gewärtigte, war Charlotte plötzlich vom Sitz aufge¬ sprungen, hatte sich übergelehnt, dem Schwager Zügel und Peitsche entrissen, und ließ mit einem: "Platz!" die Peitsche knallen. Das muthige Pferd, des langen Geredes sichtlich überdrüssig, bäumte sich mit einem Satz, der dem Wagen zwar einen Stoß versetzte, daß die Frau Hoflackir ihre Ohnmacht ver¬ gessen mußte; aber der Peitschenhieb hatte auch den gor¬ dischen Knoten zerhauen, den zu lösen dem Herrn Hoflackir am schwersten geworden wäre. Der Haufe, der auf die Rodomontade schon zu Thätlichkeiten Miene machte, flog auseinander, und Kies und Funken stoben.
"Kikelkakel Polizei! rief Charlotte, als sie Zügel und Peitsche dem verdutzten Herrn Schwager wieder in die Hand warf. Darum lohnte sich's auch!" Die aus der Ohnmacht erwachende Frau Hoflackir stöhnte: das komme davon, wenn man sich mit gemeinen Leuten einlasse. -- "Gemeine Leute, das geht schon, entgegnete Charlotte, deren Herz jetzt warm wurde, und ihre Zunge löste sich. Aber wenn gemeine Leute wollen gebildet thun, Cousine, das ist um die Cre¬ pance zu kriegen. Die Schmiedetöchter da an der Panke, Hufschmied war er für die Fuhrleute und Bauern! Aber seit er den Knopfladen in der Stadt angenommen, da sollte es oben raus. 'Ne Mamsell läßt sich auch gleich machen, habe ich oft zu meinem Geheimrath gesagt. Das kostet Geld und Bildung, mit 'nen Paar Redensarten und 'nem langen Plun¬
gewärtigte, war Charlotte plötzlich vom Sitz aufge¬ ſprungen, hatte ſich übergelehnt, dem Schwager Zügel und Peitſche entriſſen, und ließ mit einem: „Platz!“ die Peitſche knallen. Das muthige Pferd, des langen Geredes ſichtlich überdrüſſig, bäumte ſich mit einem Satz, der dem Wagen zwar einen Stoß verſetzte, daß die Frau Hoflackir ihre Ohnmacht ver¬ geſſen mußte; aber der Peitſchenhieb hatte auch den gor¬ diſchen Knoten zerhauen, den zu löſen dem Herrn Hoflackir am ſchwerſten geworden wäre. Der Haufe, der auf die Rodomontade ſchon zu Thätlichkeiten Miene machte, flog auseinander, und Kies und Funken ſtoben.
„Kikelkakel Polizei! rief Charlotte, als ſie Zügel und Peitſche dem verdutzten Herrn Schwager wieder in die Hand warf. Darum lohnte ſich's auch!“ Die aus der Ohnmacht erwachende Frau Hoflackir ſtöhnte: das komme davon, wenn man ſich mit gemeinen Leuten einlaſſe. — „Gemeine Leute, das geht ſchon, entgegnete Charlotte, deren Herz jetzt warm wurde, und ihre Zunge löſte ſich. Aber wenn gemeine Leute wollen gebildet thun, Couſine, das iſt um die Cre¬ pance zu kriegen. Die Schmiedetöchter da an der Panke, Hufſchmied war er für die Fuhrleute und Bauern! Aber ſeit er den Knopfladen in der Stadt angenommen, da ſollte es oben raus. 'Ne Mamſell läßt ſich auch gleich machen, habe ich oft zu meinem Geheimrath geſagt. Das koſtet Geld und Bildung, mit 'nen Paar Redensarten und 'nem langen Plun¬
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[202/0212]
gewärtigte, war Charlotte plötzlich vom Sitz aufge¬
ſprungen, hatte ſich übergelehnt, dem Schwager
Zügel und Peitſche entriſſen, und ließ mit einem:
„Platz!“ die Peitſche knallen. Das muthige Pferd,
des langen Geredes ſichtlich überdrüſſig, bäumte ſich
mit einem Satz, der dem Wagen zwar einen Stoß
verſetzte, daß die Frau Hoflackir ihre Ohnmacht ver¬
geſſen mußte; aber der Peitſchenhieb hatte auch den gor¬
diſchen Knoten zerhauen, den zu löſen dem Herrn
Hoflackir am ſchwerſten geworden wäre. Der Haufe,
der auf die Rodomontade ſchon zu Thätlichkeiten
Miene machte, flog auseinander, und Kies und
Funken ſtoben.
„Kikelkakel Polizei! rief Charlotte, als ſie Zügel
und Peitſche dem verdutzten Herrn Schwager wieder
in die Hand warf. Darum lohnte ſich's auch!“ Die
aus der Ohnmacht erwachende Frau Hoflackir ſtöhnte:
das komme davon, wenn man ſich mit gemeinen
Leuten einlaſſe. — „Gemeine Leute, das geht ſchon,
entgegnete Charlotte, deren Herz jetzt warm wurde,
und ihre Zunge löſte ſich. Aber wenn gemeine Leute
wollen gebildet thun, Couſine, das iſt um die Cre¬
pance zu kriegen. Die Schmiedetöchter da an der
Panke, Hufſchmied war er für die Fuhrleute und
Bauern! Aber ſeit er den Knopfladen in der Stadt
angenommen, da ſollte es oben raus. 'Ne Mamſell
läßt ſich auch gleich machen, habe ich oft zu meinem
Geheimrath geſagt. Das koſtet Geld und Bildung,
mit 'nen Paar Redensarten und 'nem langen Plun¬
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Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/212>, abgerufen am 24.11.2024.
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