Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

derkleid ist's nicht gethan. Da mußten sie in die
Komödie, vom Tanzboden in's Corps de Ballet.
Ging's nicht so, dachten sie, geht's so. Das kennt
man ja. Und Airs geben sie sich, wenn ein Officier
mal auf der Redoute: "Meine Damen!" gesagt hat.
Als ob man nicht wüßte, wie sie mal barfuß laufen
mußten und Reisig auf der Hucke tragen, das ist
noch keine Sünde nicht, aber pfui, wer sich schämt,
was er gewesen ist. Und gegen den Vater wäre
auch gar nichts zu sagen, wenn er nicht so schreckliche
Manieren hätte. Man merkt doch gleich den Grob¬
schmied raus. Und wo er zuschlägt, wächst kein
Gras. Aber er ist doch mal ihr Vater, und gestohlen
hat er auch nicht. Aber die Mutter, na, lieber Gott,
wenn man von der erzählen wollte! Unter der
Haube ist sie nun mal, aber von vorher weiß man
Geschichten. Gott bewahre mich, daß ich was sagte.
Wer Allen die Haube vom Kopfe reißen wollte, die
jetzt hochmüthig thun, und auf Andere schief runter
sehen, da hätte man viel zu thun. Einer den Andern
verreden, das ist die Schlechtigkeit der Menschheit,
und bis das nicht abgeschafft ist, Cousin, da können
Sie mir glauben, ist's nichts in der Welt. Ich weiß
das ja von meinem Geheimrath. Da möchte Einer
den Andern runter bringen. Katzenfreundlich vor den
Augen, und wenn sie sich den Rücken gedreht haben,
pfui! Da stellt Einer dem Andern das Bein, und
noch weit höher hinauf. Und wenn er gefallen ist,
da drücken sie ihm die Hand und thun, als ob sie

derkleid iſt's nicht gethan. Da mußten ſie in die
Komödie, vom Tanzboden in's Corps de Ballet.
Ging's nicht ſo, dachten ſie, geht's ſo. Das kennt
man ja. Und Airs geben ſie ſich, wenn ein Officier
mal auf der Redoute: „Meine Damen!“ geſagt hat.
Als ob man nicht wüßte, wie ſie mal barfuß laufen
mußten und Reiſig auf der Hucke tragen, das iſt
noch keine Sünde nicht, aber pfui, wer ſich ſchämt,
was er geweſen iſt. Und gegen den Vater wäre
auch gar nichts zu ſagen, wenn er nicht ſo ſchreckliche
Manieren hätte. Man merkt doch gleich den Grob¬
ſchmied raus. Und wo er zuſchlägt, wächſt kein
Gras. Aber er iſt doch mal ihr Vater, und geſtohlen
hat er auch nicht. Aber die Mutter, na, lieber Gott,
wenn man von der erzählen wollte! Unter der
Haube iſt ſie nun mal, aber von vorher weiß man
Geſchichten. Gott bewahre mich, daß ich was ſagte.
Wer Allen die Haube vom Kopfe reißen wollte, die
jetzt hochmüthig thun, und auf Andere ſchief runter
ſehen, da hätte man viel zu thun. Einer den Andern
verreden, das iſt die Schlechtigkeit der Menſchheit,
und bis das nicht abgeſchafft iſt, Couſin, da können
Sie mir glauben, iſt's nichts in der Welt. Ich weiß
das ja von meinem Geheimrath. Da möchte Einer
den Andern runter bringen. Katzenfreundlich vor den
Augen, und wenn ſie ſich den Rücken gedreht haben,
pfui! Da ſtellt Einer dem Andern das Bein, und
noch weit höher hinauf. Und wenn er gefallen iſt,
da drücken ſie ihm die Hand und thun, als ob ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0213" n="203"/>
derkleid i&#x017F;t's nicht gethan. Da mußten &#x017F;ie in die<lb/>
Komödie, vom Tanzboden in's Corps de Ballet.<lb/>
Ging's nicht &#x017F;o, dachten &#x017F;ie, geht's &#x017F;o. Das kennt<lb/>
man ja. Und Airs geben &#x017F;ie &#x017F;ich, wenn ein Officier<lb/>
mal auf der Redoute: &#x201E;Meine Damen!&#x201C; ge&#x017F;agt hat.<lb/>
