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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

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liebenswürdige, feine, geistreiche Dame, aber sie gilt,
mit Recht oder Unrecht, als die geheime Agentin
Rußlands, man behauptet, daß sie mit Alexander in in¬
timeren Verhältnissen gestanden. Ich gebe nichts auf
diese Insinuationen, aber wer ihren Umgang sucht,
wer viel in ihrem Hause erscheint, entgeht dem
Verdacht nicht. Das kann in diesem Augenblick
bedenklich werden, da Napoleon -- Genug, ich
weiß, die Besucher des Hotels werden an jedem
Abend verzeichnet und dann nach Paris tele¬
graphirt."

Bovillard lachte auf, indem er jetzt erst die
Serviette fortwarf: "Wissen Sie, wer am meisten
bei der Gargazin gesehen wird? -- Laforest! Con¬
spirirt er vielleicht gegen Napoleon? Vielleicht ist er
aber auch nur da um der Mamsell Alltag willen,
oder um Comteß Laura. Die ist jetzt auch ein
Schooßkind der Fürstin. Duroc war auch bei ihr.
Wissen Sie, was ich rausgebracht habe? Sie will
die Alltag zu etwas machen, entweder zu einer Pom¬
padour oder zu einer Heiligen. Sie erwartet nur
Ordre deshalb aus Petersburg. Werther Freund,
unter Freunden reinen Wein, was kümmert Sie mein
Sohn bei der Gargazin?"

"Nicht der Sohn, nur die Auslegung, welche
man seinen Schritten geben könnte."

"Sind Sie so sehr um die Auslegung besorgt,
welche die Leute den Schritten distinguirter Personen
geben? sprach Bovillard, ihn scharf fixirend. Wis¬

liebenswürdige, feine, geiſtreiche Dame, aber ſie gilt,
mit Recht oder Unrecht, als die geheime Agentin
Rußlands, man behauptet, daß ſie mit Alexander in in¬
timeren Verhältniſſen geſtanden. Ich gebe nichts auf
dieſe Inſinuationen, aber wer ihren Umgang ſucht,
wer viel in ihrem Hauſe erſcheint, entgeht dem
Verdacht nicht. Das kann in dieſem Augenblick
bedenklich werden, da Napoleon — Genug, ich
weiß, die Beſucher des Hotels werden an jedem
Abend verzeichnet und dann nach Paris tele¬
graphirt.“

Bovillard lachte auf, indem er jetzt erſt die
Serviette fortwarf: „Wiſſen Sie, wer am meiſten
bei der Gargazin geſehen wird? — Laforeſt! Con¬
ſpirirt er vielleicht gegen Napoleon? Vielleicht iſt er
aber auch nur da um der Mamſell Alltag willen,
oder um Comteß Laura. Die iſt jetzt auch ein
Schooßkind der Fürſtin. Duroc war auch bei ihr.
Wiſſen Sie, was ich rausgebracht habe? Sie will
die Alltag zu etwas machen, entweder zu einer Pom¬
padour oder zu einer Heiligen. Sie erwartet nur
Ordre deshalb aus Petersburg. Werther Freund,
unter Freunden reinen Wein, was kümmert Sie mein
Sohn bei der Gargazin?“

„Nicht der Sohn, nur die Auslegung, welche
man ſeinen Schritten geben könnte.“

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[10/0020] liebenswürdige, feine, geiſtreiche Dame, aber ſie gilt, mit Recht oder Unrecht, als die geheime Agentin Rußlands, man behauptet, daß ſie mit Alexander in in¬ timeren Verhältniſſen geſtanden. Ich gebe nichts auf dieſe Inſinuationen, aber wer ihren Umgang ſucht, wer viel in ihrem Hauſe erſcheint, entgeht dem Verdacht nicht. Das kann in dieſem Augenblick bedenklich werden, da Napoleon — Genug, ich weiß, die Beſucher des Hotels werden an jedem Abend verzeichnet und dann nach Paris tele¬ graphirt.“ Bovillard lachte auf, indem er jetzt erſt die Serviette fortwarf: „Wiſſen Sie, wer am meiſten bei der Gargazin geſehen wird? — Laforeſt! Con¬ ſpirirt er vielleicht gegen Napoleon? Vielleicht iſt er aber auch nur da um der Mamſell Alltag willen, oder um Comteß Laura. Die iſt jetzt auch ein Schooßkind der Fürſtin. Duroc war auch bei ihr. Wiſſen Sie, was ich rausgebracht habe? Sie will die Alltag zu etwas machen, entweder zu einer Pom¬ padour oder zu einer Heiligen. Sie erwartet nur Ordre deshalb aus Petersburg. Werther Freund, unter Freunden reinen Wein, was kümmert Sie mein Sohn bei der Gargazin?“ „Nicht der Sohn, nur die Auslegung, welche man ſeinen Schritten geben könnte.“ „Sind Sie ſo ſehr um die Auslegung beſorgt, welche die Leute den Schritten diſtinguirter Perſonen geben? ſprach Bovillard, ihn ſcharf fixirend. Wiſ¬

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Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/20>, abgerufen am 21.11.2024.