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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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Vortheil betrogen? Diese Schrift, die Ansichten darin,
falsch oder richtig, sind meine. Ich bin auf Tadel
gefaßt, ich werde auch Verspottung zu ertragen wissen,
aber ich will mein Recht als Eigenthümer."

Er hatte das Heft vom Tische ergriffen. Der
Minister sah ihn mit einem durchdringenden Blicke
eine Weile an, aber während der Zorn noch auf den
Lippen schwebte und den untern Theil des Gesichtes
durchzückte, glätteten sich schon die Falten der Stirn
und unter den Brauen wurden die Augen klar; ja
ein spöttisches Lächeln fing an sich über die Mund¬
winkel zu legen.

"Die Gedanken, mein Herr, sind meine."

Walter hielt zum ersten Male den Blick nicht
aus, er senkte seine Augen; der Blick wurde ganz
sarkastisch.

"Meine eigenen, wiederholte der Minister in
einem Tone, der dem Blick entsprach. Ihre Artigkeit
wird doch nicht Beweise fordern?"

"Und wäre das, mein Gott!"

"So wäre das noch keine große Sünde. Ge¬
danken können sich begegnen, Gedanken fliegen durch
die Luft. Der Eine, arglos, im Eifer des Gesprächs,
läßt sie über die Lippen, und sie vibriren von Ohr
zu Ohr, bis der letzte Horcher sie in Worte faßt und
sie für die seinen hält, weil er sie zu Papier bringt.
Diesen Diebstahl will ich Ihnen verzeihen, aber --"

Darauf war Walter allerdings nicht vorbereitet
gewesen, aber ein Blick auf das Exemplar der Druck¬

Vortheil betrogen? Dieſe Schrift, die Anſichten darin,
falſch oder richtig, ſind meine. Ich bin auf Tadel
gefaßt, ich werde auch Verſpottung zu ertragen wiſſen,
aber ich will mein Recht als Eigenthümer.“

Er hatte das Heft vom Tiſche ergriffen. Der
Miniſter ſah ihn mit einem durchdringenden Blicke
eine Weile an, aber während der Zorn noch auf den
Lippen ſchwebte und den untern Theil des Geſichtes
durchzückte, glätteten ſich ſchon die Falten der Stirn
und unter den Brauen wurden die Augen klar; ja
ein ſpöttiſches Lächeln fing an ſich über die Mund¬
winkel zu legen.

„Die Gedanken, mein Herr, ſind meine.“

Walter hielt zum erſten Male den Blick nicht
aus, er ſenkte ſeine Augen; der Blick wurde ganz
ſarkaſtiſch.

„Meine eigenen, wiederholte der Miniſter in
einem Tone, der dem Blick entſprach. Ihre Artigkeit
wird doch nicht Beweiſe fordern?“

„Und wäre das, mein Gott!“

„So wäre das noch keine große Sünde. Ge¬
danken können ſich begegnen, Gedanken fliegen durch
die Luft. Der Eine, arglos, im Eifer des Geſprächs,
läßt ſie über die Lippen, und ſie vibriren von Ohr
zu Ohr, bis der letzte Horcher ſie in Worte faßt und
ſie für die ſeinen hält, weil er ſie zu Papier bringt.
Dieſen Diebſtahl will ich Ihnen verzeihen, aber —“

Darauf war Walter allerdings nicht vorbereitet
geweſen, aber ein Blick auf das Exemplar der Druck¬

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[186/0196] Vortheil betrogen? Dieſe Schrift, die Anſichten darin, falſch oder richtig, ſind meine. Ich bin auf Tadel gefaßt, ich werde auch Verſpottung zu ertragen wiſſen, aber ich will mein Recht als Eigenthümer.“ Er hatte das Heft vom Tiſche ergriffen. Der Miniſter ſah ihn mit einem durchdringenden Blicke eine Weile an, aber während der Zorn noch auf den Lippen ſchwebte und den untern Theil des Geſichtes durchzückte, glätteten ſich ſchon die Falten der Stirn und unter den Brauen wurden die Augen klar; ja ein ſpöttiſches Lächeln fing an ſich über die Mund¬ winkel zu legen. „Die Gedanken, mein Herr, ſind meine.“ Walter hielt zum erſten Male den Blick nicht aus, er ſenkte ſeine Augen; der Blick wurde ganz ſarkaſtiſch. „Meine eigenen, wiederholte der Miniſter in einem Tone, der dem Blick entſprach. Ihre Artigkeit wird doch nicht Beweiſe fordern?“ „Und wäre das, mein Gott!“ „So wäre das noch keine große Sünde. Ge¬ danken können ſich begegnen, Gedanken fliegen durch die Luft. Der Eine, arglos, im Eifer des Geſprächs, läßt ſie über die Lippen, und ſie vibriren von Ohr zu Ohr, bis der letzte Horcher ſie in Worte faßt und ſie für die ſeinen hält, weil er ſie zu Papier bringt. Dieſen Diebſtahl will ich Ihnen verzeihen, aber —“ Darauf war Walter allerdings nicht vorbereitet geweſen, aber ein Blick auf das Exemplar der Druck¬

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/196>, abgerufen am 21.11.2024.