Jeder Minister ausschließlich in seinem Geschäfts¬ kreise -- ein König oder Gliederpuppe. Fehlt jedes Element, den König aufzuklären über den wahren Status. -- Geheime Kabinetsräthe! -- Dahinter war ein dicker Dintenklecks. Der Schreiber hatte mit der stumpfen Feder aufgestaucht. Absolut nicht mehr möglich. Aut -- aut! -- Fein anzufangen. -- Dum¬ mes Zeug! So Hardenberg nach heutiger Conferenz. Blücher würd's besser verstehen. -- Dahinter einige Striche, Federproben, Eselsohren!
Daraus ein Promemoria entwerfen! Aller¬ dings das Zeichen eines großen Vertrauens. War Excellenz Denkweise so bekannt, daß er aus Chiff¬ ren und Hieroglyphen ein System construiren konnte? Oder hatte er ihn absichtlich in ein Labyrinth gesetzt, um ihn auf bequeme Weise los zu werden, wenn er den Ausgang nicht fand?
Feder und Papier waren zurecht gelegt, aber Gedanken sollen dem Schreiben vorausgehen. Sie im Promeniren zu sammeln, war die Stube zu klein. Und es war drückend heiß. Er lehnte sich aus dem Fenster, um Luft zu schöpfen. Die Nachmittagssonne brannte von dem wolkenlosen Horizont auf die brei¬ ten Straßen Berlins. Die geputzten Spaziergänger, die nach dem Thiergarten eilten, suchten die schmale Schattenseite. Er hörte ihre Gespräche. Nicht Einen, der nicht dem Andern zurief: "Das ist mal heiß!" Jener machte die Bemerkung: Anno 99 wäre es doch noch heißer gewesen. -- "Ja, ja, so geht's!"
13*
Jeder Miniſter ausſchließlich in ſeinem Geſchäfts¬ kreiſe — ein König oder Gliederpuppe. Fehlt jedes Element, den König aufzuklären über den wahren Status. — Geheime Kabinetsräthe! — Dahinter war ein dicker Dintenklecks. Der Schreiber hatte mit der ſtumpfen Feder aufgeſtaucht. Abſolut nicht mehr möglich. Aut — aut! — Fein anzufangen. — Dum¬ mes Zeug! So Hardenberg nach heutiger Conferenz. Blücher würd's beſſer verſtehen. — Dahinter einige Striche, Federproben, Eſelsohren!
Daraus ein Promemoria entwerfen! Aller¬ dings das Zeichen eines großen Vertrauens. War Excellenz Denkweiſe ſo bekannt, daß er aus Chiff¬ ren und Hieroglyphen ein Syſtem conſtruiren konnte? Oder hatte er ihn abſichtlich in ein Labyrinth geſetzt, um ihn auf bequeme Weiſe los zu werden, wenn er den Ausgang nicht fand?
