchen Geſandten die Päſſe zuſtellen. Die Fürſtin rief nach dem Geheim¬ rath Johannes von Müller. Er war nicht mehr in der Geſellſchaft; ſchon vor einer halben Stunde war er abberufen. Eine andere Botſchaft aus dem Hauſe der Geheimräthin: der Herr Geheimrath befinde ſich in heftigem Fieber und phantaſire, indem er wun¬ derbare Namen anrufe. „Will denn Alles heut den ſchönen Abend uns ſtören!“ Die Geheimräthin war nicht der erſte Gaſt, wel¬ cher Abſchied nahm. Die Geheimräthin hatte eine Ahnung den ganzen Abend durch geplagt. Ihr ſei, verſicherte ſie, als wenn ein furchtbares Gewitter, ein Erdbeben im Anzuge ſei. 11*

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/173>, abgerufen am 21.11.2024.