liebenswürdige, feine, geistreiche Dame, aber sie gilt, mit Recht oder Unrecht, als die geheime Agentin Rußlands, man behauptet, daß sie mit Alexander in in¬ timeren Verhältnissen gestanden. Ich gebe nichts auf diese Insinuationen, aber wer ihren Umgang sucht, wer viel in ihrem Hause erscheint, entgeht dem Verdacht nicht. Das kann in diesem Augenblick bedenklich werden, da Napoleon -- Genug, ich weiß, die Besucher des Hotels werden an jedem Abend verzeichnet und dann nach Paris tele¬ graphirt."
Bovillard lachte auf, indem er jetzt erst die Serviette fortwarf: "Wissen Sie, wer am meisten bei der Gargazin gesehen wird? -- Laforest! Con¬ spirirt er vielleicht gegen Napoleon? Vielleicht ist er aber auch nur da um der Mamsell Alltag willen, oder um Comteß Laura. Die ist jetzt auch ein Schooßkind der Fürstin. Duroc war auch bei ihr. Wissen Sie, was ich rausgebracht habe? Sie will die Alltag zu etwas machen, entweder zu einer Pom¬ padour oder zu einer Heiligen. Sie erwartet nur Ordre deshalb aus Petersburg. Werther Freund, unter Freunden reinen Wein, was kümmert Sie mein Sohn bei der Gargazin?"
"Nicht der Sohn, nur die Auslegung, welche man seinen Schritten geben könnte."
"Sind Sie so sehr um die Auslegung besorgt, welche die Leute den Schritten distinguirter Personen geben? sprach Bovillard, ihn scharf fixirend. Wis¬
liebenswürdige, feine, geiſtreiche Dame, aber ſie gilt, mit Recht oder Unrecht, als die geheime Agentin Rußlands, man behauptet, daß ſie mit Alexander in in¬ timeren Verhältniſſen geſtanden. Ich gebe nichts auf dieſe Inſinuationen, aber wer ihren Umgang ſucht, wer viel in ihrem Hauſe erſcheint, entgeht dem Verdacht nicht. Das kann in dieſem Augenblick bedenklich werden, da Napoleon — Genug, ich weiß, die Beſucher des Hotels werden an jedem Abend verzeichnet und dann nach Paris tele¬ graphirt.“
Bovillard lachte auf, indem er jetzt erſt die Serviette fortwarf: „Wiſſen Sie, wer am meiſten bei der Gargazin geſehen wird? — Laforeſt! Con¬ ſpirirt er vielleicht gegen Napoleon? Vielleicht iſt er aber auch nur da um der Mamſell Alltag willen, oder um Comteß Laura. Die iſt jetzt auch ein Schooßkind der Fürſtin. Duroc war auch bei ihr. Wiſſen Sie, was ich rausgebracht habe? Sie will die Alltag zu etwas machen, entweder zu einer Pom¬ padour oder zu einer Heiligen. Sie erwartet nur Ordre deshalb aus Petersburg. Werther Freund, unter Freunden reinen Wein, was kümmert Sie mein Sohn bei der Gargazin?“
„Nicht der Sohn, nur die Auslegung, welche man ſeinen Schritten geben könnte.“
„Sind Sie ſo ſehr um die Auslegung beſorgt, welche die Leute den Schritten diſtinguirter Perſonen geben? ſprach Bovillard, ihn ſcharf fixirend. Wiſ¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0020"n="10"/>
liebenswürdige, feine, geiſtreiche Dame, aber ſie gilt,<lb/>
mit Recht oder Unrecht, als die geheime Agentin<lb/>
Rußlands, man behauptet, daß ſie mit Alexander in in¬<lb/>
timeren Verhältniſſen geſtanden. Ich gebe nichts auf<lb/>
dieſe Inſinuationen, aber wer ihren Umgang ſucht,<lb/>
wer viel in ihrem Hauſe erſcheint, entgeht dem<lb/>
Verdacht nicht. Das kann in dieſem Augenblick<lb/>
bedenklich werden, da Napoleon — Genug, ich<lb/>
weiß, die Beſucher des Hotels werden an jedem<lb/>
Abend verzeichnet und dann nach Paris tele¬<lb/>
graphirt.“</p><lb/><p>Bovillard lachte auf, indem er jetzt erſt die<lb/>
Serviette fortwarf: „Wiſſen Sie, wer am meiſten<lb/>
bei der Gargazin geſehen wird? — Laforeſt! Con¬<lb/>ſpirirt er vielleicht gegen Napoleon? Vielleicht iſt er<lb/>
aber auch nur da um der Mamſell Alltag willen,<lb/>
oder um Comteß Laura. Die iſt jetzt auch ein<lb/>
Schooßkind der Fürſtin. Duroc war auch bei ihr.<lb/>
Wiſſen Sie, was ich rausgebracht habe? Sie will<lb/>
die Alltag zu etwas machen, entweder zu einer Pom¬<lb/>
padour oder zu einer Heiligen. Sie erwartet nur<lb/>
Ordre deshalb aus Petersburg. Werther Freund,<lb/>
unter Freunden reinen Wein, was kümmert Sie mein<lb/>
Sohn bei der Gargazin?“</p><lb/><p>„Nicht der Sohn, nur die Auslegung, welche<lb/>
man ſeinen Schritten geben könnte.“</p><lb/><p>„Sind Sie ſo ſehr um die Auslegung beſorgt,<lb/>
welche die Leute den Schritten diſtinguirter Perſonen<lb/>
geben? ſprach Bovillard, ihn ſcharf fixirend. Wiſ¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[10/0020]
liebenswürdige, feine, geiſtreiche Dame, aber ſie gilt,
mit Recht oder Unrecht, als die geheime Agentin
Rußlands, man behauptet, daß ſie mit Alexander in in¬
timeren Verhältniſſen geſtanden. Ich gebe nichts auf
dieſe Inſinuationen, aber wer ihren Umgang ſucht,
wer viel in ihrem Hauſe erſcheint, entgeht dem
Verdacht nicht. Das kann in dieſem Augenblick
bedenklich werden, da Napoleon — Genug, ich
weiß, die Beſucher des Hotels werden an jedem
Abend verzeichnet und dann nach Paris tele¬
graphirt.“
Bovillard lachte auf, indem er jetzt erſt die
Serviette fortwarf: „Wiſſen Sie, wer am meiſten
bei der Gargazin geſehen wird? — Laforeſt! Con¬
ſpirirt er vielleicht gegen Napoleon? Vielleicht iſt er
aber auch nur da um der Mamſell Alltag willen,
oder um Comteß Laura. Die iſt jetzt auch ein
Schooßkind der Fürſtin. Duroc war auch bei ihr.
Wiſſen Sie, was ich rausgebracht habe? Sie will
die Alltag zu etwas machen, entweder zu einer Pom¬
padour oder zu einer Heiligen. Sie erwartet nur
Ordre deshalb aus Petersburg. Werther Freund,
unter Freunden reinen Wein, was kümmert Sie mein
Sohn bei der Gargazin?“
„Nicht der Sohn, nur die Auslegung, welche
man ſeinen Schritten geben könnte.“
„Sind Sie ſo ſehr um die Auslegung beſorgt,
welche die Leute den Schritten diſtinguirter Perſonen
geben? ſprach Bovillard, ihn ſcharf fixirend. Wiſ¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/20>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.