Feder und Papier waren zurecht gelegt, aber Gedanken ſollen dem Schreiben vorausgehen. Sie im Promeniren zu ſammeln, war die Stube zu klein. Und es war drückend heiß. Er lehnte ſich aus dem Fenſter, um Luft zu ſchöpfen. Die Nachmittagsſonne brannte von dem wolkenloſen Horizont auf die brei¬ ten Straßen Berlins. Die geputzten Spaziergänger, die nach dem Thiergarten eilten, ſuchten die ſchmale Schattenſeite. Er hörte ihre Geſpräche. Nicht Einen, der nicht dem Andern zurief: „Das iſt mal heiß!“ Jener machte die Bemerkung: Anno 99 wäre es doch noch heißer geweſen. — „Ja, ja, ſo geht's!“
13*
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0205"n="195"/>
Jeder Miniſter ausſchließlich in ſeinem Geſchäfts¬<lb/>
kreiſe — ein König oder Gliederpuppe. Fehlt jedes<lb/>
Element, den König aufzuklären über den wahren<lb/>
Status. — Geheime Kabinetsräthe! — Dahinter<lb/>
war ein dicker Dintenklecks. Der Schreiber hatte mit<lb/>
der ſtumpfen Feder aufgeſtaucht. Abſolut nicht mehr<lb/>
möglich. <hirendition="#aq">Aut</hi>—<hirendition="#aq">aut</hi>! — Fein anzufangen. — Dum¬<lb/>
mes Zeug! So Hardenberg nach heutiger Conferenz.<lb/>
Blücher würd's beſſer verſtehen. — Dahinter einige<lb/>
Striche, Federproben, Eſelsohren!</p><lb/><p>Daraus ein Promemoria entwerfen! Aller¬<lb/>
dings das Zeichen eines großen Vertrauens. War<lb/>
Excellenz Denkweiſe ſo bekannt, daß er aus Chiff¬<lb/>
ren und Hieroglyphen ein Syſtem conſtruiren konnte?<lb/>
Oder hatte er ihn abſichtlich in ein Labyrinth geſetzt,<lb/>
um ihn auf bequeme Weiſe los zu werden, wenn er<lb/>
den Ausgang nicht fand?</p><lb/><p>Feder und Papier waren zurecht gelegt, aber<lb/>
Gedanken ſollen dem Schreiben vorausgehen. Sie<lb/>
im Promeniren zu ſammeln, war die Stube zu klein.<lb/>
Und es war drückend heiß. Er lehnte ſich aus dem<lb/>
Fenſter, um Luft zu ſchöpfen. Die Nachmittagsſonne<lb/>
brannte von dem wolkenloſen Horizont auf die brei¬<lb/>
ten Straßen Berlins. Die geputzten Spaziergänger,<lb/>
die nach dem Thiergarten eilten, ſuchten die ſchmale<lb/>
Schattenſeite. Er hörte ihre Geſpräche. Nicht Einen,<lb/>
der nicht dem Andern zurief: „Das iſt mal heiß!“<lb/>
Jener machte die Bemerkung: Anno 99 wäre es<lb/>
doch noch heißer geweſen. —„Ja, ja, ſo geht's!“<lb/><fwplace="bottom"type="sig">13*<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[195/0205]
Jeder Miniſter ausſchließlich in ſeinem Geſchäfts¬
kreiſe — ein König oder Gliederpuppe. Fehlt jedes
Element, den König aufzuklären über den wahren
Status. — Geheime Kabinetsräthe! — Dahinter
war ein dicker Dintenklecks. Der Schreiber hatte mit
der ſtumpfen Feder aufgeſtaucht. Abſolut nicht mehr
möglich. Aut — aut! — Fein anzufangen. — Dum¬
mes Zeug! So Hardenberg nach heutiger Conferenz.
Blücher würd's beſſer verſtehen. — Dahinter einige
Striche, Federproben, Eſelsohren!
Daraus ein Promemoria entwerfen! Aller¬
dings das Zeichen eines großen Vertrauens. War
Excellenz Denkweiſe ſo bekannt, daß er aus Chiff¬
ren und Hieroglyphen ein Syſtem conſtruiren konnte?
Oder hatte er ihn abſichtlich in ein Labyrinth geſetzt,
um ihn auf bequeme Weiſe los zu werden, wenn er
den Ausgang nicht fand?
Feder und Papier waren zurecht gelegt, aber
Gedanken ſollen dem Schreiben vorausgehen. Sie
im Promeniren zu ſammeln, war die Stube zu klein.
Und es war drückend heiß. Er lehnte ſich aus dem
Fenſter, um Luft zu ſchöpfen. Die Nachmittagsſonne
brannte von dem wolkenloſen Horizont auf die brei¬
ten Straßen Berlins. Die geputzten Spaziergänger,
die nach dem Thiergarten eilten, ſuchten die ſchmale
Schattenſeite. Er hörte ihre Geſpräche. Nicht Einen,
der nicht dem Andern zurief: „Das iſt mal heiß!“
Jener machte die Bemerkung: Anno 99 wäre es
doch noch heißer geweſen. — „Ja, ja, ſo geht's!“
13*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/205>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.