Als ob man nicht wüßte, wie &#x017F;ie mal barfuß laufen<lb/>
mußten und Rei&#x017F;ig auf der Hucke tragen, das i&#x017F;t<lb/>
noch keine Sünde nicht, aber pfui, wer &#x017F;ich &#x017F;chämt,<lb/>
was er gewe&#x017F;en i&#x017F;t. Und gegen den Vater wäre<lb/>
auch gar nichts zu &#x017F;agen, wenn er nicht &#x017F;o &#x017F;chreckliche<lb/>
Manieren hätte. Man merkt doch gleich den Grob¬<lb/>
&#x017F;chmied raus. Und wo er zu&#x017F;chlägt, wäch&#x017F;t kein<lb/>
Gras. Aber er i&#x017F;t doch mal ihr Vater, und ge&#x017F;tohlen<lb/>
hat er auch nicht. Aber die Mutter, na, lieber Gott,<lb/>
wenn man von der erzählen wollte! Unter der<lb/>
Haube i&#x017F;t &#x017F;ie nun mal, aber von vorher weiß man<lb/>
Ge&#x017F;chichten. Gott bewahre mich, daß ich was &#x017F;agte.<lb/>
Wer Allen die Haube vom Kopfe reißen wollte, die<lb/>
jetzt hochmüthig thun, und auf Andere &#x017F;chief runter<lb/>
&#x017F;ehen, da hätte man viel zu thun. Einer den Andern<lb/>
verreden, das i&#x017F;t die Schlechtigkeit der Men&#x017F;chheit,<lb/>
und bis das nicht abge&#x017F;chafft i&#x017F;t, Cou&#x017F;in, da können<lb/>
Sie mir glauben, i&#x017F;t's nichts in der Welt. Ich weiß<lb/>
das ja von meinem Geheimrath. Da möchte Einer<lb/>
den Andern runter bringen. Katzenfreundlich vor den<lb/>
Augen, und wenn &#x017F;ie &#x017F;ich den Rücken gedreht haben,<lb/>
pfui! Da &#x017F;tellt Einer dem Andern das Bein, und<lb/>
noch weit höher hinauf. Und wenn er gefallen i&#x017F;t,<lb/>
da drücken &#x017F;ie ihm die Hand und thun, als ob &#x017F;ie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0213] derkleid iſt's nicht gethan. Da mußten ſie in die Komödie, vom Tanzboden in's Corps de Ballet. Ging's nicht ſo, dachten ſie, geht's ſo. Das kennt man ja. Und Airs geben ſie ſich, wenn ein Officier mal auf der Redoute: „Meine Damen!“ geſagt hat. Als ob man nicht wüßte, wie ſie mal barfuß laufen mußten und Reiſig auf der Hucke tragen, das iſt noch keine Sünde nicht, aber pfui, wer ſich ſchämt, was er geweſen iſt. Und gegen den Vater wäre auch gar nichts zu ſagen, wenn er nicht ſo ſchreckliche Manieren hätte. Man merkt doch gleich den Grob¬ ſchmied raus. Und wo er zuſchlägt, wächſt kein Gras. Aber er iſt doch mal ihr Vater, und geſtohlen hat er auch nicht. Aber die Mutter, na, lieber Gott, wenn man von der erzählen wollte! Unter der Haube iſt ſie nun mal, aber von vorher weiß man Geſchichten. Gott bewahre mich, daß ich was ſagte. Wer Allen die Haube vom Kopfe reißen wollte, die jetzt hochmüthig thun, und auf Andere ſchief runter ſehen, da hätte man viel zu thun. Einer den Andern verreden, das iſt die Schlechtigkeit der Menſchheit, und bis das nicht abgeſchafft iſt, Couſin, da können Sie mir glauben, iſt's nichts in der Welt. Ich weiß das ja von meinem Geheimrath. Da möchte Einer den Andern runter bringen. Katzenfreundlich vor den Augen, und wenn ſie ſich den Rücken gedreht haben, pfui! Da ſtellt Einer dem Andern das Bein, und noch weit höher hinauf. Und wenn er gefallen iſt, da drücken ſie ihm die Hand und thun, als ob ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/213
Zitationshilfe: Alexis, Willibald: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht oder Vor fünfzig Jahren. Bd. 4. Berlin, 1852, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/alexis_ruhe04_1852/213>, abgerufen am 21.11.2024.